Baltrumer Maskerade. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Maskerade - Ulrike Barow страница 5

Название: Baltrumer Maskerade

Автор: Ulrike Barow

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839265024

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СКАЧАТЬ beiden Töchtern nahe zu bringen.

      Allerdings musste sie zugeben, dass Petra in der Beziehung zu Jörg den dominanten Teil einnahm. Jörg war eher ein Sanfter, der sich alle Dinge mehrmals durch den Kopf gehen ließ, bevor er eine Entscheidung fällte. Der nie mit dem Kopf durch die Wand ging, sich ein … ja, fast kindliches Gemüt bewahrt hatte. Ein Mann, der mit dem auskam, was er durch seine Vorstellungen einnahm. Wenn es einmal nicht so gut lief, zum Beispiel in den Wintermonaten, in denen die Auftritte in den Nordseebädern wegfielen, reichte ihm weniger zum Leben. Dann blieb ihm nur das Honorar von Kindergeburtstagen oder seltenen Gastspielen in den Kinderbespaßungsfabriken unter Dach, die sich inzwischen selbst in den kleinsten Orten etablierten. Wie sagte er immer? »Eine Rutsche, eine Ecke voll mit bunten Bällen, Cola, Eis und ein Hamburger – das reicht, um Kinder von heute glücklich zu machen. Denken zumindest die Betreiber solcher Hallen. Und viele Eltern, nicht zu vergessen.« Seiner Meinung nach fehlte Entscheidendes: Die Fantasie der Kinder zu wecken, und der Wille, sich mit den Kindern zu beschäftigen, sie ernst zu nehmen.

      Hedda bewunderte ihren Schwiegersohn für seine Geduld. Sie war zeitlebens ungeduldig gewesen. Wenn nicht alles sofort klappte, konnte sie unangenehm werden. Das hatten ihre beiden Kinder ebenfalls erfahren müssen.

      »Jetzt graben wir einen Wattwurm aus«, schreckte Eberhard sie aus ihren Gedanken und zeigte auf eines von Millionen geringelter Sandhäufchen, die den Wattboden bedeckten. Sie ließ sich von seinen spannenden Erklärungen gefangen nehmen und merkte kaum, wie die Zeit verstrich.

      »So, da wären wir wieder. Herzlichen Glückwunsch zur ersten erfolgreich absolvierten Wattwanderung.«

      Schon hatten sie wieder die Stelle erreicht, an der sie ihre Schuhe abgelegt hatte.

      »Ich lade dich zu einem Kaffee im Verhungernix ein. Wie wär’s?«, schlug sie vor, als sie wieder auf der Hafen­straße standen. Sie hoffte, dass er zustimmte und sie noch ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten.

      Gerade als er antworten wollte, klingelte es in seiner Jackentasche. Er fummelte sein Handy heraus. »Hallo, Hans. Schön, dass du zurückrufst. Gab’s die Sachen im Baumarkt? Nein? Aber eine Leiche? Wo? Aha. Das ist ein Ding. Sachen gibt’s.« Eberhard hörte einen Moment schweigend zu, dann sagte er: »Ich melde mich später über Festnetz«, und verstaute das Telefon wieder in seiner Jacke.

      Hedda wartete ungeduldig auf eine Erklärung. Warum sagte er nichts?

      Stattdessen schaute er auf seine Armbanduhr.

      »Also, was ist nun? Wir trinken Kaffee und du erzählst mir alles über die Leiche.«

      Doch Eberhard schüttelte den Kopf. »Geht leider nicht. Ich muss los. Das Mittagessen wartet.«

      »Aber über die Leiche wirst du mir wohl kurz noch berichten können, oder?«, versuchte Hedda es erneut.

      »Mein Freund Hans wohnt in Bensersiel. Ich hatte ihn gebeten, mir ein paar Dinge aus dem Baumarkt zu besorgen. Das macht er gerne. Er bringt sie dann zum Schiff …«

      »Eberhard – die Leiche!?«, hakte sie noch einmal nach. »Frauen sind nun mal neugierig!«

      »Die haben sie im Hafenbecken von Bensersiel gefunden. Mehr wusste Hans nicht. Nur, dass der Tote weiße Handschuhe getragen haben soll. Aber du weißt, wie das mit solchen Wahrheiten ist«, fügte Eberhard hinzu. »Jetzt muss ich aber wirklich. Bis später.«

      Ehe sie fragen konnte, wann sie sich wiedersehen würden, hatte er seinen Stock am Fahrrad festgeklemmt und fuhr Richtung Nationalparkhaus. Komisch, dachte sie, das ist heute bereits das zweite Mal, dass sich jemand einer Antwort durch Flucht entzieht. Bin ich denn so unerträglich? Und außerdem – wer wartete mit dem Mittag­essen auf ihn? Seine Frau? Hedda hatte ihn tatsächlich noch nicht nach seinem Familienstand gefragt. Das wäre ein Ding … Sie erlaubte ihren Gefühlen heimlich die wildesten Sprünge und Eberhard fuhr womöglich zum Mittagessen im Kreis seiner Lieben!

      Nichts da. Sie würde ihrem Überschwang einen Riegel vorschieben. War sowieso lächerlich. In ihrem Alter. Sie würde ins Hotel Sonnenstrand zurückkehren und schauen, ob ihre Tochter das Probefrisieren erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Und sich wieder in den Dienst der Hochzeitsvorbereitungen stellen.

      Wer wohl der Tote war? Was hatte Eberhards Freund gesagt … der trug weiße Handschuhe? Hedda schien der Magen plötzlich wegzusacken. Trugen Clowns nicht weiße Handschuhe? Trug Jörg bei seinem Auftritt nicht immer weiße Handschuhe? War sein Auftritts-Termin gestern am Festland nicht in Esens gewesen? Und lag Esens nicht in der Nähe von Bensersiel? Oder übernachtete er nur in Esens und sein Auftritt war in Bensersiel? Sie konnte sich nicht erinnern.

      Ihre Knie zitterten, als sie das Hotel erreichte. Sollte sie Petra berichten, was sie gehört hatte? Oder machte sie damit nur die Pferde scheu? Bastelte sie sich da reinen Blödsinn zusammen? Langsam ging sie hoch in den ersten Stock und blieb vor Petras Zimmer stehen. Sie hörte die laute Stimme ihrer Tochter. Was sollte sie tun? Hedda klopfte und öffnete vorsichtig die Tür.

      Petra telefonierte gerade, winkte sie aber rein. Ihre Tochter sah erbost aus. Sie knallte das Handy auf den Tisch und ließ sich auf ihr Bett fallen. »Dieser Idiot. Dieser verfluchte Idiot …«

      »Was ist denn los?«

      »Jörg. Er geht einfach nicht ans Telefon. Ich muss doch wissen, wann er kommt! Schließlich steht das Probeessen an. Nicht mal der Chef vom Sturmfrei in Neßmersiel konnte ihn erreichen. Da hat er sich nämlich auch noch nicht blicken lassen. Echt peinlich, dieser Anruf.«

      »Er wird bestimmt rechtzeitig da sein«, versuchte sie Petra zu beruhigen. Heddas Stimme hielt, doch die Angst saß ihr im Nacken. Was wäre, wenn doch … wenn Jörg überhaupt nicht mehr käme? Wenn sein Telefon mit ihm im Hafenbecken …? Hedda stöhnte leise auf. Ihr Kreislauf meldete sich. Wie immer, wenn ihr etwas großes Unbehagen bereitete. Was sollte sie machen? Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie hatte recht mit ihrer Vermutung – dann würde ihr Petra nie verzeihen, dass sie nichts gesagt, nicht reagiert hatte. Oder sie bildete sich alles nur ein. Dann war es unverzeihlich, ihre Tochter dermaßen aufzuregen. Hedda wünschte sich Eberhard herbei. Der hätte bestimmt eine Lösung für ihr Problem.

      Hastig stand sie auf. Ein Fehler. Alles drehte sich um sie herum und sie ließ sich wieder in den Sessel sacken. Sie musste hinüber in ihr eigenes Zimmer. Sich beruhigen. Nachdenken. Damit das Drehen in ihrem Kopf ein Ende fände. Konnte sie ihre Tochter alleine lassen? Was, wenn gleich ein Anruf kam? Ein Anruf, der Petras Zukunft zerstörte?

      Mühsam erhob sie sich ein zweites Mal. »Ich gehe mal eben rüber. Bin gleich wieder da.« Sie wartete nicht auf eine Antwort, zog den Schlüssel aus ihrer Jackentasche und tastete sich über den Flur. Immer an der Wand lang. Ihr Zimmer lag nur ein paar Schritte weiter.

      Gerade als sie aufschließen wollte, hörte sie hinter sich ein fröhliches »Hallo, Frau Bramlage, warten Sie. Ich hätte da noch eine Frage. Wegen heute Abend.«

      Frau Ahlers. Bloß jetzt nicht. Hedda konnte nicht klar denken. Geschweige denn Fragen beantworten. »Ich muss mal eben – bin gleich bei Ihnen.« Mit letzter Konzentration drehte sie den Schlüssel im Schloss und drückte die Klinke. Sie wankte in ihr Zimmer und schaffte es gerade noch, hinter sich wieder abzuschließen.

      Aufatmend ließ sie sich in den bequemen Ohrensessel fallen. Aber sie konnte die Frau nicht warten lassen. Die Chefin hier hatte genug zu tun. Sie waren nicht die einzigen Gäste. Nur einen Moment noch. Einen kleinen Moment. Sie schloss die Augen, atmete tief durch, ganz bewusst, so wie sie es bei ihrer Physiotherapeutin gelernt hatte.

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