Название: Lebendige Seelsorge 3/2020
Автор: Erich Garhammer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429064730
isbn:
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verfolgten die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. einen betont restaurativen Kurs. Papst Johannes Paul II. verhängte gar ein Rede- und Schreibverbot und suchte damit jegliche Diskussion über die Gleichstellung der Frau in der Kirche zu unterbinden. So legte er in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis (1994) fest, dass die Kirche keinerlei Vollmacht habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Alle Gläubigen der Kirche hatten sich diesem päpstlichen Verbot zu fügen. Priester und Bischöfe, die sich weiterhin für das Frauenpriestertum einsetzten, wurden gar exkommuniziert (etwa Pater Roy Bourgeois in den USA), und in der Wissenschaft wurden Lehrverbote verhängt. Bis heute gilt, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Frauenpriestertum, die von der offiziellen Lehre der Amtskirche abweicht, kaum förderlich für eine „Karriere“ in der Kirche ist. Obwohl das katholische Lehramt in den 1990er Jahren versuchte, die Diskussion über Frauen in kirchlichen Ämtern „endgültig“ (Formulierung von Johannes Paul II. in Ordinatio sacerdotalis aus dem Jahre 1994) zu beenden, gelang ihm dies nicht ganz. Jahrelang wurde zwar der Deckel auf den kochenden Topf gedrückt, aber irgendwann ging auch dem obersten Lehramt die Kraft und mithin auch die theologischen Argumente aus. Frauen ließen es sich nicht mehr gefallen, zwar als „Menschen mit gleicher Würde, aber nicht mit gleichen Rechten“ anerkannt zu werden, und erhoben ihre Stimmen. Die Frauen von Maria 2.0, die im Frühsommer 2019 in Deutschland protestierten und ein großes mediales Echo hervorriefen, zeigten, dass sie mit dem kirchlich-patriarchalen Frauenbild unzufrieden sind und auf eine grundlegende Änderung der Geschlechterverhältnisse hinwirken möchten.
SÜDAMERIKANISCHE LÄNDER WÜNSCHEN SICH FRAUENPRIESTERTUM
Da zahlreiche geweihte Männer im Vatikan keinerlei Interesse haben, die Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft zu verbessern, bedarf es der kirchlichen Basis und mutiger Amtsträger, die aufstehen und auf diese schreiende Ungerechtigkeit hinweisen. Weltweit gibt es bereits heute viele Frauenvereine und Organisationen, die sich für gleiche Rechte einsetzen. Auch in zahlreichen südamerikanischen Ländern wünschen sich die Menschen die Ämteröffnung für die Frau (vgl. Umfrage von Pew Research Center). In Brasilien, wo weltweit die meisten Katholik*innen (135 Mio.) leben, könnten sich 78 Prozent der Befragten Frauen am Altar vorstellen. Zum Vergleich die Urnenabstimmung der Katholikinnen und Katholiken aus den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft (Schweiz) im Jahr 2014: Dort votierten gar 81,8 bzw. 87,4 Prozent für die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern und für die Aufhebung des Pflichtzölibats.
Obwohl diese Zahlen eindeutig sind, hinkt die Kirche in Sachen Gleichberechtigung meilenweit hinterher. Da das Traditionsargument und das Mannsein Jesu von den Gläubigen kaum mehr als Ausschlusskriterium der Frauen von Weiheämtern akzeptiert wird, wird heute von bestimmten restaurativen Kreisen gerne von der „Kirchenspaltung“ geredet, zu der es käme, wenn Frauen zu Weihe- und Leitungsämtern zugelassen würden. Doch Fakt ist, dass die Spaltung in der katholischen Kirche längst und schleichend im Gange ist. Die hohen Austrittszahlen bestätigen die Unzufriedenheit der Glaubenden. Viele Menschen verlassen die Kirche wegen des hohen Reformstaus, der eher zögerlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und der fehlenden Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat neue, wegweisende Maßstäbe gesetzt, die Kirche im Licht des Evangeliums und der Tradition erneuert. Da die Kirche nicht nur eine geistliche Gemeinschaft, sondern auch eine weltliche Organisation ist, die Recht setzt und Recht schützt, muss es ein zentrales kirchliches Anliegen sein, die Grundrechte des Menschen nicht nur nach außen („ad extra“) einzufordern, sondern auch nach innen („ad intra“) zu achten und umzusetzen. Es bestehen in bestimmten Grundrechtsbereichen nach wie vor schwerwiegende Defizite, die innerkirchlich mittelbis langfristig behoben werden müssen (vgl. Hollerbach, 1314f.; Hilpert, 69; Rahner, 215).
So könnte die katholische Kirche Vorreiterin einer besseren, friedlicheren und gerechteren Welt sein. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau wäre nicht nur ein bedeutender Gewinn für die Pastoral, sondern könnte auch zur Befreiung der Frau aus unterdrückenden Systemen beitragen. Denn in vielen Ländern der Welt leiden Frauen unter dem jeweils gesellschaftsprägenden patriarchalischen Frauenbild. Die katholische Kirche könnte in denjenigen Gesellschaften positive Impulse vermitteln, die Frauen einzig aufgrund des Geschlechts weniger Chancengleichheit einräumen. Gesellschaften, in denen Mann und Frau gleiche Rechte und Lebenschancen haben, bieten Mädchen und Frauen bessere Schulbildung und bessere Gesundheitsversorgung. Sie erwirtschaften ebenso ein höheres Bruttoinlandsprodukt (vgl. Bohnet, 18ff.). Diejenigen Gesellschaften gelten als stabil, die von Männern und Frauen zu gleichen Teilen geprägt werden. So könnte langfristig mehr Friede in dieser Welt herrschen.
Der Druck der Basis auf das kirchliche Lehramt darf nicht nachlassen. Dass Frauen unter einem patriarchalischen Frauenbild leiden, entspricht nicht dem Willen Jesu. Deshalb braucht es verschiedene Ebenen des Aufstands: Zum einen die Basis, die lautstark ist und ihre Bischöfe in die Pflicht ruft. Zum anderen die Bischöfe selbst, die auf die Stimme des Volkes hören, mutig sind und berechtigte Reformanliegen wie das Frauenpriestertum in Rom vertreten. Und vor allem braucht es einen langen Atem und das Hoffen auf das Wirken des Heiligen Geistes.
LITERATUR
Blank, Josef, Frauen in den Jesusüberlieferungen, in: Dautzenberg, Gerhard/Merklein, Helmut/Müller, Karlheinz, Die Frau im Urchristentum, Freiburg i. Br. 1983, 9-91.
Bohnet, Iris, What Works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann, München 2017.
Dautzenberg, Gerhard, „Da ist nicht männlich und weiblich“. Zur Interpretation von Gal 3,28, in: Kairos 24 (1982), 181-206.
Heininger, Bernhard, Frauen im frühen Christentum. Aufbrüche und Abbrüche, in: Mayer, Cornelius (Hg.), Würde und Rolle der Frau in der Spätantike. Beiträge des II. Würzburger Augustinus-Studientages am 3. Juli 2004, Würzburg 2007, 53-70.
Hilpert, Konrad, Menschenrechtsrezeption in der Kirche, in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften. Menschenrechte in der katholischen Kirche [Bd. 55], Münster 2014, 50-78.
Hollerbach, Alexander, Naturrecht IV, in: Görres-Gesellschaft (Hg.), Staatslexikon. Recht. Wirtschaft. Gesellschaft [Bd. 3], Freiburg i. Br. u. a.71987, Sp. 1312-1315.
Leo XIII., Rundschreiben Arcanum divinaesapientiae vom 10.02.1880, in: ASS 12 (1879–1880), 389.
Petersen, Silke, Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte, Leipzig22015.
Pottmeyer, Hermann Josef, Dialogstrukturen in der Kirche und die Communio-Theologie des Zweiten Vatikanums, in: Wiemeyer, Joachim (Hg.), Dialogprozesse in der Katholischen Kirche. Begründungen – Voraussetzungen – Formen, Paderborn 2013, 133-147.
Rahner, Johanna, Kraft der Veränderung. Ekklesiologische Perspektiven, in: Dies./Söding, Thomas (Hg.), Kirche und Welt – ein notwendiger Dialog. Stimmen katholischer Theologie, Freiburg i. Br. 2019, 197-231.
Pro und Contra