Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ seine Prämien, sein Gewinn.«

      Die Betriebe im Sozialismus haben also von sich aus natürlich kein Interesse für Produktionsverbesserung oder gar Effizienz – im Gegenteil. Die Planvorgabe schafft den Anreiz, bei möglichst geringem Aufwand, möglichst geringer Qualität, möglichst vielen Arbeitskräften und möglichst großen zugeteilten Ressourcen das Plansoll gerade zu erfüllen. Eventuelle Überschussproduktion wird am Schwarzmarkt verkauft. Oder wie Stahlmann schreibt:

       »Die Betriebe scheinen also ein äußerst geringes Interesse zur Verwohlfeilerung zu haben, zumindest was ihre planmäßige Produktion betrifft. Der Widerspruch zwischen betriebswirtschaftlicher Vernutzungslogik und abstraktem Gesamtinteresse bedingt aber prinzipiell eine Tendenz der Unternehmen, Überschüsse über dem Plansoll schwarz zu verscherbeln und dabei nicht die schlechtesten auszusuchen, was besonders in der Landwirtschaft eine große Rolle spielt, aber auch im Investitionsgütersektor. Auf diesem Weg setzt sich die betriebswirtschaftliche Logik seit langem frei durch, ohne dabei das Plansoll zu verfehlen, allein mit verfügbaren Überschüssen, die legal oder illegal ein gigantisches Ausmaß erreicht haben: der Schwarzmarktumsatz in der Sowjetunion etwa wird auf 80 Mrd. Rubel geschätzt (Moscow news, Mai 89). Klar dürfte sein, dass hier das Privatinteresse überwiegt und der öffentlichen Knute so viel wie möglich versucht wird abzutrotzen. Ebenso klar dürfte geworden sein, dass es keine Einheit von einzelbetrieblichem und Gesamtinteresse gibt, dass die Betriebe zwar Produktion auf der Basis der Verwertung des Werts betreiben und die Planung kein anderes Ziel verfolgt als diesen Wert zu planen, beide aber bei aller Gutwilligkeit darüber in Widerspruch geraten.«

      Die Finanzierungs- und Abnahmegarantie führt im sozialistischen System dazu, dass die Qualität der Produkte in den Betrieben sukzessive sinkt. Hauptaugenmerk des Betriebes liegt einzig und allein auf der Erfüllung des Planes und dieser legt neben lächerlichen Qualitätsmerkmalen, die kaum jemand kontrolliert und für die bei Verfehlungen ohnehin der Staat geradesteht, nur Menge und Geldquantitäten fest. Letztendlich führen diese negativen Anreize über die Zeit hinweg zur Produktion des letzten Drecks. Nach Präsentation eines Zeitungsartikels der Nürnberger Zeitung aus dem Jahre 1990 mit dem Titel »Glas in der Sowjet-Wurst: Da graust es sogar Katzen«, fährt Stahlmann fort:

      »Prinzipiell kann zunächst einmal Scheiße produziert werden, dann wird im Nachhinein kontrolliert, der Kontrollinstanz können wieder Erleichterungen abgerungen werden, die dann wieder übertreten werden und am Schluss kommt hinein, was die Schamgrenze des Produzenten zulässt. Die Zentrale kauft dieses Produkt dann ab, der Betrieb verrechnet so viel Kosten wie möglich.« Natürlich gibt es auch im Sozialismus Sanktionen für die Produktion derart minderwertiger Produkte, doch werden diese so gut wie nie exekutiert. Zum einen sorgen die bürokratischen Wucherungen im Sozialismus immer wieder für Möglichkeiten der Bestechung und Korruption, zum anderen ist dieses Problem derart systemimmanent, dass eine rigorose Kontrolle der Betriebe einen noch aufgeblähteren Staatsapparat zur Folge hätte. Darüber hinaus, und das ist wohl der wichtigste Punkt, würden die Betriebe auf eine strikte Festlegung von Qualitätsmerkmalen mit der Forderung nach noch mehr Ressourcen, noch mehr Arbeitskräften, noch späterem Termin zur Auslieferung und noch höheren Kosten reagieren. Dass das sozialistische System an sich die fleischgewordene Ineffizienz ist und daher bereits vor einer ohnehin nie anstehenden Einführung einer strikten Qualitätskontrolle maßlos in Bürokratie und Verschwendung versinkt, wird wohl kaum jemand zugeben, sodass diese Forderungen dann auch berechtigt erscheinen.1 Ebenso sorgt, zusätzlich zur Arbeitsplatzgarantie2 und der systemimmanenten Faulheit beim Arbeiten, diese Finanzierungs- und Abnahmegarantie für einen gewaltigen Geldüberhang, d.h. es wurde zur Regel, dass die im System angelegte Kosteninflation durch Geldinflation, d.h. durch die Notenpresse beglichen wird. Der Weg zur Notenpresse ist kein besonders großer, denn wo Politiker Zugang zur Notenpresse haben, wird dieses Privileg auch für politische Interessen genutzt und gerade im Sozialismus ist dieser Gang unausweichlich. Die Liste für die systemimmanente Inflation im Sozialismus ist lang. Die wichtigsten Punkte sind:

       a) Planungsfehler: Produktions- und Bedürfnisstruktur sind nicht aufeinander abgestimmt (Mangelgüter einerseits, Überschussgüter andererseits)1

       b) Offizielle und tatsächliche Produktionsziffer weichen voneinander ab (Abrechnungs- und Buchungstricks auf betrieblicher Ebene)2

       c) Ein wachsender Anteil an der Produktion diente nicht-konsumtiven Zwecken (Außenpolitik, Mauerbau, Rüstung, Weltraum, Olympiasiege)

       d) Wegen fehlender Zinsen überstieg die Investitionstätigkeit die Spartätigkeit

       e) Wachsende Defizite im Staatshaushalt (Subventionsfolgen) und deren Finanzierung durch die Notenbank

       f) Finanzierung ineffizienter Betriebe mit Zentralbankgeld (sog. soft budget constraints)3

      Um diese Inflation im Keim zu ersticken, kommen Preisfixierungen und Subventionen. Die Folgen sind natürlich Verknappungen, Schlangenbildungen vor Geschäften und im schlimmsten Fall Hungertote, denn eins werden Sozialisten nie begreifen: Angebot und Nachfrage sind keine kapitalistischen Erfindungen. Sie wirken immer.

      Die Abnahmegarantie und die fehlende billige Konkurrenz haben aber noch wesentlich weitreichendere Folgen. Stahlmann schreibt:

       »Durch die Abnahmegarantie verschärft sich die Tendenz zur Anhäufung ›abstrakter‹ Arbeit‹ vom bloßen Desinteresse an Kostensenkung auf Grund der rein quantitativen Planung zum positiven Interesse, die Kosten möglichst zu steigern, da ein billigerer Produzent sich kaum melden wird, denn die Finanzierung ist so oder so gesichert. Damit aber ist der Stachel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität gleichsam abgeschnitten, vor allem in der Hinsicht, dass es keinen Grund gibt, lebendige Arbeitskraft freizusetzen, denn sie gilt ja per se als wertschöpfend und wird deshalb unabhängig von ihrer Notwendigkeit finanziert. Die famose Arbeitsplatzgarantie ist also eine Form der Wertfinanzierung, mit den gleichen Folgen: ›Zum Beispiel hat sich der Direktor einer Gerätebaufabrik im Nowosibirsker Raum, darüber beklagt, dass rund ein Drittel seiner 600 Mitarbeiter im Sommer für drei bis vier Monate ‚verschwände’, um Erzeugnisse aus dem eigenen Garten zu verkaufen. Daran verdienen sie offenbar mehr als in ihrem Betrieb.‹ Hewett, 1989, S. 32«4

      Im Sozialismus gibt es eben keine Arbeitslosigkeit. Jeder gilt als beschäftigt, auch wenn er mit nichts beschäftigt ist. Die »Parkinsonschen Gesetze«1, die im Kapitalismus soziologische Ärgernisse darstellen, werden im Sozialismus sozusagen zur »Staatslehre«. Tatsächlich aber lässt sich auch im Sozialismus Arbeitslosigkeit nachweisen, geht man nach der Grenzproduktivitätstheorie, nach welcher Arbeitslosigkeit vorliegt, wenn die Arbeitsproduktivität eines Arbeiters (gemessen an einem Warenkorb) unter den jeweiligen Entlohnungen liegt (gemessen in Einheiten desselben Warenkorbs). Auch hier sind die Ursachen evident: Hortung von Arbeitskräften, Durchschleppen von bankrotten Firmen, die Schrott produzieren, Versorgungsengpässe bei Rohstoff- und Transportkapazitäten, große Reparaturkolonnen wegen oft fehlender Ersatzteile oder wegen des völlig überalterten Produktionsapparates. Gerade der fehlende Druck zur Modernisierung der Betriebe lässt die kapitalismuskritische Einstellung vieler Umweltschützer oft fragwürdig erscheinen. Der Kapitalismus betreibt zwar den wesentlich schlimmeren Raubbau an der Natur, bei der allgemeinen Umweltverschmutzung aber steht der Sozialismus dem Kapitalismus in nichts nach. Der Kapitalismus, verstanden als durch und durch privatisierte Welt des Eigentums, müsste sogar sauberer wirtschaften, weil die Verseuchung eines privaten Gebietes (auch Gewässer) mit Chemikalien Entschädigungsforderungen des jeweiligen Eigentümers nach sich zöge. Anderseits aber sorgt im Kapitalismus der Schuldendruck für einen wesentlich höheren Output an Müll und Abgasen, sodass sich insgesamt die Umweltverschmutzung eines überbevölkerten Staatssystems in Waage halten dürfte, egal welches ideologische System darin implementiert wurde. Wir sehen also: Im Gegensatz zur kapitalistischen Wirtschaft gibt es in der sozialistischen Produktion keinen Zwang zur СКАЧАТЬ