Название: Zurück im Zorn
Автор: Christoph Heiden
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839263600
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»Hast du deswegen sein Bild …«
»Halt die Klappe«, unterbrach sie ihn. »Wenn man oft genug Prügel kriegt, lernt man, wo es wehtut.«
»Also doch ’ne Drohung?«, wollte Willy wissen, und Lisbeth funkelte ihn über ihre Tasse hinweg an, die Hände indessen ganz ruhig, der Mund verschlossen. »Ich hab dich was gefragt.«
»Spar dir die Spucke«, kläffte sie. »Du hast mich verstanden und damit basta.«
Er kapitulierte, und sie nippten stumm an ihren Tassen, ließen dabei einander nicht aus den Augen, wahrten den Frieden. Schließlich trat Lisbeth an den Küchenofen und bückte sich.
»So«, stellte sie fest. »Deine Botten sind trocken.«
Willy mangelte es an der passenden Reaktion; ein Spruch oder ein Grinsen wollten ihm nicht gelingen, und bevor er sich bei einer Lisbeth Berger bedankte, hätte er eher seine Zunge verschluckt. Also stierte er auf seine Schuhe, bis Lisbeth sagte:
»Soll ich sie dir noch anziehen, oder was?«
Er kroch hinterm Tisch hervor, und sobald er sich dem Ofen näherte, griff sie nach dem Beil und rückte auf Distanz. Er trug seine Schuhe wie ein braves Kind in die Diele und schlüpfte dort unter Mamas wachsamem Blick hinein.
»Martins Tage in Freiheit sind gezählt, das versprech ich dir.«
»Er ist geheilt. Das haben ihm die Ärzte bescheinigt.«
»Mag sein«, sagte Willy und schnürte sich die Schuhe zu. »Aber wer wegen Hämorrhoiden zum Arzt geht, wird wohl kaum am Kopf operiert.«
»Haste so ’ne Rede auch im Pub geschwungen?«
Sein Auftritt am Donnerstag hatte offenbar die Runde gemacht. Er zog den Schnürsenkel seines linken Schuhs so fest, dass ihm der Spann schmerzte, dann reckte er sich hoch und wandte sich in der Haustür ein letztes Mal um. Lisbeth, die auf der Schwelle zur Küche stand, beäugte jeden seiner Schritte.
»Martin braucht seine Koffer erst gar nicht auszupacken.« Ihm gelang ein breites Grinsen. »Ich hab neue Beweise, Lisbeth.«
Mit Genugtuung bemerkte er das Zucken ihres Unterkiefers, sah das Beil in ihrer Klaue beben, ihre ganze herrliche Ratlosigkeit. Er trat aus dem Haus und stapfte, ohne sich nochmals umzudrehen, über den Schnee in Richtung Auto. Als er die wohltuende Ofenwärme in den Schuhen spürte, hasste er Lisbeth Berger mehr denn je.
Wer kennt den nicht
David hatte sie in den Speisesaal bugsiert, zu einem der leeren Tische, fern der Pensionsgäste. Er servierte ihr ein Frühstück aus Kaffee, Konfitüren und Toast, dann pendelte er zwischen ihr und dem Wintergarten hin und her, räumte dort Tische ab und sorgte dafür, dass stets volle Kaffeekannen vorrätig waren. Sobald er sich ihr näherte, tastete sie unauffällig an ihrer Jeans nach einer offenen Naht.
»Sind deine Eltern unterwegs?«
»Ja«, sagte er und begab sich hinter die Bar. »Tagsüber manage ich den Laden allein.«
»Die ganze Pension?«
»Du siehst ja, ich arbeite mich nicht gerade tot.«
»Läuft wohl nicht so gut?«
»Na ja, die Bar ist über ’n Sommer kaum leerer geworden.«
Anna lehnte sich zurück und blinzelte gegen die aufkommende Müdigkeit an. Drei Fenster in der Größe von Kellerluken spendeten gerade so viel Licht, dass man zwischen Tag und Nacht unterscheiden konnte. Entlang der Wand eine Reihe Tische, die jeweils mit Servietten, einem Teelicht und einer Getränkekarte bestückt waren; rechts von ihr ein schmuckloser Tresen, der gleichzeitig als Bar und Rezeption fungierte. In einer unbeleuchteten Nische stand ein Klavier, schwarz, dekorativ und dennoch versteckt.
»Und spielst du wieder Elton John?«
»Wir lassen fast nie Musik laufen.« David nahm ein Glas vom Regal, pustete hinein und polierte es mit einem Geschirrtuch. »Die Alten wollen ihre Ruhe.«
»Ich meinte am Klavier.«
Er hielt inne und starrte über den Tresen in die Nische. »Das Ding rühre ich nicht mehr an.«
»Warum hast du damals eigentlich aufgehört?«
»Ich hatte andere Interessen.«
»Als Klavierspielen und Gedichte zu schreiben?«
»Ich war 16, Anna. 16.«
»Die Mädels haben dich jedenfalls angehimmelt.«
»Vielleicht hab ich genau deshalb aufgehört.«
Mit einem Grinsen schwang sich David das Geschirrtuch auf die Schulter. Sein kakifarbenes Hemd war bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und hing lässig über seine Jeans; die Haare fielen ihm in die Stirn, wobei die Seiten auf wenige Millimeter gestutzt waren. Er hätte auch als Sozialarbeiter durchgehen können, allein sein Lächeln würde die richtigen Leute, insbesondere die Damen vom Jugendamt, dazu ermuntern, allerlei Töpfe zu öffnen. David kam hinter dem Tresen hervor, nahm ihr gegenüber Platz und schob ihr einen Schlüssel hin.
»Ist der für mich?«
»Für dein altes Zimmer.«
»Das existiert noch?«
»Irgendwie schon.«
Er schenkte sich Kaffee ein, stützte die Ellbogen auf und nahm einen Schluck. Über die Tasse hinweg bemerkte er:
»Du hättest ruhig anrufen können.«
»Weil ich euch besuchen will?«
»Ja.«
»Ich wusste nicht, dass ich mich anmelden muss.«
»Das habe ich nicht gesagt.« Er blieb die Ruhe in Person, während ihre Finger einen losen Faden an ihrer Jeans aufspürten. »Wir hätten uns Zeit nehmen können, deswegen.«
»Ich wollte euch nicht aus euerm Alltag reißen.«
David betrachtete sie mit seinen großen kindlichen Augen, als zeige sie einen Zaubertrick, der bei ihm anstelle von Erstaunen bloß Skepsis verursachte. Sie langte nach einer Scheibe Toast, biss hinein und kaute mechanisch; nur mit Mühe bekam sie den Bissen runter. »Ich muss dich mal was Blödes fragen«, sagte sie vorsichtig.
»Tu dir keinen Zwang an.«
»Ich meine, was echt Blödes.«
»Kein Problem. Schieß los.«
»Habt ihr in letzter Zeit komische Briefe bekommen?«
»Ja, einen.«
»Wirklich?«
»Ein Pärchen aus Hamburg hat uns geschrieben, sie würden uns total vermissen. Wir sind quasi deren zweite Familie.«
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