Mein Leben für Amazonien. Erwin Kräutler
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Название: Mein Leben für Amazonien

Автор: Erwin Kräutler

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783702233884

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СКАЧАТЬ Tätigkeit auch im Schuldienst tätig. Ich musste meine Diplome vom Studium in Salzburg beglaubigen lassen. Dafür musste ich mich einer Nachprüfung in portugiesischer Sprache und Literatur unterziehen. Das habe ich gern gemacht und sage mit einem gewissen Stolz, dass ich die Note 9,5 erhalten habe, also ganz nahe an der Bestnote 10.

      Außerdem musste ich eine Arbeit über die brasilianische Geschichte und Realität schreiben. Das habe ich gemacht und ich habe die entsprechenden Stempel bekommen und zunächst eine provisorische Lehrbefugnis für Erziehungspsychologie, -philosophie und -soziologie an der Lehrerbildungsanstalt. Nebenbei habe ich noch Englisch unterrichtet, weil kein Englischlehrer da war. Aber ich fand es irgendwie komisch, dass ich nur eine „provisorische“ Lehrverpflichtung hatte und diejenigen, die ich ausbildete, sofort nach Abschluss der Studien eine ordentliche Lehrbefugnis bekamen.

      Ich bin dieser Geschichte nachgegangen und die Erklärung war einfach: Ja, gut, Sie haben alle Diplome, das ist in Ordnung, aber was ihnen fehlt, ist die brasilianische Staatsbürgerschaft. Daraufhin ging ich zum österreichischen Botschafter in Brasilia und unterbreitete ihm mein Anliegen: Ich möchte gerne die brasilianische Staatsbürgerschaft annehmen, aber die österreichische nicht verlieren. Der Botschafter machte mir zunächst keine großen Hoffnungen. „Das ist sehr, sehr schwierig“, sagte er in seinem oberösterreichischen Dialekt, „wenn Sie nicht Herbert von Karajan sind oder Karl Schranz, dann ist das sehr, sehr schwierig. Sie müssen für Österreich interessant sein.“

      Dann fragte er mich, woher ich käme. Das hätte er eigentlich aus meinem alemannischen Akzent erraten können. „Aus Vorarlberg“, antwortete ich. „Ja, da schaut die Geschichte ein bisschen anders aus. Vorarlberg ist ja so klein, dass jeder jeden kennt! Da gibt es doch sicher einen Landtagsabgeordneten, der sich für Sie starkmacht.“ Als ich das nächste Mal nach Vorarlberg gekommen bin, habe ich bei einem Fest den späteren Landesstatthalter Siegi Gasser getroffen und ihn gefragt, ob er mir weiterhelfen könne. Er hat gemeint: Das machen wir doch sofort. Aber Sie müssen eben interessant sein für Vorarlberg. – Wie wird man das? – Was tun Sie denn drüben in Brasilien? – Ich unterrichte an der Lehrerbildungsanstalt, ich bin offiziell der Präsident des Alphabetisierungsprogramms, ich bin neben meinen priesterlichen Aufgaben in der Schule angestellt. – Gut, bitte schreiben Sie das alles zusammen.

      Das Land Vorarlberg hat dann tatsächlich in Altamira bei der Lehrerbildungsanstalt angefragt, ob ich dort wirklich unterrichte und was ich sonst täte und sei. Auch der Bürgermeister von Altamira erhielt eine Anfrage. Der war natürlich voll des Lobes über mich. So bekam ich schließlich 1978 den Bescheid, dass ich im Falle der Annahme der brasilianischen Staatsbürgerschaft die österreichische behalten dürfe.

      In Brasilien war damals noch die Militärregierung am Ruder. Das war ein wenig gefährlich, weil ich Priester war. Ich musste zu einer Befragung durch einen Militär. Der hat mich ausgefragt, welche Literatur ich lese, was meine Hobbys sind. Da habe ich von Musik geredet, von Mozart und Salzburg, wo ich studiert hatte. Schließlich fragte er: „Was sagen Sie zu Che Guevara?“ Er wollte sichergehen, dass ich kein Marxist bin. Ich habe geantwortet, dass ich gegen jede Art von Gewalt sei. Das hat ihn dann überzeugt. Schlussendlich wollte er noch wissen, ob ich verheiratet sei. – Nein. – Ob ich Kinder hätte? – Nein. – Er fragte, wo ich lebe und wohne. Ich wollte absolut nicht, dass er daraufkommt, dass ich Priester bin, denn wahrscheinlich wäre zur Zeit der Militärdiktatur mein Ansuchen um die brasilianische Staatsbürgerschaft deshalb im Archiv gelandet. So sagte ich einfach: „Bei den andern.“ Damit war das Gespräch zu Ende.

      Am 7. Juli 1978 habe ich dann die brasilianische Staatsbürgerschaft erhalten. Das wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ich habe seither alle Rechte als Brasilianer, ich könnte Senator werden oder Minister, ich kann nur nicht Präsident werden und ich dürfte nicht in der ersten Klasse Volksschule unterrichten, weil man meint, dass ich wegen meiner Herkunft nicht akzentfrei Portugiesisch sprechen könnte. Allerdings sagen die Leute nie, dass ich einen Akzent hätte. Viele meinen, ich sei aus Santa Catarina, Paraná oder Rio Grande do Sul, und wundern sich, wenn ich sage, ich sei in Österreich geboren. – Das gibt es nicht, Sie sprechen ja akzentfreies Portugiesisch!

      Die harte Lehre, durch die ich sprachlich gegangen bin, hat sich gelohnt. Die Ordensschwester, die mich Portugiesisch gelehrt hat, meinte gleich zu Beginn des Unterrichts: Du wirst so reden, wie die Leute hier reden. Sie hat mich einzelne Worte so lange wiederholen lassen, bis die Aussprache perfekt war. Dann bin ich ja bald an die Schule gekommen und ich habe die Schülerinnen und Schüler sofort gebeten: Bitte, wenn ich einen Fehler mache, dann sagt mir das sofort. Denn in Brasilien ist es taktlos, jemanden auf einen sprachlichen Fehler aufmerksam zu machen. Wir reden in Amazonien ein schöneres Portugiesisch als die Brasilianer im Süden. Denn die haben alle einen Akzent, einen italienischen, einen deutschen oder den einer anderen Nationalität.

      Die vier Wünsche an den Bischof Erwin

      Erfreulicherweise darf ich sagen, dass meine Ernennung zum Bischof ganz so gelaufen ist, wie es im Kirchenrecht vorgesehen ist. Der Nuntius hatte eine Befragung in der ganzen Prälatur durchgeführt. Ich wurde dann durch ein Telegramm in die Nuntiatur gerufen. Ich sollte am 31. Oktober 1980 um 11.30 Uhr dort erscheinen, habe aber nicht gewusst, warum. Ich wusste nur, dass in der Prälatur eine Umfrage durchgeführt worden war, wer Bischof werden solle. Der Nuntius war ein Neapolitaner und schon ein alter Mann. Er hat mir einen Scotch servieren lassen, einen Brief aus seiner Rocktasche gezogen und gesagt: Für Sie! Ich habe den Brief gelesen, und das war die Ernennung zum Bischof am Xingu. Ich war überrascht, ja einigermaßen erschrocken. Der Nuntius erwiderte, der Heilige Vater vertraut auf Sie, bitte nehmen Sie die Ernennung an. Mir verschlug es die Stimme und ich ließ den Scotch stehen. Wahrscheinlich hat ihn inzwischen jemand abserviert.

      Auf meinen Einwand, ich möchte schon vorher mit meinen Mitbrüdern darüber reden, antwortete der Nuntius, das habe er bereits im Vorfeld getan. Er habe Priester, Ordensfrauen und Laien befragt, und die Antwort sei eindeutig gewesen: Alle stünden hinter mir. Der Nuntius meinte, ich solle in die Kapelle gehen, eine Stunde beten, und dann zurückkommen und unterschreiben. Da habe ich ihm gesagt: Wenn das ohnehin so fix ist, dann unterschreibe ich lieber gleich und kann mich dann in Ruhe dem Gebet widmen.

      Als ich nach Altamira zurückkam, fragten mich die Leute: Was hast du in Brasilia getan? Ich hatte aber Schweigepflicht bis zum 12. November, also fast zwei Wochen lang. Am 7. November ist die Ernennung im Vatikan offiziell erfolgt, aber erst am 12. November, 8 Uhr früh in Rom, 12 Uhr in Brasilien wurde sie veröffentlicht.

      Da saß ich nun in Altamira und wusste nicht, wie mir war und was ich tun sollte. Gott sei Dank kam mir plötzlich eine Idee: Am besten wird es sein, du fragst die Leute. Ich berief also eine Versammlung ein und lud dazu die Priester ein, die Vertreterinnen und Vertreter der Ordensgemeinschaften und weitere Frauen und Männer aus den Gemeinden. In Gruppenarbeit überlegten und formulierten diese meine Leute ihre Wünsche an den soeben ernannten Bischof. Im Wesentlichen waren das vier Punkte:

      imageDie Priester wollten, dass ich auch als Bischof der Pater Erwin bliebe, den sie seit Jahren kennen. Sie wollten keinen Bischof als höheres Wesen, sondern wünschten, dass ich meinen umgänglichen Stil beibehalte.

      imageAls Zweites wollten die Priester und Ordensleute, dass ich eine freundschaftliche Beziehung mit ihnen pflege. Sie wünschten sich, dass ich ihr Mitbruder bleibe, der ihnen keine Hirtenbriefe schreibt, sondern das Miteinander und die gemeinsame Verantwortung für die Kirche fördert und lebt.

      imageDie Laien haben mich mit ihrem Wunsch ganz besonders überrascht. Sie wünschten sich, dass ich ein betender Bischof sei, ein Mann Gottes. Sie wollten, СКАЧАТЬ