Solo für Sopran. Peter Gerdes
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Название: Solo für Sopran

Автор: Peter Gerdes

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839264683

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СКАЧАТЬ Flecken, die sich frisch anfühlten, sowie eine verwaschen aussehende Tätowierung, dunkelblau, irgendetwas Rundes, Ausgefranstes. Keine Idee, was das sein konnte, jedenfalls keine Uhr.

      Er blickte hoch, sah in einen blauen, fast wolkenlosen Himmel, ohne zu blinzeln, spürte einen Anflug von Wärme hinter dem rechten Ohr und auf dem rechten Schulterblatt. All das schien auf den frühen Morgen hinzudeuten. Warum? Er wusste es nicht.

      Was konnte geschehen sein? War er ein Frühaufsteher, ein Frühsportler, der sich beim Strandlauf übernommen und einen Blackout gehabt hatte? Nein, das passte nicht zu ihm, da war er sich sicher, wer immer er auch sein mochte. Außerdem trug er kein Sportzeug, sondern Unterwäsche. Und nirgendwo um ihn herum lagen andere Kleidungsstücke. Zum Glück war auch kein anderer Mensch in Sichtweite. Nichts als Meer, Strand und Dünen. Und das rote Dach eines eckigen weißen Turms, der die Dünen überragte.

      Moment, was war das gerade gewesen?

      Wieder klappte er seine Hände hoch, machte die Geste des Beschwichtigens, des Abstoppens. Hitzewellen jagten durch seinen vor Kälte bebenden Körper. Welcher seiner Gedanken hatte das ausgelöst? Meer, Strand? Nein. Düne? Auch nicht.

      Rotes Dach?

      Rot?

      »Rot«, murmelte er und erschrak vor seiner eigenen, unerwartet hell und krächzend klingenden Stimme. »Blut.« Die Ränder der abgewaschenen Krusten waren noch gut zu erkennen. Was für Blut war das? Wessen Blut?

      Erneut musterte er seinen Körper, fuhr sich mit den Handflächen über Kopf, Nacken und Schultern. Ohne Ergebnis.

      Sein eigenes Blut war das jedenfalls nicht.

      2.

      Heiden hielt im Laufen inne, schüttelte seine Beine aus, deutete ein paar Dehnübungen an und tupfte sich mit dem Handtuch, das er elegant um seinen Nacken geschlungen trug, den dünnen Schweißfilm von der Stirn. Er liebte Bewegung am frühen Morgen, vor allem nach kurzen, unruhigen Nächten. Und hier auf der Insel, an einem herrlichen frühherbstlichen Morgen wie diesem, bereitete ihm sein Standardprogramm, kombiniert aus kräftezehrendem Strandlauf und dem kaum weniger anspruchsvollen Auf und Ab der Höhenpromenade, doppeltes Vergnügen. Einen Heidenspaß sozusagen.

      Selbstzufrieden lächelte er über das kleine Wortspiel, das er schon hundertfach aus Schülermündern vernommen hatte. Ihm machte es nichts aus, wenn mit seinem Namen gewitzelt wurde, im Gegenteil. Sein Name war schließlich Teil seiner Persönlichkeit, und jede Aufmerksamkeit, die diesem Namen zuteil wurde, wurde auch ihm zuteil. Das war wichtig für Leopold Heiden.

      Das Rauschen der Brandung schien ihm heute früh besonders intensiv, und er tänzelte ein wenig auf der Stelle, um die Promenade, die von diesem Punkt aus einen herrlichen Blick über Strand, Sandbänke und Nordsee bot, noch nicht gleich wieder in Richtung Hotel verlassen zu müssen. Was für ein Klang! So gleichmäßig und doch niemals monoton, so unterschwellig und dabei doch so präsent. Ob man eine Symphonie für Brandung und Chor komponieren konnte? Heiden lächelte. Solche spontanen Einfälle liebte er an sich. Nicht, dass er diesen etwa umzusetzen gedachte; dafür gab es im Augenblick zu viel anderes zu tun. Dinge, die ihm genügend Aufmerksamkeit verschaffen würden. Die Sache mit der Brandung konnte er ja für spätere Gelegenheiten in der Hinterhand behalten.

      Hatte sich da unten am Strand gerade etwas bewegt?

      Heiden kniff die Augen zusammen; seine Sehkraft hatte in jüngster Zeit etwas nachgelassen, aber eine Brille verweigerte er sich. Schließlich arbeitete er hart an seiner äußeren Erscheinung und das mit einigem Erfolg, wie er fand, da wäre eine sichtbare Sehhilfe mehr als nur ein Rückschlag gewesen. Geradezu ein Stilbruch. Ausgeschlossen. Außerdem sah er auch ohne Brille noch gut genug, um zu erkennen, dass die Gestalt dort unten ein Mann war, ein älterer offensichtlich und dick dazu, ein Mann also, der sich weit weniger gut gehalten hatte als er selbst. Vor allem aber handelte es sich ganz eindeutig nicht um ein Mitglied seines Chores, und darauf kam es ihm an.

      Seine Schäfchen, für die er eher unwillig die Verantwortung trug, wohnten nämlich über den halben Ort verteilt. Selbst jetzt, in der Nachsaison, war es nicht möglich gewesen, alle fünfundsechzig Mitglieder des Jann-Berghaus-Chores in ein und derselben Wohnanlage unterzubringen. Schließlich waren Herbstferien, zahlreiche Stammgäste befanden sich auf der Insel oder hatten sich angekündigt, und kein Langeooger Vermieter würde einem Stammgast absagen, nur um für ein paar Tage eine Horde Gymnasiasten zu beherbergen. Heiden konnte froh sein, dass es ihm letztlich überhaupt gelungen war, alle Sänger in den verschiedensten Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen unterzubringen, ohne auf den Campingplatz zurückgreifen zu müssen.

      Die Folge war natürlich, dass sich der wimmelnde Haufen, überwiegend kaum der Pubertät entwachsen, nur sehr unzureichend überwachen ließ. Er und seine Kollegin vom Leeraner Jann-Berghaus-Gymnasium, Oberstudienrätin Margit Taudien, mussten sich auf überraschende Stippvisiten in willkürlich bestimmten Unterkünften beschränken. Trinkgelage und verbotswidriges Rauchen befürchtete er weniger; seine Chorsänger waren überwiegend ehrgeizig und wussten genau, worum es hier ging und dass sie all ihre Kondition brauchen würden, um zu bestehen. Mehr Sorgen bereiteten ihm die Techtelmechtel, die sich gleich im halben Dutzend anzubahnen schienen, direkt unter seinen gestrengen Blicken. Der Himmel mochte wissen, was sich abends und nachts in den Dünen so alles tat. Bloß gut, dass es um diese Jahreszeit nach Sonnenuntergang schon empfindlich kühl wurde. Das würde manchen Gefühlsüberschwang dämpfen. Hoffentlich. Jedenfalls fehlte ihm jede Spur von Lust, sich mit den möglichen Folgen solcher Hemmungslosigkeiten herumzuärgern.

      Heiden schlenkerte mit den Armen und setzte sich trippelnd wieder in Bewegung. Andererseits, was war so schlimm daran, wenn in den Langeooger Randdünen zusammenfand, was sowieso früher oder später zusammenfinden würde? Schließlich gab es Kondome, und sie waren frei verkäuflich.

      Ein schallendes Lachen platzte aus ihm heraus, so laut, dass es von den Dünenkämmen widerhallte. Nein, die Erziehung seiner Schüler zu geschlechtlicher Enthaltsamkeit war gewiss nicht seine Aufgabe. Und auf seine Schülerinnen traf das ebenso zu. Ganz besonders auf eine.

      Leise vor sich hin pfeifend trabte er weiter in Richtung Wasserturm.

      3.

      »Guck mal hier! Voll trendy, was?« Sabrina hielt sich ein winziges, spitzenartig durchbrochenes Etwas, dessen fransige Ausläufer knapp bis zur Nabelgegend baumelten, vor den Busen und schaute ihre Mitbewohnerinnen erwartungsvoll an.

      »Lass mal sehen. Ach du Schande, wo willste das denn tragen? Bei Rotlicht?« Wiebke Meyers Reaktion lag irgendwo zwischen Anerkennung und Neid, ungeachtet der Empörung und Ablehnung signalisierenden Wortwahl, und wurde auch so aufgefasst. Auf den Klang kam es an in der Kommunikation unter Teenagern, das benutzte Vokabular war zweitrangig. Bis zur Nonverbalität war es nur noch ein kleiner Schritt.

      »Oder wenn du zu Hause für deinen Liebsten mal wieder Lapdance machst.« Theda Schoons schneidender Kommentar war von ganz anderer Qualität, das war unüberhörbar. Ihre Ablehnung war scharf und auch so gemeint, was ihr Gesichtsausdruck deutlich widerspiegelte. Gerade deshalb ging Sabrina nicht darauf ein.

      »Aber da ziehst du doch etwas drunter, oder?« Stephanie Venema war, ungeachtet ihrer fast 180 Zentimeter Körperlänge, die Kindlichste des Quartetts, das in der kleinen Ferienwohnung untergebracht worden war. Ihr Gesicht mit den leicht schräg stehenden Augen und der kräftigen Kieferpartie war nicht gerade klassisch schön, aber doch sehr apart, und ihre hellblond leuchtende Mähne sicherte ihr jederzeit Aufmerksamkeit. Noch wirkte sie mit ihren dünnen, schlaksigen Armen und Beinen und den großen Händen und Füßen wie ein Fohlen bei den ersten СКАЧАТЬ