Die Enkel der Tante Jolesch. Georg Markus
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Enkel der Tante Jolesch - Georg Markus страница 8

Название: Die Enkel der Tante Jolesch

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783902998514

isbn:

СКАЧАТЬ etwas später gemeinsam die Verteidigung eines wegen Mordversuchs angeklagten Unterweltlers übernehmen sollten.

      Die Anwälte waren redlich darum bemüht, für ihren Mandanten einen Freispruch wegen Notwehr zu erwirken, hatten mit dieser Taktik aber keinen Erfolg. Nachdem er zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, begleiteten Stern und Eichenseder ihren sie wüst beschimpfenden Klienten vom Gerichtssaal zu seiner Zelle im Wiener Landesgericht.

      »Zwa Anwält hab i ma g’nommen«, fluchte der Verurteilte. »Und was hat’s bracht’? In Häfen muass i.«

      »Was regen Sie sich auf«, versuchte ihn der alte Stern zu beruhigen. »Sechs Jahre für einen Mordversuch, das ist doch ein gutes Urteil.«

      Worauf der Gefangene einwandte: »Was heißt sechs – zwölf Jahr hab i kriegt!«

      »Ja, aber pro Anwalt!«, erklärte Stern, ehe die Zellentür zwischen ihm und dem Täter ins Schloss fiel.

      Ebenso wie für seine Klienten war Dr. Stern auch in eigener Sache rechtskundig tätig. Wegen einer akut aufgetretenen schweren Darmerkrankung ins Spital eingeliefert, verweigerte er gegen den ausdrücklichen Rat des Ärztekonsiliums die Operation und verlangte statt dessen auf dem Wege einer Diät wiederhergestellt zu werden (was in der Tat gelingen sollte).

      Als ihn Wochen nach seiner Entlassung eine Rechnung des Lainzer Krankenhauses erreichte, lehnte er es ab, diese zu zahlen. Und er begründete das damit, dass

      1.)die Position »Verpflegung« ungerechtfertigt sei, zumal er infolge seines Darmleidens ohnehin nichts essen durfte. Und, dass

      2.)das von ihm belegte Einzelzimmer, was Größe, Ausstattung, Komfort und Widmung betraf, eher als Sterbekammer zu bezeichnen wäre, die freilich ihren Zweck insofern nicht erfüllte, als er immer noch am Leben sei.

      Nach einem ausgedehnten Schriftwechsel gab sich die Gemeinde Wien geschlagen.

      Dr. Stern hatte wieder einmal gewonnen.

      Während eines Frühstücks, zu dem ich in die Kanzlei Stern eingeladen wurde, berichtete mir der Chef des Hauses von einer in seiner Glanzzeit, gleich nach dem Krieg, handelnden Geschichte. Damals verteidigte er im Wiener Landesgericht einen Dachdeckergehilfen, der seinen berufsmäßigen Zugang zu Wohnhäusern für ausgedehnte Diebstouren missbraucht hatte. Nachdem Dr. Stern vor Gericht eine Notlagesituation des Angeklagten zu konstruieren versuchte, die man als mildernden Umstand hätte werten können, fragte der Vorsitzende nach dem Wochenverdienst des Dachdeckers. Worauf dieser eine Summe nannte, die den Richter in Erstaunen setzte: »Na hören Sie, das ist ja mehr als mein Monatsgehalt!«

      »Natürlich, Herr Rat«, argumentierte der Angeklagte, »aber i arbeit ja auch was!«

      Das treffendste Stern-Zitat ist auf seinen Sohn Peter, den sogenannten »jungen Stern«, bezogen, der in jenen Tagen freilich auch schon um die sechzig war, sich aber, wie er selbst bekundete, »diametral vom Vater unterschied«. In Gerichtskreisen munkelte man, mit einem etwas mitleidigen Blick auf den Juniorchef der renommierten Kanzlei, dass »dem alten Stern das Zeugen vor Gericht« meist besser gelungen wäre als im Privatleben.

      Als der nun schon 88 Jahre alt gewordene Michael Stern gefragt wurde, wie lang er denn noch als Anwalt tätig sein würde, antwortete er, sorgenvoll in die Zukunft blickend:

      »Fünf Jahr muss ich noch arbeiten, bis der Bub in Pension gehen kann.«

      Der alte Stern hat dieses Ziel um wenige Monate verfehlt, er lebte (und verteidigte) von da an noch viereinhalb Jahre. Nicht lang genug jedenfalls, um »den Buben in Pension« schicken zu können. Dr. Peter Stern brachte nach dem Tod des Vaters das Kunststück zuwege, die Kanzlei und die vom alten Stern erworbenen Immobilien zu verlieren.

      Als einen weiteren »Dr. Sperber« unserer Zeit – wenn auch in ganz anderen wirtschaftlichen Verhältnissen lebend – könnte man den Wiener Rechtsanwalt Dr. Hans Gürtler bezeichnen, dessen Kanzlei nun schon in dritter Generation besteht. Auch viele seiner Konzipienten wurden später berühmte Anwälte, aber bis dahin hatten sie eine harte Schule durchzumachen. Denn während Gürtler seine gefürchtet langen Plädoyers hielt, harrten sie – im Gerichtssaal neben ihm sitzend – des Augenblicks, da er sie aufforderte: »Herr Kollege, bitte machen Sie weiter!«

      Das konnte jederzeit und ohne jede Vorankündigung passieren. Wer den Umstieg verschlief, lief Gefahr, Gürtlers Gunst verloren zu haben.

      Einer der solchermaßen von ihm geforderten Konzipienten war der spätere Wirtschaftsanwalt Dr. Erich Schröfl. Als dieser einen – zwischen zwei Prozessterminen fixierten – Besuch beim Friseur ankündigte, hielt Gürtler ihn unter Androhung disziplinärer Maßnahmen davon zurück: »Der Besuch eines Friseurladens ist während der Dienstzeit verboten!«

      »Aber Herr Doktor«, protestierte Schröfl, »mir sind die Haare ja auch in der Dienstzeit gewachsen.«

      Gürtler zeigte sich von der Verteidigungslinie seines Schülers beeindruckt und behielt ihn wohlwollend im Auge.

      Neben der Jurisprudenz hatte sich Kanzleigründer Hans Gürtler schon Mitte der dreißiger Jahre ein zweites Standbein geschaffen, als er nämlich nach dem Tod der legendären Anna Sacher deren Hotel vis-à-vis der Wiener Staatsoper kaufte und vor dem Konkurs rettete. Seither befindet sich das Sacher im Besitz der Familie Gürtler.

      Franz Sacher – der Erfinder der Sachertorte – hatte durch den Handel mit seiner weltberühmten Süßspeise so viel verdient, dass er jedem seiner beiden Söhne ein Hotel hinterlassen konnte: Eduard erhielt das Wiener Sacher, das später dann seine Witwe Anna führte. Und Carl, der jüngere Sohn, bekam ein in der mondänen Kurstadt Baden gelegenes Hotel. Zwar ist das Wiener Sacher, schon seiner exklusiven Lage wegen, das bekanntere der beiden Quartiere, dafür genießt aber das Badener Sacher den Vorzug, bis zum heutigen Tage im Besitz der Familie Sacher geblieben zu sein.

      Das Hotel in Baden wurde in der Besatzungszeit von den Sowjets okkupiert, in entsprechend desolatem Zustand an die Familie zurück gegeben und 1956 als Hotel und Restaurant wieder eröffnet.

      Dies aber war der Zeitpunkt, da sich Rechtsanwalt Dr. Hans Gürtler, der Besitzer des Wiener Sacher, zu Wort meldete, um im geschliffenen Juristendeutsch festzuhalten, dass er die Existenz zweier Hotels mit dem Namen Sacher nicht dulden würde. »Ich fordere Sie daher ultimativ auf«, schloss Gürtler seinen Brief an den Enkel des Firmengründers, »Ihrem Hotel in Baden einen anderen Namen zu geben, widrigenfalls ich mir rechtliche Schritte vorbehalte. Hochachtungsvoll Dr. Gürtler.«

      Carletto Sacher, der Enkel, las den Brief, nahm ein Blatt Papier zur Hand und antwortete dem berühmten Anwalt: »Sehr geehrter Herr Doktor, auch mir erscheint es unerträglich, dass es zwei Hotels mit dem Namen Sacher geben soll. Ich fordere Sie daher auf: Nennen Sie Ihr Hotel ›Gürtler‹! Hochachtungsvoll Carletto Sacher.«

      Seither sind fast fünfzig Jahre ins Land gezogen. Und wie man sieht, vertragen Wien und Baden durchaus zwei Hotels, die den Namen Sacher führen.

image

      Ich selbst hatte mit Anwälten zu tun, als ich in den Vorweihnachtstagen des Jahres 1992 über den spektakulären Grabraub der Mary Vetsera berichtete. Ein Linzer Möbelhändler namens Flatzelsteiner hatte die »Kronen Zeitung« darüber informiert, im »Besitz« der Gebeine der 1889 in Mayerling tragisch verstorbenen Geliebten des Kronprinzen Rudolf zu sein. Der Rest der Geschichte ist Geschichte – der ich aber zwei hierher passende Episoden beifügen möchte.

      Nachdem СКАЧАТЬ