Loyalitätskonflikte bewegen sich auf drei Ebenen:
Introspektiv: mit sich selbst und seinem Gewissen
Horizontal: gegenüber Kollegen
Vertikal: zwischen oben und unten
Natürlich findet auch die Loyalität einer Führungskraft auf diesen drei Ebenen statt. Immer muss sie deshalb die Frage beantworten, worauf sich ihr Loyalitätsverständnis bezieht: Auf das Top-Management? Die Anteilseigner? Das Unternehmen? Die Mitarbeiter? Auf das eigene Gewissen?
Einerseits ist Loyalität eine Prinzipienfrage, andererseits aber auch sehr konkret. Wie reagiert also ein Vorgesetzter, wenn er unpopuläre Managemententscheidungen an die Mitarbeiter weitergibt? Und wie verteidigt er seine Mitarbeiter, wenn die ins Kreuzfeuer der Kritik geraten?
Loyalitätskonflikte entstehen oft auf offener Bühne
Gerade männliche Führungskräfte erwarten, dass die eigenen Leute geschlossen zu ihnen halten. Stellt sich etwa ein Mitarbeiter im Meeting gegen seinen Chef oder beweist diesem, dass er unrecht hat, fühlt sich der in seiner Position beschädigt und in seiner Macht geschwächt.
Genauso problematisch ist es, wenn sich ein Mitarbeiter am Vorgesetzten vorbei an dessen Chef eine Etage höher wendet, um seine Ziele erreichen zu können. Ebenso schlimm kann es sein, wenn Leute aus den eigenen Reihen mit „Abteilungsfeinden“ sympathisieren.
Vor allem Frauen tappen oft in solche Loyalitätsfallen, denn sie sind in erster Linie der Sache zugetan. Positionenschach und territoriales Gehabe sind ihnen meist fremd.
Macht züchtet falsche Loyalität
Neben der Leistungsebene gibt es immer auch eine Machtebene, die Loyalität verlangt. So nehmen Katastrophen mit millionenschweren Schäden ihren Lauf: Jeder weiß, dass der Chef auf dem Holzweg ist, aber keiner hat die Traute, ihm das zu sagen.
In Krankenhäusern sterben tausende von Menschen, weil niemand dem behandelnden Arzt die Leviten liest. Flugzeuge sind abgestürzt, weil der Kopilot keinen Widerspruch wagte. Und Großbaustellen mutieren so zu Milliardenlöchern. Ja, falsch verstandene Loyalität hat oft die übelsten Folgen.
Die sagenumwobene Nibelungentreue hat in der heutigen Realität nichts mehr zu suchen. Wir brauchen eine reflektierende Loyalität auf Augenhöhe. Denn nur, wer dem Unternehmen, wenn nötig, auch mal die Meinung sagt, tut ihm gut.
Whistleblowing: loyal oder illoyal?
Leider passiert es noch immer, dass bei der Aufdeckung von Mauscheleien der „Verräter“ in die Bredouille kommt, und nicht der eigentliche Bösewicht. Vor allem dann, wenn der „Verräter“ ein Kleiner, der „Ertappte“ aber ein Großer ist.
Heute bezeichnet man solche Enthüller als „Whistleblower“. Mit Petzen hat das rein gar nichts zu tun. Denn Whistleblower decken inakzeptables Fehlverhalten, gravierende Missstände und illegales Handeln auf. Wenn sie dabei an das Allgemeinwohl denken, gehen sie sogar persönliche Risiken ein.
Vor solcher Zivilcourage habe ich den größten Respekt. Um Übel einzudämmen und Schaden abzuwenden, ist es ganz klar die Pflicht eines Unternehmens, solche überaus loyal handelnden Mitarbeiter zu schützen. Hierzu muss es interne oder externe Vertrauenspersonen geben, an die man sich wenden kann.
Definieren, wie Loyalität gelebt werden soll
Diskutieren und definieren Sie, wie Loyalität in Ihrem Unternehmen gesehen wird und gelebt werden soll. Speziell da, wo es um ein besonderes Vertrauensverhältnis geht, wie etwa zwischen Führungskraft und AssistentIn, muss in beiderseitigem Interesse auch geklärt werden, wo die Loyalitätsgrenzen liegen.
Vornehmlich aber sollte gemeinsam erarbeitet werden, wie sich eine Loyalitätskultur im Unternehmen entwickeln lässt. Denn Loyalität ist die Basis für eine Hochleistungsorganisation, in die jeder Einzelne sein ganzes Engagement einverleibt. Und zwar, weil er will – und nicht, weil er muss.
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