Название: Apotheker Melchior und das Rätsel der Olaikirche
Автор: Indrek Hargla
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Hansekrimi
isbn: 9783863935207
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Das tat weh, doch es war ein süßer Schmerz, der Kilians Herz erfüllte.
»Ganz und gar nicht, gnädige Fräulein«, sagte er dann und strich mit den Fingern über die Lautensaiten. »Aber noch bin ich kein richtiger Meistersänger, ich bin erst ein Schulfreund, ein Wandergeselle. Nichtsdestotrotz singe ich Euch gerne etwas vor. Für jeden Menschen, sei er alt oder jung, dick oder dünn, hübsch oder hässlich, Mann oder Frau, Räuber oder Heiliger, gibt es auf dieser Welt ein Lied.«
»Und was sind wir Eurer Meinung nach? Jung oder alt? Dick oder dünn?«, fragte Birgitta. »Hübsch oder hässlich, Räuber oder Heilige?«
»Frauen oder Männer?«, kicherte Katrine.
»Wer Ihr seid, gnädige Fräulein, liegt an Euch zu entscheiden, zu suchen und zu finden. Ich habe meinen Weg gewählt und gehe ihn mit Gesang. Wisst Ihr, in unserer Gilde wird nur der ein wahrer Meistersänger, der auf der Stelle ein Lied erschaffen kann, aus der Luft, aus dem Nichts, ein ganz eigenes und neues Lied, das es vorher noch nicht gegeben hat«, erzählte Kilian eifrig. Gerdrud war jetzt schon in der Nähe, doch zu Kilian schaute sie nicht hinüber.
»Und Ihr beherrscht diese Kunst, Kilian Rechperger?«, erkundigte sich Katrine.
»Wie ich schon sagte, bin ich erst Geselle. Von der wahren Kunst des Meistersingens bin ich noch weit entfernt.«
»Seid doch nicht so bescheiden, Kilian. Wir haben doch gehört, wie Ihr vorhin gesungen habt.«
»Sagt, könntet Ihr beispielsweise sofort ein eigenes Lied erfinden, einfach so, aus dem Nichts?«
»Oder ein Lied über etwas, was Ihr gesehen habt und was Euch gefällt?«
»Ach, singe ich denn nicht die ganze Zeit davon, was mir gefällt und was mir am Herzen liegt? Kann man denn überhaupt von etwas anderem singen?«, fragte Kilian bedrückt.
Die Mädchen spornten ihn weiter an. Kilian sträubte sich nicht ernsthaft, er wartete einfach.
»So singt doch, Kilian! Das ist doch Eure Aufgabe, herumzureisen und den Leuten etwas vorzusingen«, verlangte Birgitta.
»Schön, dann singe ich«, versprach er. »Aber worüber?«
»Singt über irgendetwas! Oder nein, singt über das Nichts! Ja, genau, singt Euer eigenes, neu erfundenes Lied, das von nichts handelt«, riefen die Mädchen durcheinander.
»Über das Nichts? Gut, das mache ich«, war Kilian einverstanden. Gerdrud war nun ganz nah, so dass sie ihn hören musste. Kilian sah nicht, dass auch Apotheker Melchior und Gerichtsvogt Dorn unterhalb des Kirchgartens aufgetaucht waren. Dorn regelte dort etwas mit seinen Amtskollegen, Melchior kam aber ein paar Schritte näher, winkte Kilian kurz zu und blieb stehen, um das Lied anzuhören.
Dies ist ein Lied über das Nichts
Es ist nicht über mich, nicht über einen anderen
Nicht über die Liebe, nicht über die Jugend
Auch über nichts anderes, über nichts
Es kam mir in den Sinn, als ich schlief
Und auf meinem Pferd durch die Einsamkeit trabte
Ich weiß nicht, wann ich geboren wurde
Ich bin weder glücklich noch böse
Ich bin hier kein Fremder
Und habe hier doch keinen Platz
Daran kann ich nichts ändern
Eine Bergfee hat mich verzaubert
Ich weiß nicht, ob ich wache oder träume
Mein Herz bricht fast entzwei, ich bin so bekümmert
Aber das kümmert mich nicht im Geringsten
Ich bin in jemanden verliebt, ich weiß nicht, wer sie ist
Denn ich habe sie noch nie gesehen
Niemals hat sie mich erfreut oder mich betrübt
Und auch das kümmert mich nicht
Ich habe sie nie gesehen, doch ich liebe sie so sehr
Sie hat mir weder das zukommen lassen, was sie sollte, noch das, was verboten ist
Sehe ich sie nicht, bin ich glücklich
Gar nichts mache ich mir aus ihr
Denn ich kenne eine, die netter ist als sie und hübscher und reicher noch dazu
Ich weiß nicht, wo sie wohnt
Oben in den Bergen oder auf dem ebenen Feld
Es schmerzte zu sehr euch zu erzählen, wie sie mich quält
Und zu sehr schmerzt es hier zu bleiben
Daher gehe ich
Hier ist mein Lied
Ich weiß nicht, wovon es handelt
Ich schicke es jemandem
Der es mit jemand anderem an jemanden in Nürnberg schickt
Vielleicht kann sie mir den Schlüssel ihrer Truhe schicken, mit dem ich dieses Rätsel lösen kann.
Gerdrud schritt an Kilian vorbei, als wäre der Junge überhaupt nicht anwesend, Melchior aber hörte interessiert das Lied zu Ende und eilte dann dem Gerichtsvogt hinterher.
Kapitel 8
Domberg, Kleine Ordensburg 16. Mai, Mittag
Melchior wartete beim Rathaus, während Dorn den Hilfsschreiber, den Juristen und die Gerichtsdiener zusammentrommelte, sie ordentlich maßregelte und hieß, auf den Domberg mitzukommen. Von der Unterstadt führten zwei Wege auf den Domberg. Den größeren und besseren Weg, den auch Lastpferde hinaufkamen und den das Vieh entlang getrieben wurde, nannte man den Langen Domberg. Dieser begann am Ende der Raderstraße beim neuen Torturm, der in Melchiors Jugendjahren erbaut worden war. Der zweite Weg, der Kurze Domberg, wurde von einer Torschranke mit einem schmalen Durchgang begrenzt. Beide Tore wurden abends abgeschlossen und die Schlüssel von den Stadtwächtern im Rathaus verwahrt. Im Frühjahr bestand allerdings keine große Hoffnung den Fußweg СКАЧАТЬ