Название: Der Duft von Glück
Автор: Petra Urban
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783736503199
isbn:
Christian Morgenstern
Das Frühjahr ist die Zeit sprießender Farben. Märzenbecher, goldene Winterlinge, die unverwüstlichen Primeln, Persischer Ehrenpreis, Löwenzahn & Co, sie alle melden sich wie ein bunter Willkommensgruß nach langer Winterzeit zurück. Lilafarbene Taubnesseln und Veilchen breiten sich wie Teppiche aus, in den Gärten strecken Forsythien ihre leuchtendgelben Arme gen Himmel, Magnolien, verschwenderisch blühend, verbreiten ihr süßliches Aroma und auch der Flieder duftet »so mild, so stark und voll«, wie es in den »Meistersingern von Nürnberg« heißt. Was wäre die Welt ohne Blumen! Ein trister, zutiefst trostloser Ort. In Kindertagen hatte ich eine Freundin, die im Gegensatz zu mir als »Blumenfee« wohl schon geboren war. Gemeinsam haben wir das Abenteuer Schule gemeistert, vereint um gute Noten gezittert und uns gegenseitig bei den Hausaufgaben geholfen. Auf ihrem Schreibtisch, inmitten von jeder Menge Krimskrams stand immer eine Vase mit einer einzelnen Schnittblume darin. Ich weiß noch genau, wie ich aus allen Wolken gefallen bin, als sie mir verriet, dieses wechselnde Grünzeug von ihrem Taschengeld zu kaufen. Für mich, die ich in jener Zeit ausschließlich in Süßigkeiten und Kinokarten investierte, geradezu unvorstellbar, wie man sein Geld für etwas derart Nutzloses ausgeben konnte, das nach nur wenigen Tagen verwelkt war und in den Müll gehörte. Trotzdem erinnere ich mich gut daran, wie gern ich diese so vergänglichen Wesen auf ihrem Schreibtisch, alle die duftenden Rosen, Lilien und Nelken, beim gemeinsamen Lernen angeschaut habe. Oft hatte ich dabei ein seltsam wohliges Gefühl, mitunter sogar eine Gänsehaut, weil sie von einer solchen Schönheit, Frische und Zartheit waren. So kam es, dass sich in mein Unverständnis im Lauf der Zeit eine leise Bewunderung mischte. Eines Tages dann passierte Folgendes: Ich war auf Rollschuhen in unserer Straße unterwegs gewesen, fröhlich hin- und hergefahren, als plötzlich etwas Grünes mit zwei spitzen, abgespreizten Blättern vor mir auf dem Bürgersteig lag. Eine Pflanze, die aus einem der geöffneten Krankenhausfenster herausgefallen und in die Tiefe gestürzt war. Ihr Topf war zersprungen, die Erde verstreut. Eine Verunglückte also. Eine Hilflose, die mich anstarrte und mit sanfter Zärtlichkeit mein Herz berührte. Und so hob ich sie auf, nahm sie mit nach Hause, setzte sie in frische Erde und stellte sie auf unseren Balkon. Und natürlich beobachtete ich sie. Ich weiß noch, welche Freude ich empfunden habe, als sie mich eines Morgens in voller Blüte begrüßte. Sie war eine prächtige, geheimnisvoll schimmernde Schwertlilie, eine Iris, benannt nach der griechischen Göttin des Regenbogens, jenem weltumspannenden Zeichen, das Himmel und Erde, Gott und die Menschen verbindet. Heute würde ich sagen, dass sie es war, diese vom Himmel gefallene Regenbogenschöne, die mich zu der Blumenfreundin gemacht hat, die ich heute bin. Ein Leben ohne Blühendes – für mich undenkbar.
Seht, meine Freunde, der Frühling ist gekommen!
Die Erde hat die Umarmung der Sonne empfangen
und wir werden bald die Früchte dieser Liebe sehen.
Indianische Weisheit
»... eine Rose als Stütze«, heißt es in einem Gedicht von Hilde Domin. Ja, so erstaunlich es klingt, Blumen können bei aller Zartheit, Sanftheit und Vergänglichkeit eine mächtige Kraftquelle sein. Etwas, woran wir uns in schweren Zeiten »festhalten« können. Als mein Vater völlig überraschend mit nur fünfundfünfzig Jahren in seinem Skiurlaub gestorben war, näherte sich der Februar gerade dem Ende. Es war ein kalter Tag und in Düsseldorf lag der Karneval in der Luft. Unmittelbar nachdem ich das Unfassbare erfahren hatte, war ich zu meiner Mutter gefahren. Ich werde diesen Vormittag nie vergessen. Diese Atmosphäre abgrundtiefer Hilflosigkeit und Traurigkeit, diese Verzweiflung und dieses Gefühl erdrückender Schwere, das auf allem lastete. Schweigend saßen wir im Wohnzimmer, wie tot, wie abgestorben. Ohne Worte. Ohne Trost. Nach und nach schellten Patienten meiner Mutter, die in der Praxis vom Tod meines Vaters gehört hatten. Offensichtlich sprach es sich in Windeseile herum. Schon bald folgten Freunde und Nachbarn. Jede Menge Beileidsbekundungen. Jede Menge Tränen. Und dann erschien eine Freundin meiner Mutter mit einem Blumenstrauß, einem riesigen bunten Frühlingsstrauß. Noch heute sehe ich ihn auf dem Wohnzimmertisch stehen. Für mich war er wie ein Licht in all der Dunkelheit. Wie ein Lächeln, vom Leben vorbeigeschickt. Und ich weiß, dass ich bei seinem Anblick und seinem Duft, der schon nach kurzer Zeit das Zimmer erfüllte, tatsächlich einen Hauch von Trost verspürt habe. Weil er mich im Angesicht des Todes für Augenblicke an die Schönheit des Lebens erinnerte.
Blumen, diese wunderbaren Geschöpfe der Natur, bezaubern durch ihre ureigene Sprache. Sie »sprechen« dort, wo wir verzweifeln, aber auch dort, wo wir im Glück sind, in Glückseligkeit nur so schwelgen. Immer finden sie die richtigen »Worte« zum richtigen Anlass, schenken uns ihre glühenden Farben, ihren Duft, ihre Anmut, ihre freundlichen Blumengesichter. Für mich sind sie Prediger der Liebe, Botschafter des Himmels, die es mit Leichtigkeit schaffen, unsere Herzen zu öffnen. Bei einer Rosenmeditation in einem meiner Seminare hatte eine ältere Teilnehmerin seufzend festgestellt, sich niemals Blumen geschenkt zu haben. Auf diese Idee war sie zeit ihres Lebens nicht gekommen. Der Gedanke, dieses Vergnügen, diese so einfache Freude nachholen zu können, gefiel ihr und sie nahm sich vor, es in der kommenden Zeit zur Herzensangelegenheit zu machen. Sich selbst Blumen zu schenken ist ein wunderbarer Weg, sich Beachtung zu schenken. Ist ein farbenfrohes, zärtliches Geständnis. Ein Liebesbeweis der besonderen Art. Wir verwöhnen uns und versichern uns der eigenen Wertschätzung. Indem wir Blumen sprechen lassen, zaubern wir Liebe in unser Leben. Selbstliebe.
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