Moderner Fundamentalismus. Stefan Breuer
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Название: Moderner Fundamentalismus

Автор: Stefan Breuer

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 9783863935566

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СКАЧАТЬ „Der Robespierrismus ist in der ganzen Republik verbreitet, in jeder verständigen und klarblickenden Klasse, und natürlich im ganzen Volk. Der Grund dafür ist einfach der, daß der Robespierrismus die Demokratie ist und diese beiden Worte vollständig identisch sind: indem ihr daher den Robespierrismus wiederaufrichtet, seid ihr sicher, die Demokratie wiederherzustellen“ (Babeuf 1988a, 287, eig.Übers.).

      Die marxistische Lektüre kann sich dagegen auf die Tatsache stützen, daß diese Selbstzuordnung Babeufs zu Robespierre auf einer Fehleinschätzung von dessen Radikalität auf sozialökonomischer Ebene beruht. Robespierre, dies hat Dalin mit Recht der Deutung von Mathiez entgegengehalten, ist kein Vorkämpfer der Ausgleichung des Eigentums und erst recht kein Anhänger der Aufhebung des Privatbesitzes, wie sie im Manifest der Gleichen gefordert wird. Auch wenn er die Seele der Republik in der Gleichheit sieht und die Gesellschaft darauf verpflichten will, ihren Bürgern das Recht auf Subsistenz zu garantieren, meint er damit doch keineswegs Besitzgleichheit oder gar Gemeineigentum (Fetscher 1975, 282), so daß es vollkommen gerechtfertigt ist, die Distanz zu Babeuf zu betonen. „Nicht Robespierre, sondern Babeuf war Urheber des Projektes der ‚wirklichen Gleichheit‘, die im sozialen Sinne zu verstehen ist“ (Dalin 1974, 66). Folgt aber daraus die Berechtigung der marxistischen Formel, derzufolge die Verschwörung der Gleichen von 1796 einer der Momente war, in denen die Französische Revolution dazu tendierte, den Rahmen der bürgerlichen Ordnung zu überschreiten, und zwar in jenem spezifisch marxistischen Sinne des Vorgriffs auf eine neue, höhere Ordnung?

      Eine derartige Deutung ist nur dann plausibel, wenn sich nachweisen läßt, daß Babeuf und der Babouvismus ‚objektiv‘ auch auf dem Boden der marxistischen Geschichtsphilosophie stehen oder mindestens in der Tradition, in der diese sich selbst plaziert. Und das wiederum heißt: die von Rousseau und verwandten Denkern wie Mably ausgehenden Einflüsse müssen verkleinert, die Einflüsse des Fortschrittsdenkens dagegen vergrößert werden. Entsprechend hat Claude Mazauric behauptet, Babeuf habe den Pessimismus Rousseaus verworfen, er habe, als Schüler der Aufklärung und Anhänger der Enzyklopädisten, an den Fortschritt geglaubt, sich dem Materialismus eines Helvetius und dem Utopismus eines Morelly angeschlossen (in: Babeuf 1988a, 26 f.). Bei Soboul hat der Babouvismus seinen Platz „zwischen der moralisierenden kommunistischen Utopie des XVIII. Jahrhunderts und dem industriellen Sozialismus eines Saint-Simon“ (Soboul 1973, 455).

      Es ist einzuräumen, daß manches bei Babeuf dieser Deutung entgegenkommt. Seine frühen, vor der Revolution entstandenen Texte weisen ihn als einen Autor aus, der nur oberflächliche Kenntnisse Rousseaus besitzt und in vielem eher die Standpunkte von dessen Gegnern teilt; besonders groß ist die Distanz gegenüber einem der zentralen Punkte rousseauscher Zeitablehnung, der Kritik am Luxus (Barny 1994, 53 f.). Als einen der Hauptreferenztexte für seine Auffassung benennt Babeuf noch in seiner Verteidigungsrede vor dem Schwurgericht in Vendôme (Februar 1797) den Code de la Nature, den er wie viele seiner Zeitgenossen Diderot zuschreibt und nicht Morelly, seinem wirklichen Verfasser (Babeuf 1988b, 83 ff.); Morelly aber polemisiert in diesem Text gegen den Pessimismus Rousseaus und spricht sich für einen Optimismus aus, der „die bestehende Gesellschaft nur in ihrer privateigentümlichen Organisation verwirft, die zivilisatorischen Errungenschaften aber auch der natürlich-idealen Gemeinschaft als positive Werte erhalten möchte“10. Dazu paßt, daß Babeuf in seinem Brief an Charles Germain vom 28.7.1795 sich keineswegs den Maschinenstürmern anschließt, die sich damals auch in Frankreich regen, vielmehr ausdrücklich die Erfindung und den Einsatz arbeitssparender Maschinen befürwortet (1988a, 258 ff.). Dem Vorwurf, die Gesellschaft auf den Zustand der Barbarei zurückbringen zu wollen, hält er entgegen:

      „Weder die Künste noch die Wissenschaften, noch die Produktion werden in Gefahr sein, weit davon entfernt. Sie würden einen Impuls im Sinne der allgemeinen Nützlichkeit erhalten, sie würden auf neue Art angewandt werden, in einer Weise, die die Summe der Annehmlichkeiten für alle zunehmen ließe. Künste, Wissenschaften und Produktion würden sich entwickeln und veredeln, indem sie neue Wege suchten; sie würden ein erhabenes Gepräge erhalten, entsprechend den großen Gefühlen, die eine gewaltige Assoziation Glücklicher notwendigerweise hervorbringen würde. Sie würden aufhören, Sklaven zu sein, nicht mehr dazu verdammt, sich nach dem Belieben von Mäzenen zu verkleinern, könnten sie sich zu grandiosen Konzeptionen erheben, den einzigen, die einer wirklichen Zivilisation würdig sind, die das gemeinschaftliche Glück einschließt, den einzigen, die sie charakterisieren“ (ebd., 264; eig. Übers.).

      Bevor man solche Aussagen als Vorwegnahmen des wissenschaftlichen Sozialismus verbucht, sollte man sich freilich Rechenschaft darüber ablegen, daß Babeuf sich hier auf Formen von Wissenschaft und Technik bezieht, die noch durch einen Hiatus von jenen Formen des verselbständigten general intellect geschieden sind, wie er für das Zeitalter der Industrialisierung typisch sein wird (Dautry 1961, 220 f., 223). Obwohl die Manufakturperiode bereits den Einsatz von Maschinen kennt, bleibt in ihr doch nach der Einsicht von Marx die „handwerksmäßige Tätigkeit (…) das regelnde Prinzip der gesellschaftlichen Produktion“ und mit ihr das produktive Erfahrungswissen der Handarbeit; der Scheidung von Wissen und Arbeit, vermöge deren „das erstre (…) selbst als Kapital der letztren gegenüber(tritt) oder als Luxusartikel der Reichen“11, hat gerade Babeuf den schärfsten Widerstand entgegengesetzt. Seine Lehre richtet sich sowohl gegen die Polarisierung von Reichtum und Arbeit, indem sie den Reichtum als Diebstahl denunziert, als auch gegen die Verselbständigung des Wissens, indem sie la superiorité de talents et d‘industrie zur Chimäre und zum trügerischen Lockmittel erklärt, das immer nur den Komplotten der Verschwörer gegen die Gleichheit diene.

      Das Manifeste des plebéiens lehnt jede Entlohnung ab, die die persönlichen Bedürfnisse übersteigt und attackiert besonders den Anspruch der intelligents, für die Produkte ihres Gehirns einen höheren Preis zu verlangen. Wenn diejenigen, die nur über ihre Körperkraft verfügen, gleichberechtigt die Dinge hätten mit regeln können, hätten sie es zweifellos so eingerichtet, daß das Verdienst der Arme dem des Kopfes gleichgegolten hätte. Erst durch die Nichtbeachtung dieser Gleichstellung sei die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht geraten und hätten sich die Institutionen in solche verwandelt, die nur die wechselseitige Ausplünderung sanktionierten (Babeuf 1988a, 276 f.). Früher und entschiedener als Babeuf hat denn auch ein anderer Mitverschworener, Sylvain Maréchal, den Geist und die Wissenschaften auf den Aussterbeetat gesetzt. Man müsse es nicht bedauern, schreibt er im Oktober 1792 in der Wochenzeitung Révolutions de Paris, wenn die ‚Künste‘ (wozu im Sprachgebrauch der Zeit auch Wissenschaft und Technik zählen) zusammen mit dem Königtum begraben würden, habe doch die Natur zahlreiche und wenig bekannte Wunder anzubieten. Im übrigen könnten die Künste zugrundegehen, „ja, sie könnten zugrundegehen“, wenn man sie nur um den Preis der Freiheit haben könnte. „Denn wenn es wahr ist, daß sie die Kinder des Luxus sind, muß man ihrer entsagen, indem man dem Luxus entsagt, der die republikanischen Tugenden annagt. Mögen daher alle Künste zugrundegehen, eher als die Freiheit, die Gleichheit, die Republik!“12.

      An dieser Stelle tritt ein fundamentalistischer Grundimpuls hervor, der den Babouvismus an Rousseau heranrückt, auch wenn natürlich der letztere einer politischen Intervention in dem von Babeuf angesteuerten Sinne niemals zugestimmt hätte. Tatsächlich hat Babeuf, wie vor allem Roger Barny gezeigt hat, seine anfängliche Distanz gegenüber Rousseau aufgegeben und sich ab 1788/89 immer gründlicher in dessen Texte vertieft, bis diese allen übrigen sonst noch wirksamen Einflüssen den Rang abgelaufen hatten (Barny 1994, 49). In seiner Verteidigungsrede beruft er sich darauf, nichts anderes angestrebt zu haben als der Autor der beiden Diskurse und des Gesellschaftsvertrags; selbst der ihm vorgehaltene Satz aus dem Manifest der Gleichen, der die Künste der wirklichen Gleichheit opfere, sei nur ein Anklang oder eine Nachahmung der Grundsätze Rousseaus, die er sich zu eigen gemacht habe (1988b, 73). Die Identifikation geht so weit, daß er sich selbst mit dem Philosophen vergleicht und seine Frau mit dessen Frau; hatte er schon seine erste Tochter Sophie genannt, so tauft er im Jahre II seinen Sohn Robert in Emile um; das Kind sei, so beteuert er später, la copie fidèle de l‘Emile de Jean-Jacques Rousseau (Larrère 1992, 395).

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