Baskische Tragödie. Alexander Oetker
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Название: Baskische Tragödie

Автор: Alexander Oetker

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Ужасы и Мистика

Серия: Luc Verlain ermittelt

isbn: 9783455009774

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СКАЧАТЬ machte diesen kleinen Umweg zur sagenumwobenen Brücke über den Felsen, weil er immer noch wie einer der anderen Urlauber aussehen wollte – kein schnelles Eilen irgendwohin, das wäre ein Fehler. Er ging die paar Schritte zu der alten Eisenbrücke mit ihren Holzbohlen, die kein Geringerer als Gustave Eiffel erdacht hatte, dem Paris sein Markenzeichen verdankte. Sie führte hinüber auf die schroffen Felsen mitten im Ozean, dann kam ein steinerner Tunnel, auf dem eine weiße Madonnenstatue stand. Luc beugte sich über die Brüstung und sah den Felsen, der von Jahrtausenden Sturm und Wellen geformt worden war – sie hatten ein riesiges Loch hineingearbeitet, sodass auch der Fels selbst eine Brücke war –, und die weiße Brandung, die an das Riff schlug. Ein ganz und gar magischer Ort.

      Dann bemerkte er im Augenwinkel eine Person. Offenbar schien er selbst dem Mann mit der Schirmmütze schon vor einigen Sekunden aufgefallen zu sein, denn der griff gerade nach seinem Funkgerät, Luc fest im Blick. Der Commissaire scannte die uniformierte Gestalt. Keine Waffe am Gürtel. Police municipale, die städtische Polizei. Ein Glück. Luc entschied sich in Sekundenbruchteilen: Er rannte los. Ohne zurückzusehen.

      Auf einmal schrillte eine Pfeife hinter ihm.

      »Halt, Polizei!«, rief der Polizist, und Luc hörte seine Schritte auf dem Pflaster. »Ich habe den Flüchtigen entdeckt«, gab der Polizist per Funk weiter, »am Aquarium, ich brauche hier Verstärkung, beeilt euch.« Der Commissaire hörte die Antwort: »Vorsicht, er könnte bewaffnet sein.«

      Luc hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, wie sie darauf kamen – er hatte keine Waffe, sie hatten sie ihm abgenommen, warum also gaben sie ihn als eine Gefahr aus? Was war hier los?

      Er beschleunigte. Doch er lief nicht stadtauswärts, er kannte die Gegend, dort war nur die steile Bergstraße, die auf der einen Seite von Villen wie der alten Villa Belza begrenzt war, eine echte Landmarke für die Stadt Biarritz, mit ihren Türmchen, die sie wie ein Geisterschloss wirken ließen. Auf der anderen Seite waren die steil abfallenden Klippen, die herabführten zum Plage de la Côte des Basques. Er hatte keine Chance, egal, ob sie ihn zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit dem Auto verfolgten. Es blieb ihm nur eine Möglichkeit, und die ergriff er: Er wetzte auf den Tunnel zu, das einzige Nadelöhr. Wenn er hier schnell war, dann könnte es gelingen. Er hörte immer noch die Schritte des Polizisten hinter sich, doch die Rufe »Bleiben Sie stehen, Polizei!« blieben immer weiter hinter ihm zurück. Luc hatte viel trainiert in den letzten Wochen, vielleicht zahlte sich das jetzt aus. Schon sah er das Licht am Ende des Tunnels, dann rannte er hinaus und nahm hinter den blühenden Hortensienbüschen die Treppe zu seiner Rechten, das alte Geländer aus verzierten Steinen, die Stufen führten ihn hinauf in die verwinkelte Altstadt.

      Er drehte sich um, sah den Abhang und dahinter das Meer, hellblau und glänzend. Der junge Polizist war eben erst am Fuß der Treppe angelangt.

      Die Passanten drehten sich nach ihm um, als er an ihnen vorbeirannte, er spürte ihre verwirrten und ärgerlichen Blicke im Rücken. Es war noch zu leer hier, zu viel freie Fläche, er war das perfekte Ziel, dachte er, als er an der alten Kirche Notre Dame du Rocher vorbeiflog, die langen Schatten der grauen Mauern fielen auf ihn, er drehte sich um, der junge Mann schien näherzukommen. Aus der Ferne hörte er Sirenen, die sich rasch näherten. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Die Nacht in einer Zelle … Er durfte nicht nachlassen …

      Er wandte sich nach rechts in die Rue Gambetta, auf einmal waren hier viel mehr Menschen, fein gewandete ältere Flaneure, die Arme mit Tüten behangen, dazu eine Gruppe junger Leute, die Surfbretter unter die Arme geklemmt hatten.

      Noch zweihundert Meter. Er rannte nicht mehr auf dem Trottoir, weil dort einfach zu viel los war, sondern nahm die Straße, hinter ihm hupte ein Wagen, er drehte sich um, kein Polizeiauto, Gott sei Dank, aber sie kamen näher, keine Frage. Dort, vielleicht hundert Meter hinter ihm, wippte die Schirmmütze des Polizisten auf und ab, er rannte wie der Teufel.

      Doch dann war Luc da, wo er sein wollte. Würde sein Vorsprung reichen? Die automatische Tür schwang auf, er rannte in die erste Halle, machte aber gleich darauf einen Schlenker und nahm die Seitentür wieder hinaus, an der Wand entlang und dann in die zweite Halle, die mit dem markanten Geruch. Er bremste ab, zwang sich zu einem gelassenen Schritt und ruhigerem Atem. Er wählte den rechten Gang, dort war am meisten los, es war bald Mittagszeit, ideal, um in der riesigen Markthalle unterzutauchen. Zu dieser Stunde kauften die Hausfrauen den Poisson du jour für den Abend, während die Touristen für einen feinen Imbiss aus Austern und Crevetten an der Theke des lokalen Austernzüchters anstanden.

      Er war lange nicht mehr hier gewesen, sicher mehr als ein Jahrzehnt nicht, doch die Markthalle hatte sich überhaupt nicht verändert. Mit ihren roten Streben unter der weißen Decke und den rot-weiß-grünen Flaggen überall war sie wie eine Landmarke für das Baskenland. Sein Blick wanderte zu dem Eingang, durch den er gekommen war, doch noch war niemand hier. Sie würden hoffentlich zuerst die Markthalle nebenan absuchen, dort gab es Blumen, Obst, Gemüse und Fleisch. Und acht Ein- und Ausgänge. Genau wie hier, in der Fischhalle.

      Luc tat so, als wäre er ein Tourist, ging langsam an den breiten Tischen vorbei, die unter ihrer Last aus Eis und frischen Fischen beinahe zusammenbrachen. Er stand eine Weile da und bemühte sich, möglichst versunken zu wirken, versunken in den Anblick der Jakobsmuscheln, die zwischen Perlmutt und einem dunklen Rot changierten, den dicken Langusten, den Seezungen, die übereinanderlagen und deren Augen so klar in den Raum zu blicken schienen – beste Ware, am Morgen frisch am Hafen angelandet. Vor allem aber prüfte Luc mit möglichst beiläufigen Blicken die Lage an den Türen.

      Wieder ging er einen Stand weiter, eine ältere Dame mit Einkaufstasche feilschte mit einer Fischverkäuferin in blutbeschmierter Schürze um den fairen Preis für chipirons, die winzigen Calamaretti, die sich so gut auf der Plancha machten.

      »Und, Monsieur …? Der Wolfsbarsch ist der Hammer, gerade frisch reingekommen.«

      Luc erschrak fast, er hatte den Fischer nicht kommen sehen, der nun neben ihm stand, in den Händen einen Fisch, der mit seinen glänzenden Schuppen wirklich sehr fein aussah.

      »Merci, Monsieur«, antwortete Luc, »aber ich bin nur auf der Durchreise, ich habe derzeit nicht wirklich Zeit zum Kochen und …«

      Er sah den Polizisten, bevor der ihn erblickte, er kam eben zu der Tür herein, die der zweiten Markthalle am nächsten war. Luc drehte sich um und sah von weiter hinten eine andere Uniformierte eintreten, die sich den linken Gang vornahm.

      »Schönen Tag, Monsieur.«

      Luc löste sich, der junge Polizist steuerte nun den rechten Gang an, doch er kam nicht gut voran, weil eine Gruppe deutscher Touristen den Weg versperrte, sie bestellten gerade recht umständlich Austern und Weißwein, und das verschaffte Luc die entscheidenden fünf Sekunden. Er ging betont langsam zur Mitte der Halle, warf einen kurzen Blick zum Haupteingang, dann einen Blick zurück, sie hatten ihn immer noch nicht entdeckt, und schon schlüpfte er durch die automatische Schiebetür und sah den blauen Himmel über sich. Die beiden Polizeiwagen standen mit eingeschaltetem Blaulicht auf der Rue Gambetta und blockierten den Weg, doch es saß niemand darin. Die Beamten waren in der Markthalle. Luc beschleunigte seinen Schritt. Er war entkommen.

      Doch das Gefühl der Freiheit wollte sich nicht einstellen.

       Was – verdammt – war hier los?

      Bootsanleger, Avenue des Mimosas, Hendaye Mardi 30 mai, 17:30

      In der Schlange, die am Hafen wartete, herrschte ein Stimmgewirr, dass Luc ganz schwindlig wurde. Die Menschen sprachen Französisch, lautes Spanisch, sogar Baskisch hörte er heraus, Englisch, Deutsch, auch eine chinesische Reisegruppe wartete auf die Überfahrt.

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