Название: An der Quelle des Lebens
Автор: Eugen Drewermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783843612487
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Glauben in Freiheit 49 f.
DER „RUF“ GOTTES ergeht mithin keinesfalls nur „punktuell“, sondern er ertönt, ähnlich der Entwicklungslehre der Hindus, quer durch die gesamte Evolution. Ja, mehr noch: Statt rein religionspsychologisch zu sagen: die „Offenbarung“ Gottes bestehe in der personalen Erfahrung, als Mensch in einer Tiefe angenommen zu sein, die eine Integration einer Vielzahl unbewusster Bilder erlaube, können wir jetzt auch theologisch sagen: Offenbarung ist die personale Vollendung dessen, was durch die „Schöpfung“ in der Natur des Menschen angelegt ist.
Glauben in Freiheit 260 f.
DIE RELIGION DIENT DER „HUMANISATION“ … und der „Personalisation“ des Menschen …, [ein] integrativer Prozess auf dem Hintergrund einer alle Angst umspannenden Geborgenheit im Gegenüber eines absoluten Du, das in der Zuwendung einer anderen menschlichen Person erscheint, sich vollzieht und ermöglicht … Es erscheint nunmehr die „Offenbarung“ Gottes als identisch mit dem Akt der Personwerdung, der durch die Begegnung zwischen Ich und Du zustande kommt … Religion ist … zu verstehen als eine Form der Mitteilung der absoluten Person Gottes, die sich ausspricht in der Personwerdung jedes einzelnen Menschen. Mit anderen Worten: wir werden von Gott, wer immer er sei, wenn das Gesagte gilt, gerade so viel verstehen und zu Gesicht bekommen, als wir im Feld unserer eigenen Personwerdung in der Begegnung mit anderen Menschen zu leben vermögen. Die gesamte „inhaltliche“ Seite der jeweiligen Religionsform ist mithin zu lesen als der symbolische Urgrund, der in die Personwerdung einbezogen werden muss, weil ohne ihn eine Überwindung der Angst in den Tiefenschichten der menschlichen Psyche nicht möglich ist. Also doch „Entgeschichtlichung“? Also doch „gnostischer Synkretismus“? Also doch „Aufhebung der Einmaligkeit Jesu Christi“? Keineswegs. Sondern im Gegenteil! – … wir ahnen zum ersten Mal, was es mit einer Person auf sich hat, die uns die eigene Person so nahe bringt, dass, wer sie anredet mit „Du“, gar nicht anders kann als dahinter das ewige Du Gottes selbst anzusprechen, dem sie selbst sich verdankt.
Glauben in Freiheit 379 f.
WENN WIR NICHT WAGEN, unsere Gefühle in der Sprache mitzuteilen, wenn wir unsere Erlebniswelt immer weiter komprimieren auf die Welt der Dinge und ihrer Verwaltung, so werden wir erleben, daß uns die Seele entweicht … Aber irgendwo muß sie hin, unsere Seele, und je weniger wir menschlich miteinander reden, desto sicherer werden die Dinge anfangen, mit uns zu reden und sich mitzuteilen. Das ist es, was man schließlich als Wahnsinn oder als Psychose bezeichnet: daß alle Dinge reden, weil man selber nie zu reden wagen durfte und es nie ein Gegenüber gab, dem man sich mit Hilfe der Sprache hätte verständlich machen können.
Was uns Zukunft gibt 27
WAS UNS DEN MUT GIBT, einen anderen Menschen aufzufordern, sich auszusprechen, er möge wagen, seine Person mitzuteilen, ist diese Weltsicht der Religion … Es ist dieser feste Glaube von uns Christen, daß Gott uns einzig deshalb geschaffen hat, damit wir das Wort, das in uns lebt, der Welt mitteilen. Sonst wäre unser Leben sinnlos. Wir sind nicht gemacht, gehorsame Sklaven fremder Befehle und Anweisungen zu sein. Wir haben den Beruf, zu existieren nach der Art von Künstlern, die auf ihre Weise die Welt so sehen, daß sie unvertauschbar eine Wahrheit verkündet und offenbart und allen anderen zeigt. Es gibt etwas, das dürfen wir uns nicht aus dem Mund stehlen lassen.
Und legte ihnen die Hände auf 123
WIR SPRECHEN VON GOTT … nur noch wie von weitem, aus den Jahrtausenden der Tradition. Es hat nichts mehr an sich von dem, was Jesus ausmachte: Er trat mit seiner eigenen Person vor die Menschen hin, und alles von Gott ereignete sich in dem Moment seiner Begegnung.
Das Matthäusevangelium I 364
DIE MENSCHEN VERLANGEN DANACH, wirklichen Personen zu begegnen. Doch eben deshalb sind sie überdrüssig dieser gottseligen Scharlatanerie hochwürdiger Amtsträger, die immer noch glauben, sie stünden näher dem Himmel … Man glaubt ihnen nichts mehr, schon weil sie ihre Glaubwürdigkeit zu einer Frage des Kostümzwangs erniedrigt.
Glauben in Freiheit I 9
NIEMAND HAT SICH SELBST GESCHAFFEN! Es mag im Umgang miteinander peinlich sein, daran erinnert zu werden, wie angewiesen in vielen Fällen man auf andere Menschen gewesen ist und noch immer bleibt, von der Mutter beginnend bis zu all den Nachfolgegestalten, die im Leben an ihre Stelle traten (oder zu treten drohen); im Wesentlichen aber kann man und darf man über diese Tatsache sich nicht hinwegtäuschen: Ein Mensch ist nicht Gott, – er ist nicht absolut, nicht autonom, auch nicht autark, auch nicht perfekt, auch nicht zeitlos in unveränderter Befähigung zu Tüchtigkeit und Spitzenleistung, und wenn er es trotzdem zu sein versucht, steht ihm unvermeidlich eine Einschnürung in Einsamkeit, Verbitterung, Kälte und Starrheit bevor.
Grenzgänger 350 f.
EINE LIEBE ZWISCHEN ZWEI MENSCHEN ist nur wahr, wenn der eine den anderen nicht in ein Mittel zum Zweck, in ein Produktionswerkzeug seiner (biologischen, wirtschaftlichen oder künstlerischen) „Potenz“ verwandelt; das Leben eines Menschen im Umgang mit sich selbst wird nur wahr, wenn es kindlich genug bleibt, um in sich selbst stimmig zu sein – nicht „Erfolg“, sondern Identität ist hier wesentlich; und genauso beim Umgang mit den Dingen: es kommt nicht darauf an, sie planvoll in Mittel zum Erwerb von Macht und Reichtum zu verwandeln, es gilt, ihnen absichtslos gegenüberzutreten, wenn man sie in ihrer Wahrheit und Schönheit erkennen will.
Das Matthäusevangelium II 470
DIESER RUF „KOMM HERAUS!“ gilt uns heute, gleich wo wir stehen. Ob zwanzig-, vierzig-, sechzigjährig – es ist niemals zu früh und niemals zu spät, zu fühlen, zu sehen und zu hören, daß es nicht zwei Welten gibt, ein Diesseits und ein Jenseits, zeitlich und wesentlich getrennt. Der Gott Jesu Christi ist gegenwärtig heute im ewigen Präsens. Und dies ist unser ganzes Leben: zu glauben und zu wissen, dass es zwischen Erde und Himmel, zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Menschlichkeit und Göttlichkeit keine Grenzen gibt, dass nur ein einziges Reich der Liebe und des Lebens ist, zu dem wir berufen sind.
Leben, das dem Tod entwächst 125 f.
WIRKLICHE FREIHEIT erwächst dem Menschen … durch sein Angerufensein durch die absolute Person … Einzig im Gegenüber dieser absoluten Person ist der Mensch in seiner individuellen Personalität ein Zweck an sich selbst, besitzt er eine unantastbare Würde, ist mit ihm unveräußerlich etwas gemeint, das für alle Ewigkeit gilt.
Von Krieg zu Frieden = Kapital und Christentum III 362
IN DER LIEBE bildet sich das Gefühl, dass dieser Eine oder diese Eine alles ist, dass er oder sie absolut unersetzlich ist. Vielleicht weiß man vom Verstand her noch, dass das „objektiv“, rein biologisch, nicht ganz so ist, aber die Liebe verschafft uns subjektiv genau diesen Eindruck. Wenn zwei Menschen einander gefunden haben, entdecken sie sich als unvergleichlich, als ganz und gar einmalig, als in sich absolut. Die Liebe verleiht dieses Gefühl, einander zu begegnen im Raum einer Absolutsetzung, die unaustauschbar diesem Einen gilt … Der andere ist nicht zu verzwecken. Er ist von Gott gegeben, indem er so ist, wie er ist. Insofern kommen wir jetzt dahin, dass Liebe und Religion zu einer Einheit werden. Plötzlich entdeckt man den Gedanken einer göttlichen Führung oder Vorsehung im Leben: Kaum dass zwei Menschen einander lieben, erzählen sie sich wechselseitig, dass sie einander schon immer gesucht haben.
Die großen Fragen 35
NUR DARAUS KANN EIN MENSCH LEBEN, dass da ein Punkt ist, zu dem er unbedingt sich zu wenden vermag … Wer diesen Punkt gefunden hat, der muß und wird in all seiner Freiheit und Verantwortung selber sehen, wie er mit dieser Einsicht zurückkommt in diese Welt.
Dass auch der Allerniedrigste mein Bruder СКАЧАТЬ