Название: RELIGION - Friedens- oder Brandstifter?
Автор: Erwin Roth
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783749767458
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Aber wie ist diese Perfektion mit den Feststellungen in Kapitel 1 auf einen Nenner zu bringen?
Ich habe nie aufgehört, die Existenz einer göttlichen Allmacht, der alles sein Werden und Vergehen zu verdanken oder – neutraler ausgedrückt - zuzuschreiben hat, für sehr wahrscheinlich zu halten. Ob man sie nun Gott, Manitou, Huitzilipochtli, Jehova oder Allah nennt, erscheint mir nebensächlich. Im frühen Christentum stellte man sich Gott als weisen, älteren Herrn mit weissem Bart vor und hielt diese Vorstellung in vielen Gemälden fest. Und so wie man sein Äusseres vermenschlichte, hat man menschliche Vorstellungen in seine Handlungsweise, seine „Denkweise“ hineinprojiziert. Man tut es noch heute; vermutlich können wir nicht anders. Er muss barmherzig sein, muss uns helfen, wenn wir in Not sind, sonst erfüllt er seine - ihm von uns zugedachten - Pflichten nicht (Thürkauf: „Gottes Treue ist bedingungslos…”). Und er muss unsere Massstäbe hinsichtlich Gerechtigkeit anwenden, sonst ist er kein gerechter Gott. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen der Idealvorstellung dieses gerechten, liebenden Gottes und der Wirklichkeit hat in den christlichen Religionen vermutlich zu Einrichtungen wie Himmel und Hölle, Teufel, Fegefeuer und jüngstes Gericht geführt, denn irgendwie muss das Ganze ja einleuchten, und irgendwann einmal muss Gerechtigkeit geschaffen werden. Das ist eine simple Logik. Doch sie geht nicht auf.
Die Menschen des Altertums haben dieser Tatsache mit der Einrichtung eines von mehreren Göttern mit verschiedenen Zweckbestimmungen bewohnten Himmels Rechnung getragen. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass alle diese Gewalten und Systeme in der Hand einer einzigen Gottheit liegen könnten, und teilten sie in Bereiche auf, die sie verschiedenen Göttern zuordneten. So ganz unsinnig war das eigentlich nicht. Die Hindus mit ihren zahlreichen Gottheiten sehen es ähnlich. Ein wenig davon ist auch im Christentum verblieben mit der Institution der Heiligen Dreifaltigkeit, mit der Mutter Maria, Jesus als Sohn Gottes und den vielen Heiligen. Jeder dieser himmlischen Persönlichkeiten werden besondere Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschrieben. So zieht man es in gewissen Situationen vor, sich an die liebevolle, milde Mutter Maria statt direkt an den gestrengen Herrn und Richter Gottvater zu wenden.
Angesichts des Sternenhimmels, dieser wohl gewaltigsten Demonstration schöpferischer Allmacht, will es mir scheinen, dass hier andere Kräfte und Dimensionen am Werk waren und noch sind, als ein freundlicher, älterer Herr mit weissem Bart und anderen menschlichen Eigenschaften. Und es fällt mir schwer, zu glauben, dass wir Menschen, einjeder mit seinen ganz besonderen Sorgen und Kümmernissen, im Zentrum dieses unendlichen Universums stehen und darin eine sehr bedeutungsvolle Rolle spielen könnten. Wir können uns nicht vorstellen, wo da ein Zentrum liegt, weder wo dieses Universum anfängt noch wo es aufhört. Ein bisschen verloren kommen wir uns da schon vor. Einstein soll einmal gesagt haben, „der Raum krümmt sich in sich selbst zurück“. Also eine Art Schneckenhaus? Für mich ist das wenig hilfreich; das Weltall ist für mein Begriffsvermögen einfach zu gross, viel zu gross. Genau wie der, welcher es geschaffen hat.
Die im Weltall herrschenden kosmischen Gesetze bringen mich auf den Gedanken, dass „Gott“ Gesetze und Regeln festgelegt haben könnte, nach denen all das abläuft, was läuft. Wir nennen das „Naturgesetze“. Könnte es denn vielleicht sein, dass er nicht nur das festgelegt hat, was wir als Naturgesetze bezeichnen, sondern dass diese weiter reichen, als wir allgemein denken? Dass er Spielregeln für alles festgelegt hat, vom Kosmos bis zum Atomteilchen, aber nicht nur für Physik und Chemie, sondern – vielleicht über dieselben - auch für die Prozesse der Evolution, des Lebens, der Triebe, der Psychologie, schlicht für alles, bis hin zum Tod? Erstaunt stellen wir fest, dass auch im Mikrokosmos, also am andern Ende der Skala, alles nach strengen Gesetzmässigkeiten abläuft. Da gibt es beispielsweise die Hormone, die unsere Vitalität steuern. Und die Gene, die unsern Charakter, unsere Eigenschaften bestimmen. Die Wissenschaft pflegt jeweils zu jubeln, wenn es ihr gelingt, wieder eine dieser Spielregeln aufzudecken und wirtschaftlich nutzbar zu machen. Warum sollen diese Gesetzmässigkeiten und Spielregeln nicht auch für den Teil des Kosmos gelten, in dem wir Menschen uns befinden und aus dem wir bestehen? Das tönt fatalistisch. Aber eigentlich würde die Darwin’sche Evolutionstheorie gar nicht schlecht in diese Vorstellung hineinpassen. Sie umfasst einfach nur einen begrenzten Zeitabschnitt der ganzen Entwicklung. Aus dieser Sicht erhielte sie sozusagen Religionskompatibilität und zugleich einen grösseren Rahmen. Aber Darwin hat diesen Rahmen schon vorausgedacht. Am Schluss seines Werkes schreibt er: „Es ist doch eine erhabene Idee, dass der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder gar nur einer Form eingehaucht hat, und dass aus einem so schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und noch weiter entsteht.” Schöner könnte man es wohl kaum ausdrücken. Wobei ich einzig das „eingehaucht hat” durch „…haben könnte” ersetzen würde. Es ist übrigens interessant, dass zur vielseitigen Ausbildung dieses Charles Darwin, der der Kirche so viel Kummer und Kopfzerbrechen bereitete, auch Theologie gehörte….
Am 22. Oktober 1996 richtete Papst Johannes Paul II eine längere Botschaft an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, in welcher er zu den jüngsten Erkenntnissen der Wissenschaft in Bezug auf die Evolutionstheorie Stellung nahm. Es ist eine gewundene Epistel mit dem unverkennbaren Ziel, die unantastbare Richtigkeit des Bibeltextes und damit die Autorität der Kurie letztendlich doch über die Erkenntnisse der Wissenschaft zu stellen. Schliesslich scheiterte der Papst an der Schwierigkeit, den Brückenschlag zwischen Religion und Wissenschaft auf überzeugende Weise zu vollziehen.
Im Oktober 2014 äusserte sich Papst Franziskus zu diesem Thema. Für ihn stehen die katholische Lehre und die wissenschaftliche Evolutionstheorie nicht in Konflikt miteinander. Evolution in der Natur sei kein Gegensatz zur Überzeugung von einer göttlichen Schöpfung. Der Urknall werde heute als Ursprung der Welt angesehen, und er widerspricht der kreativen Intervention Gottes nicht, sondern setzt sie im Gegenteil voraus. (Spiegel 29.10.2014). Das ist ein kluger Annäherungsversuch, aber er lässt viele Fragen offen.
Natürlich wirft die Möglichkeit festgelegter Gesetzmässigkeiten die Frage nach dem freien Willen und der Verantwortung für unsere Willensakte auf. Wo haben diese in diesem System Platz? Haben wir denn wirklich einen freien Willen, wenn alles durch diese Gesetzmässigkeiten festgelegt ist? Entsprechen unsere freien Entscheide dem Willen Gottes oder folgen sie dem unsrigen oder beiden zusammen, indem auch unser freier Wille die Folge des universellen Systems ist?
Jetzt wird es schwierig. Angenommen, der freie Wille sei gar kein solcher, sondern - im Sinne des dargestellten Prinzips von zwingenden Spielregeln - eine Folge festgelegter Gesetzmässigkeiten resp. der durch diese ausgelösten komplexen Vorgänge. Der Sachverhalt, über den wir entscheiden, wurde zwar durch andere Umstände, Entscheide und Spielregeln herbeigeführt, alles im Sinne der Spielregeln. Und jetzt, wo die Fakten vor uns liegen, denken wir, wir seien frei im Entscheiden. Aber schliesslich sind unsere Entscheide die Konsequenz aus allen unseren individuellen Veranlagungen – die durch die Spielregeln Gottes festgelegt wurden - und deren inhärentem Entscheidungssystem. Und deshalb kommt es immer wieder vor, dass verschiedene Menschen bei objektiv identischem Sachverhalt anders entscheiden, weil sie verschiedene Veranlagungen haben, anders „programmiert” sind und die Lage deshalb subjektiv anders beurteilen. Und darum gibt es nicht nur Meinungsverschiedenheiten, sondern auch Kriege und Kriminalität, denn Gott hat uns auch den Selbsterhaltungstrieb (Egoismus, Geltungstrieb, Machtgier, Misstrauen), den Fortpflanzungs (Sexual)trieb und andere Eigenschaften im Sinne von Spielregeln in sehr unterschiedlichen Dosierungen mit auf den Weg gegeben. Diese Eigenschaften sind zwar grundsätzlich lebensnotwendig, doch wenn im Übermass vorhanden, können sie als mitentscheidende Faktoren zu den erwähnten Auswüchsen führen. Wenn der Löwe die Antilope frisst oder die Katze den Vogel, dann sind das auch Auswirkungen der Naturgesetze und Spielregeln, obwohl das für die Antilope und den Vogel unerfreulich ist, weil es ihrem Selbsterhaltungstrieb widerspricht.
Was aber würden solche vorgegebenen Gesetzmässigkeiten und Spielregeln СКАЧАТЬ