Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
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Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

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isbn: 9789176377444

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СКАЧАТЬ der Mythologie der Griechen ist es beherrscht. Das besondere Prinzip griechischer Gestaltung ist aber nicht rein entfaltet. »Denn seitdem der Gesang sterblichen Lippen sich | Friedenatmend entwand, frommend in Leid und Glück | Unsre Weise der Menschen | Herz erfreute …«. Diese Worte enthalten die Ehrfurcht vor der Gestalt des Dichterischen, die Pindar – und mit ihm den späten Hölderlin – erfüllte, nur sehr geschwächt. Auch die »Sänger des Volks«, jedem »hold«, dienen, so gesehen, nicht, einen anschaulichen Weltgrund diesem Gedicht zu legen. In der Gestalt des sterbenden Sonnengottes bezeugt sich am deutlichsten eine in allen Elementen unbezwungene Zweiheit. Noch spielt die idyllische Natur entgegen der Gestalt des Gottes ihre besondere Rolle. Die Schönheit – anders gesprochen – ist noch nicht restlos Gestalt geworden. Es fließt auch die Vorstellung des Todes nicht aus reinem gestalteten Zusammenhang. Der Tod selbst ist nicht – wie er später verstanden ist – Gestalt in ihrer tiefsten Bindung, er ist Verlöschen des plastischen, heroischen Wesens in der unbestimmten Schönheit der Natur. Raum und Zeit dieses Todes sind noch nicht im Geiste der Gestalt als Einheit entsprungen. Die gleiche Unbestimmtheit des formenden Prinzips, die so stark sich gegen das beschworne Griechentum abhebt, bedroht das ganze Gedicht. Die Schönheit, die fast stimmungsmäßig die schöne Erscheinung des Gesanges der Heiterkeit des Gottes verbindet, diese Vereinzelung des Gottes, dessen mythologisches Schicksal nur eine analogische Bedeutung für den Dichter aufbringt, sie entspringen nicht der Mitte einer gestalteten Welt, deren mythisches Gesetz der Tod wäre. Sondern eine nur schwach gefügte Welt stirbt mit der sinkenden Sonne in Schönheit. Das Verhältnis der Götter und Menschen zur dichterischen Welt, zur raumzeitlichen Einheit, in der sie leben, ist nicht intensiv, auch nicht rein griechisch, durchgestaltet. Es muß völlig erkannt werden, daß das Gefühl des Lebens, eines ausgebreiteten und unbestimmten Lebens, das garnicht konventionsfreie Grundgefühl dieser Dichtung ist, daß also daher die stimmungsvolle Verbindung ihrer in Schönheit vereinzelten Glieder sich herschreibt. Das Leben als unbezweifelte – liebliche vielleicht, vielleicht erhabene – Grundtatsache bestimmt noch (Gedanken auch verschleiernd) diese Welt Hölderlins. Davon zeugt auf seltsame Art auch die sprachliche Bildung des Titels, da eine eigentümliche Unklarheit jene Tugend auszeichnet, der man den Namen ihres Trägers beigibt, uns so auf eine Trübung ihrer Reinheit durch allzugroße Lebensnähe dieser Tugend hinweisend. (Vergl. die Sprachbildung: Weibertreue) Ein fast fremder Klang fällt der Schluß mit Ernst in die Kette der Bilder »Und dem Geiste sein Recht nirgend gebricht«, diese gewaltige Mahnung, die dem Mute entsprungen ist, steht hier allein, und nur die Größe eines Bildes findet aus einer frühem Strophe sich zu ihr »uns … | Aufgerichtet an goldnen | Gängelbanden, wie Kinder, hält.« Die Verbundenheit des Gottes mit Menschen ist nach starren Rhythmen in ein großes Bild gezwungen. Aber in seiner Vereinzelung vermag es nicht, den Grund jener verbundenen Mächte zu deuten und verliert sich. Erst die Gewalt der Umwandlung wird es deutlich und auszusprechen schicklich machen: das dichterische Gesetz hat sich dieser hölderlinschen Welt noch nicht erfüllt.

      Was innerster Zusammenhang jener dichterischen Welt bedeutet, die angedeutet die erste Fassung enthält, und wie Vertiefung die Umwälzung der Struktur bedingt, wie von der gestalteten Mitte her notwendig Gestaltung von Vers zu Vers dringt, dies ergibt die letzte Fassung. Die unanschauliche Lebensvorstellung, ein unmythischer, schicksalloser Lebensbegriff aus einer geistig unbeträchtlichen Sphäre, wurde als bindende Voraussetzung des früheren Entwurfes gefunden. Wo Vereinzelung der Gestalt, Beziehungslosigkeit des Geschehens war, tritt nun die anschaulich-geistige Ordnung, der neue Kosmos des Dichters. Schwer ist es, einen möglichen Zugang zu dieser völlig einheitlichen und einzigen Welt zu gewinnen. Die Undurchdringlichkeit der Beziehungen stellt jedem andern als fühlenden Erfassen sich entgegen. Die Methode verlangt, von Verbundnem von Anfang an auszugehen, um Einsicht in die Fügung zu gewinnen. Vom Gestaltzusammenhange her vergleiche man den dichterischen Aufbau beider Fassungen, so der Mitte der Verbundenheiten langsam zustrebend. Es wurde die unbestimmte Zugehörigkeit von Volk und Gott zu einander (wie auch zum Dichter) früher schon erkannt. Dagegen steht die gewaltige Zugehörigkeit der einzelnen Sphären im letzten Gedicht. Die Götter und die Lebendigen sind im Schicksal des Dichters ehern verbunden. Aufgehoben ist die hergebrachte und einfache Überordnung der Mythologie. Vom Gesang, der sie »der Einkehr zu« führt, ist gesagt, daß er »Himmlischen gleich« Menschen führe – und die Himmlischen selbst. Aufgehoben ist also der eigentliche Grund der Vergleichung, denn der Fortgang sagt: auch die Himmlischen, und sie nicht anders als die Menschen, führt der Gesang. Die Ordnung der Götter und Menschen ist hier – in der Mitte des Gedichts – seltsam gegen einander gehoben, die eine geglichen durch die andere. (Wie zwei Waagschalen: man beläßt sie in ihrer Gegenstellung, doch hebt sie vom Waagebalken.) Damit tritt sehr vernehmlich das formale Grundgesetz des Gedichteten auf, der Ursprung jener Gesetzlichkeit, deren Erfüllung der letzten Fassung das Fundament gibt. Dieses Gesetz der Identität besagt, daß alle Einheiten im Gedicht schon in einer intensiven Durchdringung erscheinen, niemals die Elemente rein erfaßbar sind, vielmehr nur das Gefüge der Beziehungen, in dem die Identität des einzelnen Wesens Funktion einer unendlichen Kette von Reihen ist, in denen das Gedichtete sich entfaltet. Das Gesetz, nach dem sich alle Wesenheiten im Gedichteten als Einheit der prinzipiell unendlichen Funktionen zeigen, ist das Identitätsgesetz. Kein Element kann irgend bezugsfrei sich aus der Intensität der Weltordnung, die im Grunde gefühlt ist, herausheben. An allen einzelnen Fügungen, der innern Form der Strophen und Bilder wird dies Gesetz sich erfüllt zeigen, um schließlich in der Mitte aller dichterischen Beziehungen dies zu bewirken: die Identität der anschaulichen und geistigen Formen unter- und miteinander – die raumzeitliche Durchdringung aller Gestalten in einem geistigen Inbegriff, dem Gedichteten, das identisch dem Leben ist. — Hier aber muß nur die gegenwärtige Gestalt dieser Ordnung genannt sein: die vom Mythologischen weitabliegende Ausgleichung der Sphären der Lebendigen und der Himmlischen (so nennt Hölderlin sie meist). Und es erhebt sich nach den Himmlischen, sogar nach Nennung des Gesanges, nochmals »der Fürsten | Chor nach Arten«. So daß hier, um die Mitte des Gedichts, Menschen, Himmlische und Fürsten, gleichsam abstürzend aus ihren alten Ordnungen, zu einander gereiht sind. Daß aber jene mythologische Ordnung nicht entscheidet, daß ein ganz andrer Kanon der Gestalten dieses Gedicht durchzieht, liegt am erleuchtetsten in der Dreiteilung, in der Fürsten noch einen Platz neben Himmlischen und Menschen behaupten. Diese neue Ordnung der dichterischen Gestalten – der Götter und der Lebendigen – beruht in der Bedeutung, die beide für das Schicksal des Dichters haben wie für die sinnliche Ordnung seiner Welt. Gerade deren eigentlicher Ursprung, wie Hölderlin ihn sah, kann sich erst am Ende als das Beruhende aller Beziehungen ergeben, und was früher sichtbar ist, ist nur die Verschiedenheit der Dimensionen dieser Welt und dieses Schicksals, die sie an Göttern und Lebendigen annehmen, und eben: das völlige Leben dieser einst so abgesonderten Gestaltenwelten im dichterischen Kosmos. Das Gesetz, das formal und allgemein die Bedingung für den Bau dieser dichterischen Welt zu sein schien, beginnt nun aber, fremd und gewaltig, sich zu entfalten. – Alle Gestalten gewinnen, im Zusammenhang des dichterischen Schicksals Identität, daß sie darin mit einander aufgehoben in einer Anschauung sind, und so selbstherrlich sie erscheinen, schließlich zurückfallen in die Gesetztheit des Gesanges. Die wachsende Bestimmtheit gesteigerter Gestalten wird in den Änderungen gegen die erste Fassung am eindringlichsten erkannt. Es wird sich die Konzentration der poetischen Kraft an jeder Stelle Raum schaffen und der strenge Vergleich wird den Grund noch der geringsten Abweichung als den einheitlichen erkennen lassen. Dabei muß sich denn über die innere Absicht, auch wo die erste Fassung nur schwächlich ihr folgte, das Wichtige ergeben. Das Leben im Gesange, im unwandelbaren dichterischen Schicksal, das Gesetz der hölderlinschen Welt ist, verfolgen wir am Gestaltzusammenhang.

      Es gehen in gewichtig sehr abgehobnen Ordnungen Götter und Sterbliche in entgegengesetztem Rhythmus durch das Gedicht. Im Fortgang und im Zurückgehen von der Mittelstrophe wird dies deutlich. Eine höchst geordnete, wenn schon verborgne Abfolge der Dimensionen wird vollzogen. Die Lebendigen sind, jeweils deutlich, in dieser Welt Hölderlins, die Erstreckung des Raumes, der gebreitete Plan, in dem (wie noch sichtbar werden wird) sich das Schicksal erstreckt. In Hoheit – oder an Orientalisches gemahnender Weitläufigkeit – setzt der Anruf ein »Sind denn nicht dir bekannt viele Lebendigen?« Welche Funktion hat der Eingangsvers der ersten Fassung? Die Verwandtschaft des Dichters mit allen Lebendigen war angerufen als Ursprung des Mutes. Und es blieb nichts, als ein Bekannt-Sein, ein Kennen der Vielen. Die Frage СКАЧАТЬ