Leben ohne Maske. Knut Wagner
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Название: Leben ohne Maske

Автор: Knut Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783957163080

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СКАЧАТЬ Liebe, dem erfolgreichen Start ins Lehrersein kam nun die erneute Hoffnung, doch noch ein erfolgreicher Theaterdichter zu werden, und es schien für Wolfgang keine Rolle zu spielen, dass der Zentralrat der FDJ, von dem der Brief kam, die Kaderschmiede für das ZK der SED war.

      Er erfuhr, dass er zu den Preisträgern des Wettbewerbs „Junge Dramatiker gesucht“ gehöre. Das Stück „Der Gast oder Der Versuch zu leben“, das er im zweiten Studienjahr geschrieben hatte, war zwar nicht aufgeführt worden, aber es hatte ihm das Tor zum „Arbeitskreis Dramatik“ geöffnet. Der Leiter war Claus Hammel, über dessen Stück „Morgen kommt der Schornsteinfeger“ Wolfgang seine Staatsexamensarbeit geschrieben hatte.

      Zufälle gibt es, dachte Wolfgang und war auf die Auszeichnungsveranstaltung am Ende der Herbstferien gespannt.

      Bis dahin ging ihm die Arbeit in der Schule spielend von der Hand, und er fand nachmittags sogar Muße, über das flache Land zu gehen, das sich bis Erfurt erstreckte.

      In kürzester Zeit hatten sich Wolfgang und Heidi bei den Leuten im Dorf Sympathien erworben, und in der Euphorie des Anfangs entging ihnen völlig, in was für einem abgelegenen Nest sie wohnten.

      Der Dorfkonsum hatte am Montag geschlossen, und nur jeden Dienstag und Donnerstag gab es frisches Brot. Dann standen Frauen und Kinder mit Körbchen, Taschen und Netzen auf der unbelebten Dorfstraße und registrierten aufmerksam jedes Autogeräusch, das sich vom Dorfeingang her dem Schulplatz mit der großen, alten Linde näherte. Alle warteten an diesen Nachmittagen auf den blauen Skoda des Bäckers, der aus Vieselbach, einem sechs Kilometer entfernten Nachbardorf, kam. Um die Wartezeit bis zum Brötchen- oder Brotkauf zu verkürzen, spielten die Kinder Haschen oder Verstecken, und die Frauen unterhielten sich so lange, bis der Skoda des Bäckers auf dem Schulplatz hielt. Dann schlossen die Frauen und Kinder das parkende Auto kreisförmig ein, und der Bäcker, der die schubsende Menge überragte, brachte seine Brote und Brötchen an die Leute.

      Dass Oberneusitz weitab vom Schuss war, fiel Wolfgang eigentlich erst auf, als die Auszeichnungsveranstaltung Ende Oktober in Berlin anstand. Sage und schreibe zwei Tage brauchte er, um nach Berlin zu kommen: Mit dem Arbeiterbus, der gegen 18 Uhr vor der Dorfkneipe in Oberneusitz hielt, fuhr er am Donnerstagabend nach Erfurt. Er übernachtete bei seinen Eltern, damit er am Freitagmorgen mit der sogenannten Bonzenschleuder um 4.45 Uhr nach Berlin fahren konnte und pünktlich um zehn Uhr im Zentralrat der FDJ war.

      Der Zentralrat der FDJ residierte in einem alten Prunkbau „Unter den Linden“, und alle, die in diesem Haus angestellt waren, hatten Blauhemden an, egal, wie alt sie waren. Das jedenfalls war der erste Eindruck, den Wolfgang gewann, als er dem Pförtner in der gläsernen Eingangsloge seine Einladung zeigte.

      Der Pförtner, der im Alter von Wolfgangs Vater war, verwies ihn in eine Art Warteraum, in dem sich die Jungdramatiker einfanden, die zur Auszeichnungsveranstaltung nach Berlin geladen waren.

      Für die aus allen Teilen der Republik angereisten, hoffnungsvollen Theaterautoren war ein fülliger FDJ-Funktionär verantwortlich, dem das Blauhemd mächtig über seinem Bierbauch spannte. Wie sich später herausstellen sollte, war Born ein gemütlicher und trinkfester Kerl.

      Sobald alle Autoren da wären, ginge es in den Spreewald nach Prieros, in ein Schulungsheim der FDJ, sagte Born. Da hätte man drei Tage lang Zeit, sich zu beschnuppern und die Mentoren näher kennenzulernen.

      Von Zeit zu Zeit betrat er den Warteraum, sah in die Runde und prüfte, ob noch jemand dazugekommen sei, und nachdem er das letzte Häkchen hinter den letzten Ankömmling auf seiner Namensliste gemacht hatte, sagte er: „Auf geht’s. Draußen steht der Bus, der uns nach Prieros bringt.“ Das Schulungsheim war früher der Sommersitz von Wilhelm Pieck gewesen, und das gepflegte Grundstück mit den drei Flachbauten, die u-förmig angeordnet waren, lag inmitten einer Kiefernlandschaft. Es gab sogar einen Swimmingpool.

      Nachdem man die Zimmer bezogen und sich etwas frisch gemacht hatte, traf man sich in einem hellen, geräumigen Speiseraum zu einem kleinen Empfang.

      Als Leiter der Jury beglückwünschte Claus Hammel alle eingeladenen Autoren. Von der Vergabe von Preisen und einer Rangfolge der eingereichten Arbeiten habe man abgesehen, sagte Hammel, was bei Wolfgang und den anderen Autoren auf Verwunderung stieß. Denn hatte nicht jeder darauf gehofft, den Wettbewerb für sich entschieden zu haben?

      Alle Arbeiten seien vielversprechende dramatische Entwürfe, die innerhalb der nächsten Zeit zu aufführungsreifen Theaterstücken entwickelt werden sollten, erklärte Hammel. Statt eines Preises, mit dem ein Autor, der fürs Theater schreiben wolle, nichts anfangen könne, bekomme jeder der Anwesenden einen Mentor, der ihm helfen werde, das eingereichte Stück zur Bühnenreife zu bringen.

      An dieser Stelle seiner Rede stellte Claus Hammel seine fünf Mitstreiter vor, alles erfahrene Theaterleute, die in Rostock, Berlin, Schwerin, Magdeburg und Erfurt als Regisseure arbeiteten.

      Jeweils ein Mentor betreue drei Autoren, sagte Hammel, der mit Blick auf die gängige Theaterpraxis ungewöhnlich scharf formulierte: „Wir lassen nicht zu, dass talentierte Autoren, die fürs Theater schreiben wollen, von den kleinen Scheißern am Theater, den Dramaturgen, kaputt gemacht werden.“

      Schon von daher sei der „Arbeitskreis Dramatik“, dessen Mitbegründer und Leiter er sei, dringend notwendig, meinte Hammel. Dieses Bündnis von erfahrenen Theaterleuten und talentierten Autoren, das es in dieser Form bisher nicht gegeben habe, stelle ein erfolgversprechendes Modell dar.

      Nachdem er die Aufgaben des „Arbeitskreises Dramatik“ kurz umrissen hatte, griffen alle nach den Sektgläsern, die auf der weiß eingedeckten, langen Tafel vor sich hin perlten, und stießen auf gutes Gelingen an.

      Es war ein schönes Gefühl, zu den Auserwählten zu gehören, die man zu Theaterdichtern (sprich: Stückeschreibern) machen wollte, dachte Wolfgang, der dem prickelnden Sekt, in dem sich das Nachmittagslicht brach, kräftig zusprach. Auch hatte er den Eindruck, dass er mit Landowsky, der ihm als Mentor zugeteilt worden war, ein gutes Los gezogen hatte.

      Landowsky war Oberspielleiter in Erfurt und hatte mit einer Reihe von Shakespeare-Inszenierungen für republikweites Aufsehen gesorgt. Dass Wolfgang an solch einen erfolgreichen Regisseur gekommen war, der sich zudem noch gut mit Hammel verstand, freute ihn. Von daher, glaubte Wolfgang, habe er gute Karten, dass aus seinem dramatischen Versuch bald ein bühnenreifes Stück werde. Dass Landowsky im Umgang mit Gegenwartsautoren seine Erfahrungen hatte und taktisch ungemein klug bei seiner Stückkritik vorging, zeigte sich schon im ersten Gespräch, das Wolfgang mit ihm hatte.

      „Ihre rhythmische Begabung ist groß“, sagte Landowsky. „Viele Sätze scheinen in einem Versmaß geschrieben zu sein. Behalten Sie das auf jeden Fall bei“, und dass er Wolfgang in diesem Zusammenhang mit Volker Braun und Heiner Müller verglich, erfüllte diesen mit Stolz. „Der Rhythmus und Gestus Ihrer Sprache gefällt mir an Ihrem Stück am besten“, sagte Landowsky und kam von der Form auf den Inhalt zu sprechen.

      „Der Ausgangspunkt Ihres Stücks jedoch ist gewagt“, meinte er. „André lehnt den Weg ab, den in unserer Republik Zehntausende junger Menschen gehen. Der Autor, also Sie, erklären sich eindeutig solidarisch mit dem Helden. Von daher gibt es eine Reihe von Fragen: Lehnen Sie den normalen Weg über Lehre oder Oberschule ab? Halten Sie den Weg für falsch? Oder beschreiben Sie in Ihrem Stück die Entwicklung eines Außenseiters in unserer sozialistischen Gesellschaft?“

      „Für mich ist André kein Außenseiter. Er ist vielmehr ein junger Mensch, der das Abenteuer sucht und erst durch harte Erfahrungen seinen Weg in der Gesellschaft findet.“

      „Dann müssen Sie das auch zeigen“, sagte Landowsky. Der Hauptmangel des Stücks bestehe darin, dass der Zuschauer zu wenig СКАЧАТЬ