Название: Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen
Автор: Pete Hackett
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745212372
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"Eine Krähe!", stellte Sally erstaunt fest.
Unwillkürlich erschienen vor ihrem geistigen Auge wieder die bedrohlichen Bilder, die sie am Nachmittag gesehen hatte. Aber dies war nur ein einzelner Vogel, der vermutlich durch das offene Fenster hereingekommen war und jetzt den Weg nicht wieder hinaus fand.
"Ist etwas passiert, Mrs Carson?", rief plötzlich eine männliche Stimme.
Es war Charles, der wohl herbeigeeilt war, weil er Dorothys Schrei gehört hatte.
"Sie sind hier, sie sind hier...", stammelte Dorothy. Sie barg das Gesicht in den Händen.
"So beruhigen Sie sich doch, Madam!" Charles hatte Dorothy bei den Schultern gefasst und versuchte, sie aus dem Raum zu führen. Aber Dorothy war stocksteif. Sie zitterte leicht.
In diesem Moment unternahm der Vögel einen erneuten Versuch und schaffte es, durch das Fenster wieder hinaus ins Freie zu gelangen.
"Nichteinmal das Haus ist jetzt noch vor ihnen sicher", murmelte Dorothy. Sie war halb von Sinnen und der Butler machte ein ziemlich ratloses Gesicht.
"Es ist doch nichts passiert, Mrs Carson!", gab Sally zu bedenken. "Beruhigen Sie sich! Es war nur ein Vogel, der nicht mehr zurückkonnte... Jemand muss das Fenster aufgelassen haben."
Sallys Blick traf sich mit dem von Dorothy und die beiden Frauen sahen sich einen quälend langen Augenblick nachdenklich an. Schließlich atmete Dorothy tief durch und ihr Gesicht entspannte sich leicht.
"Natürlich", sagte die alte Dame dann. "Sie haben recht. Gehen Sie gleich an Ihre Arbeit. Je schneller Sie fertig sind, um so besser!" Und während sie das sagte, ballten sich ihre Hände zu Fäusten, so dass die Knöchel ganz weiß wurden.
"Wie Sie wünschen", erwiderte Sally stinrunzelnd.
"Passen Sie auf sich auf, Miss Rogers." Ein düsterer Unterton schwang in Dorothys Stimme mit, ein Unterton, der Sally aufhorchen ließ.
"Wie meinen Sie das?"
Dorothy trat nahe an Sally heran. "Ich habe Ihnen doch von meinem Mann erzählt..."
"Ja."
"Auch ihn traf das Unglück ganz plötzlich, ohne Vorwarnung... Man weiß nie, wo die Mächte des Bösen auf einen lauern, Miss Rogers... Also seien Sie vorsichtig!"
13
Als erstes begann Sally, sich einen groben Überblick über den Bestand zu machen. Aber das war leichter gesagt, als getan, denn auch in dem dritten Raum befanden sich noch einige Kisten mit Büchern.
Allerdings stellte sie bald fest, dass diejenigen, die die Sammlung zusammengepackt hatten, dabei keinerlei Ordnung eingehalten hatten. So lagen wertlose Unterhaltungsromane neben antiquarischen Kostbarkeiten.
Schon bald war der jungen Frau klar, dass sie eine ganze Weile brauchen würde, um alles zu katalogisieren und auch nur annähernd einen Überblick zu schaffen.
Aber das würde die Mühe sicher wert sein. Denn je länger sie in den Büchern herumstöberte, desto interessantere Funde machte sie. Da war beispielsweise eine alte Familienchronik, annähernd 200 Jahre alt, wie Sally schätzte. Und dann waren da einige Bände eines Lexikons aus der Zeit Königin Viktorias. Was es wert sein würde, das hing unter anderem auch davon ab, ob sich die anderen Bände noch in einer der Kisten befanden. Allerdings gelang es Sally nur halb, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Die ganze Zeit über, in der sie mit den alten, staubigen Bänden allein war, klangen die düsteren Andeutungen in ihr nach, die Dorothy gemacht hatte. David hatte sie ja vorgewarnt. Und er hatte wahrlich nicht übertrieben. Dorothy Carson war alles andere als eine gewöhnliche Frau. Wie muss sie ihren Mann geliebt haben!, ging es Sally durch den Kopf. Jedenfalls hatte sein Tod sie wohl ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Und das, obwohl dieses Ereignis doch schon so lange Jahre zurücklag. Und dann musste sie an das seltsame Gespräch im Flur denken, das sie mitbekommen hatte. Wer mochte dieser Heyward sein, der offenbar - genau wie Dorothy - davon ausging, dass die Toten nicht wirklich tot waren. Darauf konnte Sally sich keinen Reim machen. Sie atmete tief durch und wischte den Staub von einem dicken Folianten, den sie gerade aus einem der Kartons herausgegraben hatte. Dieser Landsitz hatte eine düstere, unwirtliche Atmosphäre - und diese hatte auch schon deutlich auf ihr Gemüt abgefärbt. Sie stand auf und ging zum Fenster, um es zu öffnen. Die Luft in diesen modrigen Räumen schien ihr auf einmal unerträglich stickig. Sie riss das Fenster auf. Auf dem Dach des Nebengebäudes sah sie ein halbes Dutzend Krähen sitzen, deren kalte Augen in ihre Richtung starrten und sie zu mustern schienen. Sally musste unwillkürlich schlucken.
14
Etwa eine Stunde später tauchte Charles, der Butler auf, um Sally zum Diner zu bitten.
"Hat sich Mrs Carson etwas erholt?", erkundigte sich Sally.
Charles nickte.
"Ja. Sie hat etwas geschlafen und fühlt sich jetzt besser."
"Das freut mich."
Als der Butler sie dann ins Esszimmer führte, erlebte sie eine freudige Überraschung. Am Tisch saß nämlich niemand anderes als David, der sie mit einem freundlichen Lächeln empfing.
"Sally!" Er stand auf und ging ihr entgegen.
"Ich freue mich, dich zu sehen David!"
"Ich bin schon etwas länger hier, aber man sagte mir, dass ich unmöglich zu dir könnte."
"Warum das denn?"
"Du wärst bei der Arbeit und dürftest nicht gestört werden! Strengste Anordnung von Tante Dorothy, der unbedingt Folge zu leisten ist!" Er lachte und auch über Sallys Gesicht huschte ein Lächeln. Er nahm sie kurz in den Arm und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Sie nahm seine Hand und ihre Blicke trafen sich. In all dieser Düsternis schien er der einzige zu sein, der etwas Fröhlichkeit und Leichtigkeit verkörperte. Obwohl er den Namen Carson trug, so wirkte er doch wie ein Fremdkörper inmitten dieses düsteren Hauses. Jedenfalls hatte er nichts von der Art seiner Tante und das beruhigte Sally. David sah sie an und runzelte dann die Stirn.
"Du siehst recht geschafft aus, Sally. Der erste Tag hier scheint dich ja ziemlich mitgenommen zu haben."
Sie nickte. "Das kann man wohl sagen...", murmelte sie.
Eigentlich hatte sie gar nicht davon anfangen wollen, aber nun war es ihr einmal über die Lippen gegangen.
"Was ist passiert?"
"Naja, erst hatte ich eine Autopanne und dann fühlte ich mich unvermittelt in Hitchcocks 'Die Vögel' hineinversetzt, als plötzlich ein ganzer Schwarm Krähen angriff, der sich dann glücklicherweise mit einem Lamm begnügt hat. Für den ersten Tag reicht das vollkommen an Aufregung..."
Sally hörte auf zu sprechen, als sie die Tür knarren hörte.
Dorothy war eingetreten. Wie viel die alte Dame von dem Gespräch mit angehört hatte, war schwer zu sagen. Jedenfalls ruhte ihr falkenhafter, von Angst und Misstrauen geprägter Blick in diesem Moment auf David. Der junge Mann schien sich in seiner Haut СКАЧАТЬ