Название: Buchreihe:Respekt - Wirtschaft -
Автор: Joe Martin
Издательство: Автор
Жанр: Социология
isbn: 9783947921027
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Immerhin verdreifachte sich seit Mitte der 1970er-Jahre bis 2017 das sogenannte Bruttosozialprodukt, das BIP, in den USA. Das Bruttosozialprodukt ist ein archaisches Model, das gerne genutzt wird, um den Reichtum eines Landes darzustellen. Politiker und ganze Volkswirtschaften orientieren sich an diesem BIP.
Das Bruttosozialprodukt, das BIP
Das Bruttosozialprodukt ist die Gesamtmenge aller Waren und Dienstleistungen, die eine Volkswirtschaft, also ein Land produziert. Wenn das BIP steigt, dann spricht man von Wirtschaftswachstum. Wirtschaftswachstum soll gut sein. Alternativlos, so sagt man. Das muss gewährleistet werden. Das ist natürlich dummes Zeug, wie du in diesem Respektbuch sehen wirst, aber dazu später mehr.
Das Bruttosozialprodukt ist eine der seltsamsten Blüten des Casinoskapitalismus. Und das aus verschiedenen Gründen. Zum einen ist die Zusammenstellung, was zum BIP beiträgt und was nicht, irgendwie willkürlich. Die Regeln werden von sogenannten Wirtschaftsfachleuten zusammengestellt, die natürlich irgendwelchen Interessen folgen und dafür sorgen, dass es der Industrie, der Wirtschaft und den Banken gut geht. Keiner beißt die Hand, die ihn füttert.
Diese Regeln besagen zum Beispiel auch, dass Mütter die Kinder umsonst erziehen müssen. Mütterliche Erziehung und Pflege bereichern das BIP nicht. Auch freiwillige Leistungen in Vereinen oder bei Verbänden, die freiwillige Arbeit bei den Tafeln und ähnlichen Organisationen bereichern das BIP nicht. Ein Krieg hingegen würde das BIP erhöhen, denn wenn Waffen produziert werden, dann sind das Waren, die eine Volkswirtschaft produziert und verkauft.
Alleine an diesem kurzem Beispiel erkennst du, dass das Bruttosozialprodukt und auch das Wort Wirtschaftswachstum schön klingen, aber irgendwie auch nur willkürlich berechnete Zahlen sind, die leicht verändert und manipuliert werden können.
Das BIP und die Inflation sind Augenwischerei
Genauso wie übrigens auch die sogenannte Inflation, die aus der Preisveränderung eines definierten Warenkorbs, der ihr zugrunde liegt, berechnet wird. Genau wie beim BIP kann der aber Produkte beinhalten, die mehr oder weniger stark im Preis steigen oder fallen und wird schon mal nach Bedarf angepasst. Dazu ein einfaches Beispiel: Wie hoch wäre die Inflation, also die Preissteigerung, in Deutschland wohl, wenn man die Mietsteigerung oder die Immobilienpreise mitberücksichtigen würde? Immer noch unter 2 % pro Jahr, wie die Politik angibt?
Aber auch hier sind es die Wirtschaftsfachleute, die diesen Warenkorb definieren und diese Wirtschaftsfachleute folgen natürlich irgendwelchen Interessen, oft genug den Interessen der Lobbyisten, die von der Industrie und den Banken bezahlt werden. Auch hier gilt, man beißt doch nicht in die Hand, die einen füttert. Schon gar nicht, wenn man selbst dadurch seinen eigenen Warenkorb mit ganz anderen Produkten füllen kann als der gemeine Bürger, der bei Discountern einkaufen muss, um über die Runden zu kommen.
Mariana Mazzucato leitet ihr Buch „Wie kommt der Wert in die Welt“ mit folgenden Zahlen zum Wirtschaftswachstum in den USA, gemessen am BIP, ein: „Zwischen 1975 und 2017 verdreifachte sich in den USA das reale Bruttosozialprodukt … von 5.49 Billionen auf 17.29 Billionen Dollar. In diesem Zeitraum stieg die Produktivität um etwa 60 Prozent. Der reale Stundenlohn der Mehrzahl der Amerikaner stagnierte jedoch von 1979 an, wenn er nicht gar sank.“
Das scheint ein Missverhältnis zu sein und deshalb kommt sie zu der Konklusion, dass eine winzige Elite nahezu alle Gewinne aus diesem Wirtschaftswachstum einstreicht. Sie schließt den ersten Absatz ihres empfehlenswerten Buchs mit der folgenden faszinierenden Frage ab: „Sollte das daran liegen, dass diese Elite aus besonders produktiven Mitgliedern der Gesellschaft besteht?“
Manche leisten Ungeheuerliches
Das scheint sehr unwahrscheinlich, auch wenn die Daten es nahelegen. Obwohl wir uns wieder in der gleichen Situation wiederfinden wie zuvor, in der der normal Arbeitende ca. 5 Millionen Jahre arbeiten muss, um so reich zu werden, wie einer der momentan reichsten Männer der Welt. Wieder klafft zwischen dem Reichen und dem Durchschnittsmenschen eine riesige Lücke. Dieses Mal eine Produktivitätslücke.
Vielleicht ist es aber auch nur der Unterschied in der Deutung des Worts produktiv? Warum ist das überhaupt wichtig? Ist der Gewinn aus Aktienanlagen produktiv? Oder sollten wir nur von Produktion und sprechen, wenn der Bauer die Kartoffel aus der Erde holt oder eine Firma ein neues Auto gebaut hat? Oder ist das eigentlich sowieso egal?
Sollten nicht andere Kennzahlen eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Zahl der Armen in einem Land oder die Zahl der Obdachlosen? Diese Zahlen zählen nicht zum BIP. Diese und viele andere Zahlen zählen nicht im Casinokapitalimus. Aber es gibt Unterschiede zwischen Kapitalismus und Kapitalismus.
Das Gesetz des Stärkeren
Um diese Unterschiede geht es mir in diesem Respektbuch. Der ungezügelte, unregulierte Raubtier- und Casinokapitalimus, der nichts anderem folgt als dem Gesetz des Stärkeren, führt zu Ungleichheit in einem ungesunden Maß. Wenn die Vermögensverteilung zu extrem wird, geht es zu vielen in der Bevölkerung schlecht. Je schlechter es ihnen geht, desto unzufriedener werden sie.
Wenn du Tag und Nacht schuftest und trotzdem am Ende des Geldes noch viel Monat übrig bleibt, dann ist das auf Dauer frustrierend. Das kann dann nur noch übertroffen werden, wenn dein Chef dich für deine Arbeit lobt und sagt: „Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter und durch Sie verdient die Firma viel Geld. Machen Sie bitte weiter so, denn dann kann ich mir schon nächstes Jahr wieder einen neuen Sportwagen anschaffen.“ Gefolgt von einem Schulterklopfen.
Das ist natürlich auch wieder eine übertriebene Satire und hat keinen Bezug zur Wirklichkeit. Keine Satire ist es, dass ein Zehntel der Bevölkerung, rund 67 %, also zwei Drittel von allem, besitzen.
Das hat natürlich nichts mit deiner Arbeitsleistung für deinen Boss zu tun, denn das Geld verdienen die Reichen ja nicht durch deine Arbeit, sondern durch die Spekulation an den Kapitalmärkten. Durch Aktien, Anleihen und Hedgefonds. Das können sie, weil ihnen der Zugang zu diesen Spekulationen möglich ist und weil sie, im Gegensatz zu dir, genügend Zeit, Kontakte und vor allen Dingen Geld haben, um in dem Restmonat – der nach dem Ende deines Geldes – ihr Geld noch spekulativ und gewinnbringend einzusetzen.
Das alles in einem Finanzcasino, dem die Politik immer mehr Türen geöffnet hat und für den seit 40 Jahren die Regeln immer weiter gelockert werden. Und das war jetzt gar nicht mehr satirisch gemeint.
Der Kapitalismus ist die beste Wirtschaftsform
Ich bin nicht gegen den Kapitalismus. Im Gegenteil. Ich glaube, dass es die beste Wirtschaftsform ist, die unserer Gesellschaft den größten Vorteil bringt und vor allen Dingen dafür sorgen kann, dass wir weiterhin in einer Demokratie leben können. Kapitalismus bedeutet auch, gegenüber den sonstigen Herrschaftsformen wie Diktaturen oder auch Monarchien, für alle Freiheit und Recht. Das dürfen wir nicht verspielen, zu viele Menschen sind in den vergangenen Jahrhunderten im Kampf dafür gestorben.
Leider schürt der Raubtierkapitalismus aber das Feuer der Diktatur, des Geldes und der damit verbundenen Ungleichheit und Unfreiheit. Der Raubtierkapitalismus pervertiert Demokratie, Freiheit und zerstört unsere Natur und damit die Grundlage unseres Lebens, indem er die Umwelt so beschädigt, dass wir bald keine Umwelt mehr haben. Dann gibt es auch keinen sicheren СКАЧАТЬ