Название: Von Geistern, Zombies und Unsterblichen
Автор: Эдгар Аллан По
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783958555105
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Aber es sah nach ihm hin mit seinem schönen, entstellten Gesicht und seinem grausamen Lächeln. Sein leuchtendes Haar glänzte im Schein der Frühsonne. Seine blauen Augen blickten in die seinigen. Ein Gefühl unendlichen Mitleids, nicht mit sich selbst, sondern mit seinem gemalten Abbild überkam ihn. Es hatte sich schon verändert und würde sich noch mehr verändern. Sein Gold würde zu welkem Grau werden, seine roten und weißen Rosen würden sterben. Für jede Sünde, die er beginge, würde ein Mal seine Schönheit beflecken und verderben. Aber er wollte nicht sündigen. Das Bild, ob verändert oder unverändert, sollte ihm das sichtbare Wahrzeichen des Gewissens sein. Er wollte der Versuchung widerstehen. Er wollte Lord Henry nicht mehr sehn – wollte jedenfalls nicht mehr auf die feinen vergifteten Theorien hören, die in Basil Hallwards Garten zuerst in ihm die Leidenschaft für Dinge, die nicht möglich sind, erregt hatten. Er wollte zu Sibyl Vane zurückgehen, ihre Fehler verbessern, sie heiraten und versuchen, sie wieder zu lieben. Ja, es war seine Pflicht, das zu tun. Sie musste mehr als er gelitten haben. Armes Kind! Er war selbstsüchtig und grausam gegen sie gewesen. Der Zauber, den sie auf ihn ausgeübt hatte, würde zurückkehren. Sie wollten glücklich beisammen sein. Sein Leben mit ihr sollte schön und rein sein.
Er stand vom Stuhl auf und schob einen großen Wandschirm vor das Porträt. Es schauderte ihn, als er darauf blickte. »Wie furchtbar!«, murmelte er. Dann ging er an die Balkontür und öffnete sie. Als er in das Gras hinaustrat, holte er tief Atem. Die frische Morgenluft schien all seine düstern Leidenschaften zu verjagen. Er dachte nur an Sibyl. Ein schwacher Schimmer seiner Liebe kam wieder zu ihm. Er wiederholte ihren Namen immer und immer wieder. Die Vögel, die in dem taugetränkten Garten sangen, schienen den Blumen von ihr zu erzählen.
Achtes Kapitel
Spät am Mittag erwachte er erst. Sein Bedienter war ein paarmal auf den Fußspitzen ins Zimmer geschlichen, um zu sehn, ob er auf wäre, und hatte sich gewundert, weshalb sein junger Herr so lange schlief. Schließlich läutete es, und Viktor ging sacht mit einer Tasse Tee und einem Stoß Briefschaften, die auf einem kleinen Tablett aus altem Sévresporzellan lagen, hinein. Er zog die Vorhänge aus olivfarbenem Atlas mit ihrem flimmernden blauen Futter, die an den drei großen Fenstern hingen, zurück.
»Monsieur hat diesen Morgen gut geschlafen«, sagte er lächelnd.
»Wieviel Uhr ist es, Viktor?« fragte Dorian Gray schlaftrunken.
»Viertel zwei Uhr, Monsieur.«
Wie spät es war! Er richtete sich auf, nahm ein paar Schlucke Tee und sah seine Briefe durch. Einer davon war von Lord Henry und war diesen Morgen von einem Boten gebracht worden. Er zögerte einen Augenblick und legte ihn dann beiseite. Die andern öffnete er mit lässiger Hand. Sie enthielten die üblichen Karten, Einladungen zum Essen, Ausstellungsbillette, Programme für Wohltätigkeitskonzerte und dergleichen, wie sie jungen Herren der Gesellschaft während der Saison jeden Morgen ins Haus schneien. Dann war eine recht hohe Rechnung da für eine in Silber getriebene Waschgarnitur im Stil Louis’ XV.; er hatte noch nicht den Mut gehabt, die Rechnung seinen Vormündern zu schicken, die äußerst altmodische Leute waren und nicht einsahen, dass wir in einer Zeit leben, wo unnötige Dinge unsere einzigen Bedürfnisse sind. Und endlich waren einige überaus höflich abgefasste Zuschriften aus Jermyn Street da, die sich anheischig machten, auf eine Meldung hin sofort jede Summe zu sehr mäßigem Zinsfuß vorzustrecken.
Nach etwa zehn Minuten stand er auf, zog einen fein gearbeiteten Schlafrock aus Kaschmirwollstoff, der mit Seidenstickereien geziert war, an und ging in das Badezimmer, dessen Boden mit Onyx belegt war. Das kalte Wasser erfrischte ihn nach dem langen Schlaf. Er schien alles vergessen zu haben, was er erlebt hatte. Ein undeutliches Gefühl, in eine seltsame Tragödie verwickelt gewesen zu sein, kam ihm ein- oder zweimal, aber die Unwirklichkeit eines Traumes lag darüber.
Sowie er angezogen war, ging er in das Bücherzimmer und setzte sich zu einem leichten französischen Frühstück, das ihm auf einem runden Tischchen in der Nähe des offenen Fensters serviert worden war. Es war ein herrlicher Tag. Die warme Luft schien mit Wohlgerüchen geladen. Eine Biene flog herein und summte um die Schale aus blauem Drachenporzellan, die mit schwefelgelben Rosen gefüllt vor ihm stand. Er fühlte sich sehr glücklich.
Plötzlich fiel sein Auge auf den Schirm, den er vor das Bild gestellt hatte, und er fuhr zusammen.
»Friert Monsieur?«, fragte der Bediente, der eben eine Omelette auf den Tisch gestellt hatte. »Ich werde das Fenster schließen.«
Dorian schüttelte den Kopf. »Mich friert nicht«, antwortete er.
War es denn wahr? Hatte sich das Bild in Wahrheit verändert? Oder war es lediglich seine eigene Fantasie gewesen, die ihm ein böses Aussehen vorgespiegelt hatte, wo nur ein frohes Aussehen war? Eine gemalte Leinwand konnte sich doch wohl nicht verändern? Das war doch Unsinn! Es war eine Geschichte, die er eines Tages Basil erzählen konnte. Er würde darüber lächeln.
Und doch, wie lebhaft war seine Erinnerung an alles! Zuerst im schwachen Zwielicht und dann in der strahlenden Morgensonne hatte er den Zug der Grausamkeit um die leicht verzerrten Lippen gesehn. Er fürchtete fast den Augenblick, wo sein Bedienter hinausging. Er wusste, wenn er allein war, musste er das Bild betrachten. Er hatte Angst vor der Gewissheit. Als der Kaffee und die Zigaretten gebracht worden waren und der Mann sich zum Gehen wandte, spürte er ein wildes Verlangen, ihn zurückzuhalten. Als die Tür sich eben hinter ihm schließen wollte, rief er ihn zurück. Der Mann stand da und wartete auf seine Befehle. Dorian sah ihn einen Augenblick an. »Ich bin für niemand zu Hause, Viktor«, sagte er mit einem Seufzer. Der Mann verbeugte sich und ging.
Dann stand er vom Tisch auf, steckte sich eine Zigarette an und warf sich auf ein Ruhebett mit üppig weichen Kissen, das dem Schirm gegenüberstand. Es war ein alter Wandschirm aus vergoldetem spanischen Leder, in das ein reiches Louis XIV.-Muster gepresst war. Er sah ihn forschend an und sann, ob dieser Schirm je vorher wohl das Geheimnis eines Menschenlebens verdeckt habe.
Sollte er ihn überhaupt zur Seite schieben? Warum ihn nicht stehen lassen? Was nützte das Wissen? War die Sache wahr, so war es schrecklich. War sie nicht wahr, warum sich dann beunruhigen? Aber wie, wenn durch irgendein Geschick oder unglücklichen Zufall andere Augen als seine dahinter blickten und die grässliche Veränderung sahen? Was sollte er tun, wenn Basil Hallward käme und sein eignes Bild sehn wollte? Basil würde sicher den Wunsch äußern. Nein, die Sache musste untersucht werden, und sofort. Alles war besser als diese entsetzliche Ungewissheit.
Er stand auf und verschloss beide Türen. Wenigstens wollte er allein sein, wenn er auf die Maske seiner Schande blickte. Dann schob er den Schirm beiseite und sah sich von Angesicht zu Angesicht. Es war völlige Wahrheit. Das Bildnis hatte sich verändert.
Er erinnerte sich später oft, und immer mit nicht geringem Staunen, dass er zuerst das Bild mit einer Art fast wissenschaftlichen Interesses in Augenschein nahm. Dass eine solche Veränderung vor sich gegangen sein sollte, schien ihm unglaublich. Und doch war es eine Tatsache. Gab es eine geheime Verwandtschaft zwischen den chemischen Atomen, die sich zu Form und Farbe auf der Leinwand zusammensetzten, und der Seele, die in ihm war? Konnte es sein, dass sie verwirklichten, was diese Seele dachte? – dass sie wahr machten, was sie träumte? Oder gab es einen andern, schrecklicheren Zusammenhang? Er schauerte und wurde von Angst gepackt. Dann ging er zum Sofa zurück, legte sich hin und starrte das Bild in krankhaftem Entsetzen an.
Eins jedoch, fühlte er, hatte das Bild für ihn getan. Es hatte ihm zum Bewusstsein gebracht, wie ungerecht, СКАЧАТЬ