Von A(usbildung) bis Z(agreb). Harald Seibel
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Название: Von A(usbildung) bis Z(agreb)

Автор: Harald Seibel

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Поиск работы, карьера

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isbn: 9783347136540

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СКАЧАТЬ zum damaligen Zeitpunkt bereits ein Ausbildungsplatz sicher, hatte ich doch im Herbst 1979 einen Lehrvertrag zum Bankkaufmann bei einer namhaften Bank in Schleswig-Holstein mit intensivem Osteuropageschäft unterschrieben. Perspektivisch hatte ich mein berufliches Wunschziel also schon erreicht. Warum also weitersuchen? Was mehr konnte mir das Auswärtige Amt, bei dem ich mich, siehe oben, aus genau denselben Gründen beworben hatte, bieten?

      Die Antwort auf diese Frage gab mir meine Mutter: Eine Einladung vom Auswärtigen Amt könne man unmöglich ausschlagen! Auch wenn ich die Aufnahmeprüfung nicht schaffen sollte, hätte ich es zumindest versucht. Ihr Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Und außerdem: Falls es nicht klappen würde, sei ich wenigstens einmal in der (damaligen) Bundeshauptstadt gewesen. Für ein Landei wie mich sei allein das schon die Reise wert. Letzteres überzeugte mich vollends! Mehr um meiner Mutter zu gefallen als aus Überzeugung setzte ich mich also eines Tages in den Nachtzug von Hamburg nach Bonn, machte mich kurz nach Ankunft in der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amts frisch und ging in den schriftlichen Test. Völlig erschlagen sank ich abends im Hotel ins Bett. Der nächste Tag stand im Zeichen des mündlichen Auswahlverfahrens. Mehrfach hatte ich in diesem Teil der Prüfung das Gefühl, mich bei Vorträgen, Fragerunden und Gruppendiskussionen vor einer riesigen Kommission um Kopf und Kragen zu reden. Während sich einige der mit mir leidenden Bewerberinnen und Bewerber am Ende des Tages sarkastisch mit „Na dann bis zum 1. Oktober!“ (dem Einstellungsdatum) verabschiedeten, versuchte ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass für mich die große weite Welt an den Landesgrenzen Schleswig-Holsteins enden würde. Frustriert bestieg ich wieder den Nachtzug in Richtung Hamburg, um meiner Mutter am nächsten Tag zu melden, dass ich von Bonn als Hauptstadt nichts gesehen hatte, die Reise also völlige Zeitverschwendung gewesen sei.

      Bis – ja bis eines Tages ein großer brauner Briefumschlag mit der Zusage eintraf. Ich hatte es also tatsächlich geschafft, die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung des Auswärtigen Amts – einer Behörde, mit deren Aufgaben und Struktur ich mich erst wenige Monate zuvor erstmals im Detail befasst hatte – zu bestehen! Es lockte tatsächlich „die Welt als Arbeitsplatz“ (lange Zeit ein Werbeslogan des Auswärtigen Amts)! Aber: Ich hatte ja schon einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Plötzlich war das ein Problem. So, wie man eine Einladung vom Auswärtigen Amt nicht ausschlug, so löste man auch nicht einfach einen Ausbildungsvertrag wieder auf. Doch ich hatte Glück. Als der Personalleiter der Bank hörte, dass ich zum Auswärtigen Amt gehen wollte, gratulierte er mir mit den Worten: „Herzlichen Glückwunsch! Gehen Sie. Mit dem Auswärtigen Amt wollen und können wir uns nicht messen. Alles Gute!“

      So begab es sich, dass ich am 1. Oktober 1980 als frisch gebackener Abiturient in Bonn-Ippendorf aufschlug, um am Rande des „Kottenforst“ in einem dem damaligen „state of the art“ entsprechenden Sichtbetonklotz zwischen Schwesternschülerinnen- auf der einen und Seniorenwohnheim auf der anderen Seite zum „Diplomverwaltungswirt“ ausgebildet zu werden. Anders als manch alter Freund aus meinem Ausbildungsjahrgang kann ich nicht behaupten, dass von Beginn an für mich ein Lebenstraum in Erfüllung ging. Dafür wusste ich viel zu wenig von dem, was mich bei Auswärtigen Amt erwartete. Ja, ich war gespannt, Neugier und Vorfreude waren groß. Ich war bereit (oder naiv genug?), mich auf ein großes Abenteuer einzulassen. So unbekannt das Terrain damals war, so froh bin ich heute, dass ich es betreten habe, dass ich den Mut aufgebracht habe, mein Dorf in Schleswig-Holstein zu verlassen und mir „die Welt als Arbeitsplatz“ zu erschließen. Dank sei meiner Mutter – bzw. der Hartnäckigkeit, mit der sie mich dazu brachte, diesen ersten Ausflug in die große weite Welt zu unternehmen. Ihre Freude über meinen Erfolg war groß, zumindest so lange, bis ich ihr ein paar Jahre später erzählte, ich würde nun nach Afrika versetzt. Doch dazu später mehr!

       Uneingeschränkt versetzungsbereit

      Erster Oktober 1980 - da saß ich nun mit 66 anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen aus ganz Deutschland am Bonner Waldesrand. Von meinem Zimmerfenster aus beobachtete ich, wie im Seniorenwohnheim nebenan ein schwarzer Kastenwagen vorfuhr, in dem kurz darauf ein Sarg abtransportiert wurde. Mir fiel der Spruch ein, den man bei uns auf dem Dorf gerne über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung machte: „Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare!“ Sollte das mein künftiges Leben sein? Um es vorweg zu nehmen: Keineswegs!

      Meine erste „Amtshandlung“ bestand darin, zu unterschreiben, dass ich ein Leben lang uneingeschränkt versetzungsbereit sein würde. Genau wie ich hatten alle Kolleginnen und Kollegen „Konsulatssekretärsanwärter“ (eine von vielen Amtsbezeichnungen, die das stark in der Tradition verhaftete Auswärtige Amt zur allgemeinen Verwirrung der Außenwelt aus seiner Gründerzeit in die Moderne herübergerettet hat) dies zuvor schon einmal versichert, nämlich während des Auswahlverfahrens. Und das offenbar so glaubhaft, dass es mit der Einstellung geklappt hat. Rückblickend erscheint mir diese „Zusage“ wie eine Jugendsünde. Ganz ehrlich: Mein Blick auf die Welt reichte bis London, Paris, Washington und vielleicht noch nach Peking und Moskau (schließlich hatte ich ja – obwohl in Westdeutschland sozialisiert – Russisch gelernt). Woher sollte ich wissen, wo Ouagadougou, Antananarivo oder Bandar Seri Begawan Darussalam lagen? Bagdad, Teheran, Islamabad? Egal, ich war jung und brauchte das Geld! Also unterschrieb (auch) ich.

      Scherz beiseite. Das Prinzip der uneingeschränkten Versetzungsbereitschaft ist oberste Bedingung für die Einstellung beim Auswärtigen Amt. Es ist aber auch und vor allem Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren eines Dienstes, der seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur schöne Einsatzorte zu bieten hat, sondern der auch an Plätzen dieser Welt präsent ist, wo die Arbeits- und Lebensbedingungen beschwerlich sind und die der/dem Einzelnen und ihrer/seiner Familie Einiges abverlangen: Orte ohne ausreichende medizinische Versorgung, Megastädte mit extrem hoher Luftverschmutzung, schlechter Wasserqualität, z.T. lebensbedrohender Kriminalität, belastenden klimatischen Bedingungen, Tropenkrankheiten, schlechten Schulen oder Arbeitsverbot für die/den mitausreisende(n) Partner(in), um nur einige herausragende Beispiele zu nennen.

      Spätestens nach meinen Jahren in Afrika war mir klar, dass diese Rotation, d.h. die Notwendigkeit, alle drei bis vier Jahre den Dienstort zu wechseln, Teil eines Systems der Lastenteilung, des „burden sharing“ ist. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin muss die Chance haben, nach einem Einsatz auf einem sogenannten „Härteposten“ einen fairen Ausgleich durch Einsatz auf einem weniger belastenden Posten zu erhalten. Dies funktioniert nur mit einer regelmäßigen Rotation. Man kann darüber streiten, wie lang die jeweilige Standzeit auf einem bestimmten Dienstposten sein sollte. Das Prinzip des regelmäßigen Standortwechsels als solches aber wird im Auswärtigen Amt nicht in Frage gestellt.

      Die Rotation beinhaltet im Übrigen auch eine regelmäßige Rückkehr in die Zentrale des Außenministeriums, früher also nach Bonn, seit 1999 nach Berlin (oder Bonn, wo dank des Bonn-Berlin-Gesetzes immer noch ein nennenswerter Teil der Belegschaft arbeitet). Was für eine ganze Reihe meiner Kolleginnen und Kollegen eher wie ein vorübergehender Hausarrest oder gar eine Strafversetzung anmutet, hat meiner Auffassung nach eine wichtige Funktion, nämlich eine Art „Resozialisierung“. Wir alle, die wir im Auswärtigen Amt (in der Rotation) tätig sind, nehmen für uns in Anspruch, im Ausland unser Land zu vertreten. Diesem Anspruch kann ich jedoch nur gerecht werden, wenn ich in regelmäßigen Abständen wieder für ein paar Jahre in Deutschland lebe, wieder Teil dieser Gesellschaft werde, teilnehme am politischen und gesellschaftlichen Diskurs und fühle, wie es den Menschen in Deutschland geht, was sie bewegt und warum sie genau so denken wie sie denken. All das ist notwendig, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren, Deutschland und die Deutschen zu verstehen und im Ausland erklären zu können.

      Nun klingt „uneingeschränkt versetzungsbereit“ bedrohlicher als es die Lebenswirklichkeit ist. Ich bin oft von Außenstehenden, d.h. Freunden, Bekannten, Verwandten gefragt worden, wie denn eine Versetzungsplanung funktioniert. Meine Antwort darauf lautet wie folgt: Ich bewerbe mich auf eine Liste mit im Jahr meiner Versetzung frei werdenden Dienstposten, reiche die „Wunschliste“ dann bei meinem Personalreferat ein und überlasse es der Weisheit meiner dort tätigen Kolleginnen und Kollegen, zu wissen, СКАЧАТЬ