Steirertanz. Claudia Rossbacher
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Название: Steirertanz

Автор: Claudia Rossbacher

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839268025

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СКАЧАТЬ nahmen die Sachverständigen an. Wegen Sanierungsarbeiten war nur eine Tunnelröhre befahrbar gewesen. Der Lkw-Fahrer kam mit einem Schock davon. Die beiden Pkw-Insassen verstarben noch an der Unfallstelle. An jenem verregneten Juliabend warteten die 20-jährigen Töchter vergeblich auf ihre Eltern.

      Und jetzt war eine von ihnen gestorben. Sie konnte es nicht fassen, dass ihre Schwester tot war.

      Der finstere Blick des jungen Taxifahrers begegnete ihr im Rückspiegel. Dunkle, funkelnde Augen. Schwarze buschige Brauen. Große, krumme arabische Nase. Dichter Vollbart. Ob er einer dieser radikalen Islamisten war, die nur da­rauf warteten, im Namen Allahs unschuldige Menschen zu ermorden? Je mehr, desto besser? Wie jener Attentäter, der am Abend vor dem zweiten Corona-Lockdown wahllos in der Wiener Innenstadt um sich geschossen und dabei mehrere Personen verletzt und getötet hatte. Beim Anblick des Taxlers drohte die Fantasie mit ihr durchzugehen. Sie wandte sich ab, sang im Geist den Refrain mit Falco mit. »Oh-oh, Vienna Calling …«

      Der schmerzhafte Gedanke an die verstorbene Schwester ließ sich nicht so einfach abschütteln. Länger als zwei Wochen waren sie noch nie voneinander getrennt gewesen.

      Lilli und Luise.

      Luise und Lilli.

      Die Lex-Zwillinge.

      Ein Herz und eine Seele.

      Ohne ihre zweite Hälfte fühlte sie sich verloren, mutterseelenallein auf dieser Welt. Wie sollte sie bloß ohne sie weiterleben? Ihre beste Freundin, ihre großherzige Schwester, die ihr Leben für sie gegeben hätte?

      Sie durfte jetzt nicht an sie denken. Schon gar nicht an ihren gewaltsamen Tod. Die Trauer lastete zentnerschwer auf der Brust, raubte ihr die Luft zum Atmen. Die Angst kroch über ihren Rücken bis in den Nacken hinauf, krallte sich dort fest, ließ sie zittern.

      Ob sie noch eine Beruhigungspille schlucken sollte? Lieber nicht. Sie musste einen klaren Kopf bewahren, sich ablenken, um ihre Gefühle, so gut es ging, zu verdrängen. Sie schaute aus dem Fenster, konzentrierte sich auf die Fußgänger, die an der Blechkolonne vorbeihuschten. Die meisten paarweise oder in Grüppchen. Alle in Tracht unter ihren dicken Jacken und Wintermänteln. Bestimmt würden sie schneller an ihr Ziel gelangen als die Fahrgäste, die in den Taxis und Limousinen ausharrten.

      Ob sie aussteigen und ebenfalls zu Fuß gehen sollte? Nein, das war stillos, entschied sie sich dagegen. Eine Lilli Lex fuhr vor, nahm den Haupteingang, stellte sich der Öffentlichkeit. Gerade jetzt. Nach allem, was passiert war. Außerdem blies da draußen dieser grässliche Wind, der beinahe ständig um die Häuser ihrer Geburtsstadt wehte.

      Die Winter in Wien fand sie schrecklich. Von November bis Februar lag meist Hochnebel über der Stadt, der alles in schäbiges Grau tauchte. Die Sonne zeigte sich nur selten, was über kurz oder lang aufs Gemüt drückte. Wenn es schneite, verkam der Schnee binnen kürzester Zeit zu dreckigem Gatsch. Kaum war es wärmer, sorgte der Rollsplitt für staubige Straßen, Autos und Fensterscheiben. Bis weit in das Frühjahr hinein.

      Die schwülen Sommer in der Stadt waren kaum besser. Wer es sich leisten konnte, verbrachte die Ferien in den Bergen oder an den Seen. Die Sommerfrische hatte in Österreich Tradition. Selbst der Kaiser hatte sich seinerzeit lieber im Salzkammergut als in der Hofburg aufgehalten. Sein Hofstaat, Adelige, Künstler, Literaten und wohlhabende Industrielle folgten ihm. Auch ihr Ururgroßvater hatte eine Villa am Grundlsee gebaut, damit die Familie fortan ihre Ferien dort verbringen konnte. Wann immer es die Arbeit des Zuckerlfabrikanten aus Wien zuließ, schaute er selbst für einige Tage in der Lex-Villa vorbei.

      Jetzt lag das altehrwürdige Haus in Schutt und Asche, die Leiche ihrer Schwester im Kühlfach der Grazer Gerichtsmedizin. Die Tränen schnürten ihr den Hals zu. Der Kloß ließ sich kaum hinunterschlucken. Sie durfte nicht weinen. Nicht hier, nicht jetzt. Vielleicht später.

      Kapitel 1

      Sechs Tage zuvor

      Samstag, 2. Jänner

      1.

      Graz

      »Happy Birthday, liebe Sandra, happy Birthday to you!« Die letzten Töne der Gäste waren noch nicht verklungen, als sich Sandra Mohr über ihre Geburtstagstorte beugte, um die Kerzen darauf auszublasen. 43 hätten es sein müssen. Aus Platzmangel hatte ihre beste Freundin die selbst gebackene Kürbiskern-Schilcher-Torte mit zwei Ziffernkerzen dekoriert. Die beiden Traubengelee-Kreise dürfe man durchaus als Handschellen interpretieren, erklärte Andrea. Was lediglich auf den Beruf des Geburtstagskindes anspielen sollte, setzte sie vor versammelter Gästeschar hinzu, die herzlich darüber lachte.

      Einzig die Abteilungsinspektorin des LKA Steiermark fand den Kommentar der Freundin, der sie an ihr nicht vorhandenes Liebesleben erinnerte, überhaupt nicht witzig. Möglicherweise hatte Sascha Bergmann ja recht, und sie war wirklich völlig humorbefreit, wie ihr der Chefinspektor gelegentlich vorwarf.

      Wo waren nur all die Jahre geblieben, fragte sich Sandra insgeheim. Halbzeit. Wenn sie Glück hatte und die durchschnittliche Lebenserwartung einer Grazerin erreichte. Ihre Kindheit und Jugend am Land brachten ihr vielleicht noch ein paar Bonuswochen oder sogar -monate ein. Rein theoretisch. Falls nicht wieder eine Seuche ausbrach, sie der Krebs oder eine andere tödliche Krankheit frühzeitig dahinraffte. Oder diese verrückte Welt vorher unterging.

      Sie holte tief Luft. Wenngleich es ein Kinderspiel war, die beiden Kerzen mit einem Atemzug auszublasen. Umso schwieriger fand sie es, sich das Richtige zu wünschen. Ihren Kinderwunsch hatte sie bereits an den sprichwörtlichen Nagel gehängt. Ein liebe- und verständnisvoller Mann kam ihr in den Sinn. Allerdings hatte sie kein Glück mit Männern. Gesundheit. Ja, Gesundheit wünschte sie sich. Ohne die war alles nichts wert. Das hatte ihr nicht erst die Corona-Pandemie klargemacht, die Millionen Todesopfer gefordert und der Wirtschaft eine tiefe Rezession beschert hatte, wie die Welt sie zuletzt in den 1930er-Jahren gesehen hatte. Dabei war man hierzulande vergleichsweise glimpflich davongekommen.

      Noch näher war Sandra die Sepsis gegangen, an der Sascha Bergmann beinahe gestorben wäre. Nach einem Wespenstich, der sich entzündet hatte. Es hatte Monate gedauert, bis der Chefinspektor nach seinem Nierenversagen genesen und wieder einsatzfähig war. Eines der beiden Organe hatte die Funktion nicht mehr aufgenommen, die andere Niere sich nahezu vollständig regeneriert. Eine lebenslange Dialyse oder Organtransplantation war ihm glücklicherweise erspart geblieben. Mittlerweile fühlte er sich wieder topfit. Nur das Taekwondo-Training hatte er zum Schutz seiner intakten Niere aufgegeben und seither ein paar Kilo um die Leibesmitte herum zugelegt. Dafür, dass er in zwei Jahren seinen 50er feierte, war er aber noch recht gut in Schuss, fand Sandra. Sie hob ihr Sektglas, bedankte sich bei ihren Gästen für das Ständchen und prostete ihnen zu.

      Bergmann sah sie an, als hätte er ihre letzten unausgesprochenen Gedanken gelesen. Das Grinsen verging ihm, als er sein vibrierendes Handy aus der Sakkotasche holte.

      Dass er in die Küche verschwand, um den Anruf entgegenzunehmen, ließ Sandra nichts Gutes ahnen. Aktuell waren einige Kollegen des LKA mit Infekten im Krankenstand. Seit Corona war es ihnen ausdrücklich untersagt, mit Fieber oder anderen grippeähnlichen Symptomen den Dienst in der Landespolizeidirektion anzutreten. Bergmann und Sandra fühlten sich aktuell gesund und waren auf Stand-by. Geburtstag hin oder her.

      »Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe!«, lenkte An­drea ihre Aufmerksamkeit auf sich und drückte Sandra das Messer in die Hand. »Worauf wartest du? Los, schneid die Torte an!«

      »Andrea!«, rügte ihr Mann sie für ihre vermeintliche Gier.

      Einige СКАЧАТЬ