2. 09.2 Warnsignal: Tierquälerei / Tiertötung
2. 10 Frank Gust (1969 – …)
2. 10.1 Stichwort: Häusliche Gewalt
2. 10.2 Warnsignal: Tierquälerei / Tiertötung
3. Ein Käfig voller Psychopathen ?
3. 1 Vom Leichtsinn falscher Etikettierung
3. 2 Der kleinste gemeinsame Nenner
3. 3 Repräsentativitätsproblem und Skandalisierungsfalle
4. Die Dunkelfeldproblematik
4. 1 Anzeigebereitschaft - Subkultur der Indolenz ?
4. 2 Häusliche Gewalt – Recht, Reform und Relativität
4. 3 Häusliche Gewalt – Spiel mit „trockenen" Zahlen
4. 4 Im Dunkelfeld – Das Böse ist immer und überall …
4. 4.1 Häusliche Gewalt – ubiquitär oder nicht ?
4. 4.2 Gewalt gegen Tiere – ubiquitär oder nicht ?
4. 5. „Die im Dunkeln sieht man nicht" Überlegungen zum Dunkelfeld der Straftatengruppen „häusliche Gewalt“ und „Gewalt gegen Tiere"
4. 5.1 Zum ersten Teil der Arbeit
4. 5.2 Zum zweiten Teil der Arbeit
4. 5.3 Schlussfolgerungen aus Überblick und Diskussion
5. Literaturverzeichnis
6. Literaturverzeichnis, Fachtermini in Tabelle 5 - Quellenhinweise
7. Tabellenverzeichnis
8. Verzeichnis der Internetverbindungen (URL)
Hinweis:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen weitgehend verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten natürlich gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.
1. Vorwort – zwei brisante gesellschaftliche Themen und die Probleme der Gewaltdefinition und der Ethik
Ach nein - noch ein Fachbuch über häusliche Gewalt? Muss das sein? Besteht nicht mittlerweile auch in Deutschland eine wahre Flut wissenschaftlicher Texte zu diesem Thema (Täter- und Opferbefragungen, offizielle Kriminalstatistiken, fachtheoretische Erklärungsansätze der einzelnen Disziplinen)? Ist dieses Sonderforschungsgebiet nicht allmählich „abgegrast“ und ausgeschöpft?
Für die LeserInnen (kaum überraschend?) lautet die klare Antwort hier „Jein“. So kommt es stets darauf an, mit welcher wissenschaftlichen Intention und Blickrichtung die Muster familiärer Gewalt untersucht werden. Wie so oft besteht auch hier kein Königsweg, der alle Tatvarianten, sozialen Kontexte und Präventionsziele mit gleich guter Erklärungskraft ethisch, pädagogisch, soziologisch, psychologisch und (straf-)rechtlich abdeckt.
a) So führen Lamnek u. a. in ihrer umfassenden, informativen Studie (der hier weitgehend gefolgt wird) zum Beispiel mit Blick auf den früheren Tabubereich „Gewalt gegen Kinder“ aus:
„Nicht nur in quantitativer Hinsicht, was die Anzahl an Publikationen zu diesem Thema betrifft, sondern auch qualitativ, was die theoretische Durchdringung anbelangt, ist dieser Bereich aus dem Themenkomplex ‚Gewalt in der Familie’ relativ gut erschlossen (was man in Bezug auf andere Ausrichtungen häuslicher Gewalt nicht unbedingt feststellen kann).“
(Lamnek, Siegfried; Luedtke, Jens; Ottermann, Ralf; Vogl, Susanne: „Tatort Familie. Häusliche Gewalt im gesellschaftlichen Kontext“; 3., erweiterte u. überarbeitete Auflg., 2013, Springer, Wiesbaden, 2012, S. 133)
b) Die „anderen Ausrichtungen häuslicher Gewalt“ betreffen zum Beispiel die wissenschaftlich bestätigte Opferrolle auch von Männern. So schreibt Gemünden in seiner Arbeit zur Gewalt in Partnerschaften im Hell- und Dunkelfeld:
„In der häuslichen Sphäre stehen Frauen den Männern bezüglich (körperlicher) Gewalt in nichts nach, im Gegensatz zu ihrem außerhäuslichen Verhalten.“
(Gemünden, J.: „Gewalt in Partnerschaften im Hell- und Dunkelfeld. Zur empirischen Relevanz der Gewalt gegen Männer“; in: Lamnek, S., und Boatcă, M. [Hrsg.]: „Geschlecht – Gewalt - Gesellschaft“, S. 342 und S. 351, Opladen, 2003)
Tatsächlich hat sich bisher gezeigt, dass die weitgehend verbreitete Meinung, familiäre Gewalt sei fast ausschließlich männliche Gewalt schlicht nicht auf die vorgefundene Realität zutrifft. Bei der Meinungsbildung kommen hier nach Lamnek u. a. Alltagstheorien in das Spiel, die zum einen auf Geschlechterstereotypen beruhen, also soziokulturell tradierten Bildern zu Unterschieden zwischen Mann und Frau, die etwa der Frau – genetisch oder hormonell bedingt – einen geringeren Aggressionstrieb zuschreiben und damit die größere Wahrscheinlichkeit der „Opferrolle“ (Lamnek u. a., 2012, S. 64 f.).
Zum anderen wirken auf die Meinungsbildung Geschlechtsrollenstereotypen ein, die über (sub-)kulturell vermittelte Erwartungen dem Mann und der Frau spezielle gewaltrelevante Verhaltensweisen unterstellen: Der Mann hat eher aktiv und aggressiv zu handeln, die Frau verstärkt passiv und defensiv. Man denke nur an die Alltagsweisheiten „richtige Jungen dürfen nicht weinen“ und „ein artiges Mädchen prügelt sich nicht“ (siehe dazu die ausführlichen Darlegungen bei Lamnek u. a., 2012, S. 64 f.). Dass vorgenannte Meinungsbilder sich auch auf das strafrechtliche Anzeigeverhalten der Betroffenen und der Personen ihres Umfeldes auswirken, ist eine logische Folge: Die Kriminalisierung der Gewalt geschieht geschlechtstypisch (Lamnek u. a., 2012, S. 66). Wir werden später sehen, dass diese Problematik bei der Erfassung intrafamiliärer Gewaltkriminalität ein bedeutendes Hemmnis bildet und Kriminalstatistiken stark verfälscht.
c) Entsprechende Hürden und Forschungsdefizite finden sich ebenfalls bezüglich sozialer Phänomene wie der Gewalt unter Geschwistern. So betonen Steck und Cizek noch 2001, dass dazu nur wenige Studien verfügbar sind und zum Beispiel die psychische Gewalt unter Geschwistern bis heute praktisch unerforscht blieb (Steck, M., und Cizek, B.: „Exkurs: Geschwisterliche Gewalt“; In: Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen [Hrsg.]: „Gewalt in der Familie. Gewaltbericht 2001. Von der Enttabuisierung zur Professionalisierung“; S. 184 ff., Wien, 2001. Ebenfalls in: Lamnek u. a., 2012,
S. 166).
Diesen dürftigen Erkenntnisstand sehen Lamnek u. a. auch mit Blick auf die sexuelle Gewalt zwischen Geschwistern oder die Gewalt von Kindern gegen ihre Eltern: Im letzteren Fall konstatiert die Forschungsgruppe, dass ein öffentlicher oder wissenschaftlicher Diskurs kaum stattfindet. Hierbei läge ein Themenbereich СКАЧАТЬ