Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle. Sven R. Kantelhardt
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Читать онлайн книгу Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle - Sven R. Kantelhardt страница 49

СКАЧАТЬ unnützes Ding, sieh, was du angerichtet hast!“ Die Scherben der Tonschale schwammen in der verschütteten Milch am Boden des runden Speichenhauses.

      Álainn gehörte nun als Sklavin zu Eòghanns Sippe. Und wenn nicht Nara, Eòghanns Schwiegermutter, gewesen wäre, hätte sie sich sogar halbwegs in die Familie aufgenommen gefühlt. In dem kleinen Rundhaus, welches durch Mauervorsprünge, die wie die Speichen eines Rades ins Zentrum ragten, in mehrere Abschnitte aufgeteilt war, war der grausame Seeräuber Eòghann ein umgänglicher Mensch.

      „Lass das Mädchen in Frieden“, kam der gerade eingetretene Hausherr ihr auch gleich zu Hilfe. „Du weißt doch, dass sie verletzt ist, du solltest ihr keine Aufgaben geben, die sie noch nicht verrichten kann“, knurrte er verärgert.

      Álainn verstand den piktischen Dialekt inzwischen problemlos und sie genoss mehr Freiheiten, als sie als Sklavin erwartet hätte. Aber wohin sollte sie auch fliehen? Die Burg stand auf einem Felsvorsprung im stürmischen Ozean, hoch über den kleinen Buchten, in denen die Fischer- und Raubboote der Pikten lagen. Der einzige Zugang zu dem Felsen war nur wenig mehr als dreißig Schritte breit und zudem von einer Mauer geschützt. Der einzige Durchgang, eine etwa zehn Schritt lange Doppelung der Mauer, wurde durch drei hintereinanderliegende Türen verschlossen.

      Doch auch jenseits dieses unüberwindlichen Hindernisses gab es für Álainn keine Hoffnung auf Flucht. Wohin sollte sie sich wenden, hunderte von Meilen von ihrer Heimat entfernt in einem unwirtlichen, rauen Land? Und sie war sich nicht einmal sicher, ob Pert Acaiseid überhaupt in Britannien oder nicht auf einer Insel lag. Die Menschen in der Siedlung waren für ihr Überleben jedenfalls ganz und gar aufeinander angewiesen und nun gehörte sie ebenfalls zu dieser Gemeinschaft. Eòghann hatte sie sogar manchmal ohne Bewachung und ohne jede Bedenken mit den Schafen hinaus auf die Weiden vor der Burg geschickt. Nun zog er sie am Arm von der zeternden Nara fort.

      „Lass sie schimpfen. Du gehst heute wieder mit den Schafen auf die Weide oben im Westen“, beschied er.

      So trieb Álainn bald Eòghanns Vieh durch die drei engen Pforten in der Mauerdopplung aufs Vorland. „Kommt mit, ich bring euch zu den besten Kräutern“, versprach sie den Tieren lockend. Sie kannte den Weg inzwischen gut und die Schafe folgten ihrer Stimme. Langsam löste sich ihre Anspannung und sie schritt rasch voran.

      Das Meer plätscherte sanft in der Bucht unter der Felsenfeste, die salzige Luft war warm und mischte sich mit dem Duft von Heidekräutern und Torfmooren. Tief unter ihr lagen die Boote ihres Dorfes. Allesamt Currachs, lederbespannte Holzgerippe. Draußen, jenseits der Bucht, sah sie die kugeligen Köpfe der Robben in der Dünung tanzen. Immer wieder verschwand einer, um eine Weile später an anderer Stelle aufzutauchen. Darüber zogen kreischende Möwen ihre Kreise. Vielleicht war das Leben hier im Norden doch erträglicher, als sie befürchtet hatte. Wenn nur die alte Hexe nicht wäre.

      Nach einer guten halben Stunde erreichte sie die von Eòghann bezeichnete Weide. Doch die Ruhe währte nicht lange. Plötzlich vernahm sie hinter sich Hufgetrappel. Sie fuhr herum. Ein einzelner Reiter auf einem der flinken piktischen Ponys galoppierte den Pfad entlang, der von Westen nach Pert führte. Ängstlich blickte sie um sich. Sollte sie versuchen sich hinter den niedrigen Büschen zu verstecken? Doch der Reiter hatte sie sicher schon bemerkt.

      Dann atmete sie auf. Es war Carney, der aus einer etwas südlicher gelegenen Siedlung kam. Vor einigen Monaten war er häufig in ihrem Hause zu Gast gewesen, um Kilian, Naras Sohn, den die alte Hexe über alles vergötterte, zu besuchen. Kilian selbst und er zogen dann irgendwann fort, zum fernen Königssitz in Forteviot. Denn der Prinz der Uerturio hatte die Männer der nördlichen Stämme aufgefordert gemeinsam mit ihm gegen die Britannier zu ziehen. Álainn hatte den Königssitz selbst natürlich noch nie gesehen, aber Forteviot galt bei allen piktischen Stämmen als der reichste und vornehmste Ort im Norden. Es hieß, Prinz Koloman, für den selbst die Mädchen in Pert Acaiseid zur Sonnenwendfeier eine Unzahl Blumenkränze gebunden hatten, sei mit vielen tausend Männern aus allen Stämmen nach Süden gezogen, um Beute zu machen.

      Jedenfalls hatte Nara, seit ihr geliebter Sohn fortgezogen war, begonnen, Álainn immer häufiger zu schlagen. Zum Glück war Eòghann selbst nicht mit den Uerturio nach Süden gezogen, sonst wäre sie der Alten völlig schutzlos ausgeliefert gewesen. Eòghann war ja bereits früher im Jahr mit ihrem eigenen Häuptling, der sich zwar nicht König nannte, aber doch völlig unabhängig über seine Sippe und die Sturminseln herrschte, zu einem bescheideneren Raubzug an die britannische Küste gefolgt. Álainn hatte es am eigenen Leib erfahren.

      Inzwischen war Carney, von einer Staubwolke umhüllt, bis zu ihr herangekommen. Pferd und Reiter schwitzten stark in der Sonne. Álainn hob die Hand zum Gruß, während die Schafe erschrocken auseinanderstoben, als der Fremde sein Pferd dicht vor ihr zügelte.

      „Was bringst du für Nachricht?“, fragte sie neugierig.

      „Großes Unheil, Gruagach straft uns fürchterlich. Die Britannier haben eine Rasse von grausamen Riesen zu Hilfe gerufen. Unser Heer ist geschlagen, der Prinz gefallen!“, rief er ihr zu und trieb sein Pferd gleich wieder im scharfen Trab voran.

      Álainn war wie vom Donner gerührt. Was hatte das zu bedeuten? Riesen, Britannier? Was war geschehen? Sollte ihr Volk endlich die Kraft gefunden haben, sich der Pikten zu erwehren? Und dürfte sie nun auf Befreiung hoffen? Aber nein, Pert Acaiseid war so weit im Norden, so weit entfernt von Britannien, und sie war sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt über Land oder nur mit den schnellen Booten der Pikten zu erreichen war.

      Am Abend trieb Álainn die Schafe zur Burg zurück. Eine düstere Stimmung lag über den eng um den alten Broch gedrängten Rundhäusern. Leises Wehklagen drang aus mehreren Ecken und Winkeln an ihr Ohr. Sie sperrte die Schafe in den Pferch und trat leise in Eòghanns Haus. Der Hausherr saß in Gedanken versunken an dem niedrigen Torffeuer in der Mitte des Raumes und drehte ihr den Rücken zu. Seine Gattin Gwen hockte ihm mit rotgeweinten Augen gegenüber. Ängstlich spähte Álainn nach Nara, doch die lag wimmernd und völlig besoffen in ihrer Nische des Rundhauses. Álainn atmete auf, jedoch ein wenig zu laut, denn Gwens Kopf ruckte nach oben und sie sah Álainn hasserfüllt an.

      „Du freust dich wohl, Britannierin?“

      Aber Eòghann wehrte ab. „Sie hat den ganzen Tag gearbeitet, was man von deiner Mutter da drüben nicht sagen kann. Also lass sie etwas zu Essen zu sich nehmen und in Frieden schlafen.“

      Gwen sah ihr finster nach, als Álainn sich etwas Hafergrütze und Trockenfisch nahm und schüchtern in ihren eigenen Winkel des kleinen Radspeichenhauses zurückzog.

      Eboracum, Juni 441

      Ceretic

      Gleich am nächsten Morgen gab Vortigern den Befehl zum Marsch nach Norden. Etwa fünfzig Mann blieben zurück, um die Bestattung der Gefallenen fortzusetzen und die wenigen Verwundeten vor versprengten Pikten zu schützen.

      Vortigern ritt an der Spitze des Heerzuges, ihm folgten seine Ratgeber und die sächsischen Söldner. Viele unter ihnen trugen stolz piktische Waffen. Ceretics Augen suchten in ihren Reihen nach Ordulf, doch er erkannte ihn erst auf den zweiten Blick. Der junge Sachse trug ein prächtiges Kettenhemd mit vergoldeten Plättchen auf der Brust. Unter dem Herzen wies es ein gezacktes Loch auf, welches sein neuer Besitzer noch nicht repariert hatte. Als Ceretic sein Pferd neben ihn lenkte, bemerkte er, dass zwischen den eisernen Ringen noch getrocknetes Blut klebte. Doch das schien den jungen Sachsen weniger zu stören.

      „Mal sehen, ob die eisernen Ringe wirklich so viel halten, wie man immer sagt“, erklärte er mit säuerlichem Grinsen.

      „Mir ist ein fester Schild lieber, aber ich habe keinen mehr übrig.“

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