Ein Kuckuckskind. G. Ungewiss
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Название: Ein Kuckuckskind

Автор: G. Ungewiss

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783956836718

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СКАЧАТЬ dann beheizt, die Wäsche darin gekocht, mit einer Wäschestange daraus entnommen und in verschiedenen Zinkwannen gespült. Ein Waschkessel war meist zu wenig. Oft musste er ein zweites Mal neu mit sauberem Wasser befüllt und angeheizt werden, und die Prozedur wiederholte sich. Das Spülen und Auswringen erfolgte mit den Händen. Die Mädchen mussten früh mit zufassen und helfen. Das Wasser war kalt, die Wäsche schwer. Es war beschwerlich. Der Rücken, die Arme und Hände schmerzten. Es wollte kein Ende nehmen. Später gab es zu allem Luxus eine, nein, zwei Rollen, die an die alte Holzwaschmaschine angebaut wurden. Der Nachbar brauchte sie nicht mehr. Er hatte sich eine neue Maschine gekauft – die WM 66 oder so. Sie konnten sich das leisten, sie hatten nur ein Kind. Diese Rollen dienten zum Auswringen. Man presste damit das Wasser aus den Textilien, damit wurden die Sachen für einen Moment leichter. Bis zum Spülen. Dann ging alles von vorn los. Ein Waschvollautomat war zu dieser Zeit pure Utopie.

      In einer Holztrommel drehte ein Kreuz in der Seifenlauge das Waschknäuel hin und her. Auch hier wurde zuvor das Gerät mit vorgewärmtem Wasser befüllt. ›Turmperle‹ hieß die große Waschhilfe nach dem Waschbrett. Kein Wunder, dass die alten Menschen früh unter Rheuma litten.

      Die Jungen mussten schon im eigenen Stall mitarbeiten. Die Tiere füttern, ausmisten und den Mist in den Garten fahren. Wer etwas essen will, muss auch mit zupacken, sagte der Vater. Das war die Vorbereitung auf die Verantwortung, die Leben heißt. Es gab keine Wahl. Zufassen musste jeder, sonst gab es Hiebe.

      VOLKSFEST

      Einmal im Jahr fand ein Volksfest statt. In manchen Gegenden nannte man es auch Kirmes, Rummel oder Schützenfest. Das war der kulturelle Höhepunkt in dieser Region. Schließlich führte es nicht nur die Menschen aus dem eigenen Dorf, sondern auch aus den Nachbarorten zusammen. Schon eine Woche vorher wuchs die Aufregung und Vorfreude auf das Ereignis. Wenn die Wagen der Schausteller dann durch die Straßen rollten, liefen die Kinder herbei und bildeten ein Spalier. Später trafen sie sich auf dem Sportplatz, wo die Fahrgeschäfte aufgebaut wurden. Es war so spannend! Welche Überraschungen verbargen sich wohl in den großen Wagen? Oh, es dauert noch so lange, bis sich die Türen der geheimnisvollen Waggons öffnen würden. Die Aufregung war groß.

      Als es dann so weit war, freuten sich die jungen Erwachsenen auf Musik und Tanz. Die Kinder fuhren mit der Berg- und Talbahn, mit der Luftschaukel, dem Kettenkarussell und standen mit großen Augen vor den Losbuden. Es war ein Treffpunkt für Jung und Alt, ein Ereignis voller Anspannung, Freude und Hoffnung auf ein kleines bisschen Glück. Die Holzkegelbahn war meist Treffpunkt der Männer. Schließlich mussten sie sich ja messen. Auch beim Luftgewehrschießen. Dieses Mal zum Glück nicht auf Menschen. Der Spaß brachte gleichzeitig einen kleinen Dankesgruß für die Frauen mit ein. Papierblumen.

      Für jeden war etwas dabei. Lustig und ausgelassen wurde gefeiert. Meistens ging es mit einer zünftigen Keilerei einher. Ein Bier kostete 48 Pfennig. Ein Los zehn Pfennig. Auf der Suche nach Freude und Vergnügen nutzte man jede Begegnung sehr intensiv. So manches Kind wurde hinter dem Bierzelt gezeugt. Die Aussage: »Schlage nie ein fremdes Kind, es könnte dein eigenes sein«, sorgte zwar für manchen Lacher, war allerdings zu der Zeit nicht ausschließlich witzig gemeint.

      Jedenfalls war der Sommer wieder fruchtbar. Das nächste Kind war unterwegs. Die siebte Schwangerschaft!

      Das fünfte Kind.

      Ein Mädchen! Gisela. Sie wog stolze acht Pfund und war 53 Zentimeter groß. Das war ICH!

      1961

      Wieder ein Grund zum Saufen. Das Kind war sicher nicht willkommen, aber um darauf anzustoßen, war es als Anlass gut genug. Ansonsten war es nur ein Fresser mehr. Wie soll man denn so viele Mäuler stopfen? Wilhelm entzog sich der Verantwortung, indem er nach der Arbeit in die Kneipe ging. Trost und Ablenkung suchte und fand er in fremden Betten. Vielleicht war es ihm im eigenen auch zu riskant, die Angst zu groß, es käme gleich wieder etwas Lütsches. Nein, kein Sex – kein Kind. Es ist genug.

      Die Leute im Dorf waren auch so freundlich und steckten es Henny. »Du, der treibt sich wieder im Nachbardorf rum«, bei Christa oder Liesbeth oder … egal.

      Danke schön! Das ist mir bekannt, wird sie gedacht haben.

      Sind sie nicht nett, die Dörfler? Die Eskapaden waren also aller Welt bekannt. Und so verpasste man ihm den Spitznamen Juckelprinz. Es war demütigend für Henny. Sie war nur noch für die Kinder da. Und da war noch etwas, aber das Geheimnis trug sie allein mit sich herum.

      Es war Frühling. Die Zeit war unruhig. Irgendetwas hing in der Luft. Aber auf dem Land spürte man nichts davon. Hier ging alles weiter wie immer: Früh aufstehen. Die Tiere versorgen. Auf dem Feld arbeiten, aufräumen, putzen, waschen, Essen kochen …

      Niemand fragte die Kinder, wie es in der Schule läuft. Das war auch nicht notwendig. Die Lehrer traf man auf der Straße. Sie berichteten gleich über den Gartenzaun, was das Kind vergessen oder mit wem es einen Streit vom Zaune gebrochen hatte. Und wenn der Lehrer dem Sohn eine scheuerte, weil er frech war, half kein Petzen bei den Eltern. Dann gab es gleich noch einmal eine Schelle, eine Strafarbeit und Stubenarrest. (Damals war das wirklich noch eine Strafe, es gab weder Handy, PC noch Laptop. Henny hatte nicht mal ein Telefon mit Wählscheibe.)

      Mit dem neuen Baby wuchsen Hennys Sorgen. Wie sollte es nur weitergehen? Gut, dass es Kindereinrichtungen gab. Der Große war inzwischen zehn und Karla sieben Jahre alt. Sie gingen zur Schule und anschließend in den Hort. Ursel und Michi waren gut im Kindergarten untergebracht. Das Kindergeld des Staates half über einige finanzielle Probleme hinweg, wenn Wilhelm nur nicht so viel versaufen würde. Henny musste recht bald wieder arbeiten gehen, um das Fehlende dazu zu verdienen. Einige Auftraggeber sagten ihr schon ab. Sie durfte dort nicht mehr putzen, weil sie sicher die Zeit für ihre vielen Kinder bräuchte. Was nun? Sie brauchte das Geld, um die Familie satt zu bekommen. Es war nicht für sie. Ihre Wünsche hatte sie schon lange in den Hintergrund gestellt. Aber die Kinder. Was sollte nur aus ihnen werden? Wie schnell war der Staat dabei, sie ihr wegzunehmen. Nein. Sie musste arbeiten.

      Sechs Wochen nach der Geburt galt die Mutter als wieder einsatzfähig. Damals gab es die Sechs-Tage-Arbeits-woche. Also begann Henny auf der Suche nach Arbeit, ›Klinken zu putzen‹.

      Der LPG-Vorsitzende hatte Mitleid mit ihr und stellte sie ein. Sie durfte für ein paar Stunden das Büro putzen und im Stall aushelfen. Es fehlte immer jemand. Somit arbeitete sie als Springer im Kuhstall. Das heißt, immer da, wo jemand gebraucht wurde, weil ein Angestellter wegen Krankheit, Urlaub oder Ähnlichem ausfiel, sprang sie ein. Damit war die Verantwortung zu Hause auch neu verteilt. Die Großen mussten die Kleinen in den Kindergarten bringen, bevor sie selbst zur Schule gingen. Und sie nachmittags hüten, bis die Mutter wieder zurück war. Denn der Arbeitsbeginn im Kuhstall war morgens um vier. Um drei stand sie auf, machte sich zurecht und bereitete das Brot für ihren Mann vor. Dann fuhr sie mit dem Rad zum Kuhstall.

      Freizeit? Was ist das? Die hatte Henny schon seit Jahren nicht mehr. Früher kamen die Frauen noch zum Kaffeeklatsch. Jede Woche war jemand anderes dran, um bei einer Nachbarin beim Federnschleißen für neue Kopfkissen zu helfen, wobei Neuigkeiten ausgetauscht und auch mal ein Likör getrunken wurde. Inzwischen war Henny nicht mehr dabei. Eine Freundin hatte sie noch. Musste sich aber heimlich mit ihr treffen, weil deren Mann das nicht wollte. Der Ehemann ihrer Freundin war wohl der Meinung, dass Henny einen schlechten Einfluss auf seine Frau ausüben könnte.

      Wenn Henny dann nach der ersten Schicht im Kuhstall zurückkam, machte sie mich fertig, um mich in der Kinderkrippe abzuliefern. Etwas Katzenwäsche gab es vorher noch. Mit einem ollen Waschlappen und kaltem Wasser ging es durchs Gesicht. Ein Geschrei und schon waren alle СКАЧАТЬ