Название: Schröders Geist und Mozarts Noten
Автор: Jens Oberheide
Издательство: Автор
Жанр: Музыка, балет
isbn: 9783962851545
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Eigenmächtig ließen sie solche Stücke zur Freude des Publikums happy enden. Und wenn dann immer noch niemand gelacht hatte, kamen die Komiker mit Seil- und Grotesk-Tanz.
So eine Wanderbühne war vor allem eine »Schaubühne«. Das Auge sollte unterhalten werden, Verstehen war meist weniger wichtig.
Zwar haben einige der Wanderbühnen versucht, auch Inhalte zu vermitteln doch: »Marktwaren sind Spektakelopern, Schauspiele halb zum Lachen, halb zum Weinen, zwischendurch mal ein Shakespeare-Stück, alte Lustspiele. Alle anderen Waren werden nicht gekauft.« (Friedrich Ludwig Schröder)
Die Geburt des seriösen Sprechtheaters hatte unter dem Einfluss des Genies Shakespeare schon über hundert Jahre vor Schröder in England stattgefunden, wenn auch Schröder als der erste und prägende Shakespeare-Interpret in den deutschen Landen gilt. Die englische Vorgabe, Theater zu denken und dramaturgisch zu gestalten, blieb für die deutschen Adepten und Interpreten noch lange Zeit Beispiel und Richtschnur. Etwas Eigenes zu schaffen, war die große Herausforderung.
In diese Herausforderung wuchs eine neue Generation hinein. Gesellschaftlich, aber auch literarisch, kompositorisch und interpretatorisch.
Schröder: Vernunft? Sittlichkeit? „Er wollte nur Mensch sein, nur durch Vernunft und Sittlichkeit gelten.«
(F. L. Meyer über Friedrich Ludwig Schröder, 1808)
»Friedrich Ludwig Schröder …, ein wunderbar im wildesten Theaterwirrwarr aufgeschossenes Genie, das mit Jünglingsunverschämtheit schon die entschiedensten Erfolge an sich riss.«
(Eduard Devrient: »Geschichte der deutschen Schauspielkunst«, Berlin 1929)
»Ekhof und Schröder … (sind die) wahren Gründer und Vollender … (der) deutschen Schauspielkunst.«
(ders.)
»Die Willensenergie, mit der (Schröder) sein ungestümes Ich in Zucht nahm, und der vornehme Geist, in dem er seine künstlerische Aufgabe fasste, sind bewundernswert.«
(Berthold Litzmann, Literaturkritiker, 1857–1926)
Schröder spielte vor »gebildeten, aber auch bildungslosen« Menschen, bei denen es »zur Verehrung des Guten und Schönen zwar nicht an Wahrheit, aber oft an Geist gebricht. Er konnte mit seinen Masken nichts mehr ausrichten, er musste suchen, auf Herz und Gemüt zu wirken«.
(Johann Wolfgang von Goethe im »Wilhelm Meister«, in dem Schröder als »Serlo« zu denken ist)
Vernunft? Sittlichkeit? Zu einer solchen Lebenseinstellung und Charakterhaltung musste Schröder erst einmal kommen.
Schröder, der »früh in allen körperlichen Übungen Geschulte, entwickelte sich (zunächst) zu einem gewandten Tänzer« (Bertold Litzmann: »Der große Schröder«).
Er war so gut, dass er »unter den ersten tragischen Tänzern geglänzt haben« würde. Er war auch sein eigener Choreograph. »Jeder Tanz war eine Pantomime im Kleinen.« Schröder »setzte die Musik seiner Ballette selbst« (F. L. Meyer 1819 in seiner Schröder-Biografie).
Außerhalb der Bühne erwarb er sich aber »den Ruf eines rauflustigen Taugenichts«. »Heißes Blut und ungezügelte Lebenslust« (Devrient) überlagerten jahrelang alles, was in ihm steckte. Auf den Weg zum Menschen und zum Schauspieler haben ihn zwei relativ zeitgleiche Begegnungen gebracht. Die eine war männlich und hieß Hans Konrad Dietrich Ekhof (1720–1778), die andere war weiblich und hieß Susanne Mecour (1738–1784). Er Schauspieler, sie Sängerin, beide Mitglieder des Ackermann-Ensembles.
Konrad Dietrich Ekhof, »Vater des deutschen Schauspiels«, Gemälde von Anton Graff, 1744
Susanne Mecour, gefeierte Soubrette
Ekhof, gern apostrophiert als »Vater der deutschen Schauspielkunst«, besaß eine natürliche Gebärdensprache und »eine Stimme, der nie ein Herz widerstand« (F. L. Meyer 1819 in seiner Schröder-Biographie). Er wurde schauspielerisches Vorbild, geistiger und moralischer Ziehvater von Schröder. In mehreren Stücken traten beide gemeinsam auf. Die deutsche Theatergeschichte benennt mit Ekhof und Schröder die Schlüsselfiguren der neu entdeckten Schauspielkunst.
Die zweite schicksalhafte Begegnung war »die Liebe zu der viel gefeierten Soubrette Susanne Mecour. Nach langem vergeblichen Werben hatte sich 1768 die damals Dreißigjährige … dem jüngeren Mann zu eigen gegeben« (Berthold Litzmann: »Der große Schröder«). Die Liebe blieb ein »Verhältnis« und dauerte drei Jahre. Sie war ihm eine »verständnisvolle Gefährtin«, und der »Unreife, in der Ausbildung des feineren Empfindungs- und Gemütslebens bisher Vernachlässigte, hatte in der Liebe der geist- und gemütvollen Frau sein Leben von innen heraus« (Litzmann) entdeckt und neu gestaltet.
Zu den zwei prägenden Begegnungen kommen noch weitere glückliche Umstände, durch die der Rebell Schröder nachhaltig zur Persönlichkeit von Format und Ansehen reifte.
1765 wurde die Ackermann-Truppe (und damit auch Friedrich Ludwig Schröder) sesshaft. Das »Ackermannsche Comödienhaus« am Gänsemarkt in Hamburg war eins der ersten festen »stehenden« Theater im deutschen Sprachraum. Schröder übernahm 1769 die künstlerische Leitung und nach Ackermanns Tod 1771 die Volldirektion des Theaters. Nun ging Friedrich Ludwig Schröder daran, eine Familie und damit auch eine »bürgerliche Existenz« zu gründen.
Das Ehepaar Schröder, Kupferstich von Daniel Berger, 1790 (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky)
Die Auserwählte war die achtzehnjährige Tänzerin Anna Christina Hart (1755–1829) aus St. Petersburg, die im Januar 1773 bei Schröders Mutter im Theater in Hamburg vorgesprochen hatte, um Schauspielunterricht zu nehmen.
Am 18. Februar hat Anna Christina mit Friedrich Ludwig Schröder im Ballett »Die Scherenschleifer« bei einem Gastspiel auf der Schlossbühne in Celle einen romantischen »Pas de deux« getanzt. Am 26. Juni des gleichen Jahres heirateten die beiden in Hannover. Die Ehe wirkte auf die Zeitgenossen harmonisch, blieb kinderlos und hielt ein Leben lang.
Einen weiteren Wendepunkt markiert der 8. September 1774. Die Loge »Emanuel zur Maienblume« in Hamburg nahm Friedrich Ludwig Schröder zum Freimaurer auf. Nachdem er 1769 in einer Loge in Braunschweig noch gemeinsam mit seinem Kollegen Borchers eine schroffe Ablehnung erfahren hatte, »weil besagte beyde Comödianten seyen«, galt er nun bei seiner Aufnahme in Hamburg als »ein freier Mann von gutem Ruf«. Da war er neunundzwanzig Jahre alt. Später hat er einmal gesagt, dass »ich der Freimaurerei moralisch viel verdanke«.
Nicht nur moralisch, darf man hinzufügen. »Die Bedeutung der Freimaurerei für den sozialen Aufstieg Schröders ist nicht zu unterschätzen.« (Franklin Kopitzsch: »Grundzüge einer СКАЧАТЬ