Название: Mords-Töwerland
Автор: Angela Eßer
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839268384
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Trotz Sichtkontakt zur Beamtin mit G3 im Anschlag hob die Maschine unter ohrenbetäubendem Geratter ab. Tanja spürte, wie in dem infernalischen Lärm sich absolute Ruhe in ihr breitmachte. Der Hubschrauber stieg beständig in die Luft. In etwa 50 Meter Höhe lenkte der Pilot die Maschine um die eigene Achse. Da erschien Hannes Dengel in ihrem Blickfeld. Direkt im Lauf des Gewehrs. Er grinste durch die Scheibe wie der Teufel auf dem Flug zur Hölle. Er war schuld, dass drei Polizeibeamte im Sterben lagen. Jan lag tot im Sand vergraben, Emma hatte er zu Tode getreten. Sie allein war der Arm der Gerechtigkeit. Jetzt und hier auf Juist. Sie zielte auf den Rotorkopf und gab mehrere Feuerstöße ab. Als die von Einschlägen getroffene Mechanik beschädigt wurde, geriet der Hubschrauber ins Trudeln und stürzte in Sekundenschnelle herab. Knapp neben dem Leuchtturm krachte die Maschine zu Boden und kippte auf die Seite. Die Rotorblätter schlugen tiefe Furchen in die Wiese, ehe sie in Stücke zerbrachen und durch die Luft jagten. Tanja Krüger duckte sich rechtzeitig und ließ sich fallen. Sie reagierte als Erste, als der donnergleiche Knall des Aufpralles verebbt war. »Los!«, schrie sie den Rettungskräften zu. »Seht nach ihnen!«
Feuerwehrleute und Sanitäter stürmten zu dem millionenteuren Wrack. Mit schwerem Werkzeug gelang es ihnen, die verkeilten Türen aufzubrechen. Ein silbern schimmerndes Metallstück ragte aus Dengels Kopf. Über seinen leblosen Augen war die Schirmmütze mit dem Sinnspruch »Juist sehen und sterben« lesbar geblieben. Auch keiner der anderen Insassen hatte den Abschuss überlebt.
So ruhig Tanja noch vor ein paar Minuten gewesen war, so sehr zitterte sie jetzt am ganzen Körper. Sie konzentrierte sich auf ihre Atmung und auf das, was eigentlich im Moment so überflüssig wie nur sonst was war. Aber unumgänglich. Den notwendigen Bericht an das Polizeikommissariat in Norden. Doch als sie plötzlich den Kutscher entdeckte, der Emma im Arm hielt, war ihr vollkommen egal, wie viele Berichte sie zu schreiben hatte. Sie rannte einfach nur zu ihm und starrte glücklich auf ihre Hündin.
»Ich dachte, Emma sei tot«, brachte sie mit brüchiger Stimme hervor.
Der freundlich lächelnde Retter reichte ihr die Hündin. Wortkarg wie das Juister Seezeichen, das in den aufkommenden Sonnenstrahlen glänzte, streichelte er das Tier.
»Jetzt brauche ich einen Schnaps«, hörte sie sich sagen. Sie war überrascht über die gelungene Intonation. »Du auch?«
Der Mörder vom Schiffchenteich
Gisa Pauly
Juist ist in der Nacht verdammt dunkel. Und ich bin ganz allein. Weit und breit kein Mensch. Wenn ich ehrlich bin, fürchte ich mich ein bisschen im Dunkeln auf der Insel. Außerdem ist es viel zu spät, um irgendwo um Hilfe zu bitten. Die Restaurants sind geschlossen, sogar in der »Spelunke« ist schon alles dunkel. Und die schließt immer als Letzte. Es muss also schon weit nach Mitternacht sein. Irgendwie habe ich total mein Zeitgefühl verloren. Das passiert mir oft, wenn um mich herum etwas Aufwühlendes geschieht. Herbert bäuchlings im Schiffchenteich! Mein Herbert! Wenn das nicht aufwühlend ist! Mit dem Gesicht im Wasser! Und er rührt sich nicht mehr. So was von aufwühlend!
Mein geliebter Herbert! Wie konnte das passieren? Was soll ich nur ohne ihn machen? Und wie soll ich in die Ferienwohnung kommen? Den Schlüssel hat er garantiert in der Hosentasche, aber da gehe ich nicht ran. Ums Verrecken nicht. Eigentlich müsste ich wohl die Polizei verständigen. Gibt’s auf Juist überhaupt eine Polizeistation? Mein Gott, ich bin total durcheinander. Doch, halt – als wir das letzte Mal auf Juist waren, hat Herbert seine Geldbörse verloren. Da waren wir gemeinsam auf dem Revier. Das war gar nicht weit von hier. Aber ich bin viel zu aufgeregt, um jetzt im Dunkeln den Weg zu finden. Und wahrscheinlich ist da auch keiner mehr wach. Auf Juist schläft doch alles. Hätte ich mich bloß nicht verleiten lassen, die alte Frau Sönksen zu besuchen. Aber die ist ja immer so allein, die freut sich über Gesellschaft. In ihrer Keksdose hat sie immer dieses herrliche Schwarz-Weiß-Gebäck, das ich so gerne mag. Und Herbert konnte ja wirklich mal zwei, drei Stunden ohne mich zurechtkommen, oder?
Doch da sieht man’s mal wieder: Wenn ich nicht auf ihn aufpasse, passiert etwas. Ausgerutscht und unglücklich gestürzt? Dachte ich auch zuerst, aber nun hatte ich Zeit, mir das gründlich zu überlegen. Nein, nein, das glaube ich einfach nicht. Nicht nach dem Ärger heute Nachmittag. Das kann kein Zufall sein …
Ich liebe Kurkonzerte. Noch mehr als Herbert. Eigentlich geht er nur mir zuliebe hin, das weiß ich. Und das habe ich ihm immer hoch angerechnet. Mir gefällt die Musik, die auf Kurkonzerten zu Gehör gebracht wird. Nicht diese schnellen Rhythmen mit den lauten Bässen, sondern zarte Weisen mit vielen Geigen. Am besten sind die Walzermelodien. Herrlich! Ich singe dann auch sehr gerne mit. Ganz leise nur, ziemlich zurückhaltend. Und es macht mich traurig, wenn Herbert sagt, mein Gejaule sei kaum zu ertragen. Das tut mir weh, obwohl er dabei lächelt. Aber wenn dann diese Schunkelmelodien erklingen, kann ich einfach nicht anders. Nein, ich schunkele nicht, das mag ich nicht, aber ich singe gern mit. Der Dirigent hatte sogar ausdrücklich dazu aufgefordert. Also habe ich nicht nur leise, sondern auch ein bisschen lauter gesungen. Aber was passiert? Herbert und ich werden angemacht. Auf ganz hässliche und gemeine Weise. Das wäre ja nicht anzuhören. Ich träfe keinen Ton. Und dieses schreckliche Gejaule … Ja, die Leute haben meinen Gesang tatsächlich auch so genannt. So wie Herbert! So was von herzlos!
Aber auf meinen Herbert kann ich mich verlassen, er ist immer loyal. Obwohl ich weiß, dass er meinen Gesang nicht schätzt, stand er felsenfest an meiner Seite. »Ich liebe es, wenn Walli singt«, hat er gesagt und eine alte Frau mit lila gefärbten Haaren bitterböse angesehen. »Glauben Sie wirklich, dass Ihr schriller Altfrauensopran schöner klingt?«
Jetzt hatte Herbert aber was gesagt. Ein Riesentumult brach aus. Die alte Frau mit den lila gefärbten Haaren verteidigte ihren Sopran mit aller Kraft. Und davon hatte sie noch eine Menge auf Lager, das muss man sagen. Meine Güte, ist die auf uns losgegangen!
»Unverschämtheit! Dreistigkeit! Diese Jugend von heute!« Was sie noch alles gesagt hat oder besser gekreischt hat, das weiß ich gar nicht mehr so genau. Auf jeden Fall musste das Kurkonzert abgebrochen werden.
Das Lager der Besucher spaltete sich daraufhin. Einige schlugen sich auf die Seite dieser schrecklichen Frau, nicht wenige aber waren der Meinung, dass ich nicht schlechter singe als sie. Der Dirigent wollte nicht in den Streit hineingezogen werden und verschwand mit seinem Ensemble derart eilig, dass der Cellist über sein Instrument stolperte und in die Kesselpauke fiel. Eine an sich bestürzende Tatsache, die aber große Heiterkeit erzeugte und von den Streitigkeiten vorübergehend ablenkte.
Herbert war danach sogar richtig gut drauf. Ich glaube, er hatte das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben. Jedenfalls holte er sich von dem Stand, der hinter dem Konzertpavillon aufgebaut worden war, ein weiteres Bier und sah mit dem Glas in der Hand zu, wie die Konzertbesucher in alle Richtungen davonströmten.
Und nun liegt mein Herbert im Schiffchenteich und rührt sich nicht mehr. Dass ich in der Stunde seines Todes nicht bei ihm war, macht mir schwer zu schaffen. Ach, Herbert …
Was jetzt? Warten, bis die Sonne aufgeht? Irgendwann wird hier jemand auftauchen, der die nötigen Schritte einleitet, klar. Will ich dann überhaupt noch hier sein? Natürlich müsste ich die alte Frau beschuldigen, die von ihren Freundinnen Thea genannt wurde. Sie hat meinen Herbert auf dem Gewissen, keine Frage. Wahrscheinlich hat sie auch schon ihren Ehemann abgemurkst, als er es wagte, ihr zu widersprechen. Wer ihr Kurkonzert stört und noch dazu ihren Sopran kritisiert, den schickt sie ins Jenseits. So eine ist das! Anders kann das gar nicht gewesen sein.
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