Название: Die Erleuchtung der Welt
Автор: Johanna von Wild
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839260142
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Der Tagelöhner sah sie aufmerksam an.
»Ich würde gerne Greta zu mir nehmen. Die Mutter wird ihr fehlen, sie ist ja noch so klein, und ich kann deine Tochter vieles lehren. Was meinst du?«
Stumm dankte Wigbert dem Allmächtigen für diese Frau. Eine Sorge weniger.
»Anna, dich schickt der Himmel. Du glaubst gar nicht, was für eine Last du mir damit von den Schultern nimmst. Meine Greta kann auch schon spinnen, sie ist sehr geschickt mit ihren kleinen Fingerchen.«
»Gut, dann schick sie morgen zu mir. Brauchst du noch etwas? Ich helfe euch gern, wenn ich kann«, bot Anna ihm an.
»Nein, du hilfst mir schon damit, wenn du Greta zu dir nimmst. Vielleicht finde ich ja auch Arbeit für Helena. Oder am besten gleich einen Mann. Sie wird bald zwölf, alt genug, um zu heiraten.«
Anna runzelte die Stirn. Sie war der Meinung, zwölf Jahre alte Mädchen waren noch halbe Kinder und viel zu jung, um verheiratet zu werden. Die meisten Mädchen dieses Alters erlitten Furchtbares in der Hochzeitsnacht. Wurden sie nicht gleich schwanger, was bei den wenigsten der Fall war, hatten sie nahezu jede Nacht ein Martyrium zu erdulden.
»Ich würde mir das noch mal überlegen, Wigbert«, sagte sie vorsichtig, denn die meisten Männer mochten keine Ratschläge von Frauen. »Schließlich hast du dann keine Frau mehr im Haus. Meinst du, Siegfried übernimmt die Hausarbeit und backt Brot?«
Dafür erntete sie tatsächlich zustimmendes Kopfnicken. Offenbar hatte Wigbert darüber noch gar nicht nachgedacht. Er hielt ihr die Hand hin.
»Abgemacht, Greta geht zu dir.«
Anna nahm die dargebotene Rechte und freute sich, die bildhübsche Helena erst mal vor Schlimmerem als einem Hungerwinter bewahrt zu haben.
1428
Heidelberg, Januar
Kurfürst Ludwig war krank von der Pilgerfahrt ins Heilige Land nach Schloss Heidelberg zurückgekehrt. Auch die Pilgerreise hatte ihm den Schmerz über den frühen Tod seines Sohnes Ruprecht, der aus der ersten Ehe mit Blanca von England stammte, nicht nehmen können. Blanca selbst war viel zu früh mit nur siebzehn Jahren am Wechselfieber verstorben, und Ludwig hatte Ruprecht als seinen Thronfolger angesehen. Nachdem dieser vor zwei Jahren seiner Mutter ins Grab gefolgt war, hatte Ludwig die Pilgerfahrt unternommen. Zuvor hatte er mit seinem jüngsten Bruder Otto einen Vertrag über gegenseitige Beerbung geschlossen, und für den Fall, sollte er auf der Reise sterben, diesem die Vormundschaft für seine Kinder übertragen. Außerdem hatte Otto stellvertretend während Ludwigs Abwesenheit die Regierungsgeschäfte mit den kurfürstlichen Räten übernommen. Auf Otto war Verlass.
Das Augenlicht des Kurfürsten wurde zusehends schlechter, und das Lesen, das er so liebte, immer schwieriger.
»Ich vermache meine kostbaren Bücher und Handschriften der Universität«, eröffnete Ludwig seiner Frau, »damit das Wissen all jener Gelehrten, die sie geschrieben haben, künftig den Studenten frei zur Verfügung steht und nicht verloren geht.«
Er nahm einen Schluck Wein aus dem silbernen Pokal und bedeutete einem Diener, ihm ein weiteres Stück Fasan auf den Teller zu legen. Matilde nickte zustimmend und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. »Meister Jorg wünscht, dass du dir die Fortschritte am Langhaus der Heiliggeistkirche ansiehst.«
Ludwig nickte versonnen.
»Ich hoffe, ich erlebe die Fertigstellung noch, es geht mir manches Mal nicht schnell genug voran«, seufzte er. Dann wandte er sich an seine Ratgeber, die mit an der hohen Tafel saßen. »Sigismund will neue Truppen aufstellen …«
»Vater, Vater«, platzte plötzlich seine Tochter Mechthild, die bald ihren neunten Geburtstag feiern würde, aufgeregt mitten in die Unterhaltung. »Ich kann Verse von Petrarca aufsagen. Wollt Ihr sie hören?«
Eigentlich hätte Ludwig seiner Ältesten eine Rüge erteilen sollen, konnte aber ob ihrer kindlichen Freude ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Außerdem war er stolz auf sie. Es erfüllte ihn mit Freude, dass sie, genauso sehr wie er, die Liebe zu Büchern teilte. Erst neulich hatte sie ihn zum Lachen gebracht, als er sie mit zur Universität genommen hatte, und Mechthild ein wunderbar verziertes Buch ehrfürchtig berührt und an ihm geschnuppert hatte, den Geruch der alten Seiten tief einatmend. Auf ihren Gesichtszügen hatte ein seliges Lächeln gelegen.
›Nichts riecht so gut wie Papier und Pergament‹, waren ihre Worte gewesen.
»Dann lass uns teilhaben an deinem neu erlernten Wissen.«
Mechthild gab fünf Verse zum Besten, genoss den höfischen Applaus.
»Sehr gut, mein Kind«, lobte Ludwig. »Doch nun denke ich, ist es an der Zeit, zu Bett zu gehen. Jedenfalls für dich«, fügte er hinzu und strich ihr sanft über die Wange.
Nur selten zeigte Ludwig seine Zuneigung zu seiner Tochter so offen. Sie war ein außerordentlich kluges Geschöpf, und bereits jetzt erkannte man, dass sie auch zu einer bildschönen Frau heranwachsen würde. Graf Ludwig von Württemberg konnte sich glücklich schätzen, in einigen Jahren Mechthild als seine Frau heimzuführen. Die Verlobung zwischen dem sieben Jahre älteren Ludwig war bereits acht Monate nach Mechthilds Geburt arrangiert worden. Der Kurfürst konnte nur hoffen, dass Mechthild und ihr zukünftiger Gemahl auch miteinander glücklich wurden. Manch vereinbarte Ehe glich mehr einer Heimsuchung und verursachte den Eheleuten nichts als Kummer.
»Der Kaiser plant eine Steuer, um neue Truppen ausheben zu können«, nahm Ludwig den Faden wieder auf, nachdem die Kinderfrau Mechthild an der Hand genommen und aus der Halle gebracht hatte.
»Er wird schon Hussitenpfennig genannt«, warf einer seiner Ratgeber ein.
»Die Hussiten werden nie Ruhe geben, fürchte ich. Seit der Häretiker Jan Hus in Konstanz verbrannt wurde, folgt ein Kreuzzug dem nächsten.«
»Und dieser verdammte, verzeiht, Euer Durchlaucht …«, unterbrach sich der Rat selbst, doch der Kurfürst winkte ab. »Prediger Prokop wird mit jedem Sieg über die Kaiserheere stärker. In Böhmen steht bald kein Stein mehr auf dem anderen.«
Kurfürst Ludwig seufzte. Er würde seinem Bruder, Pfalzgraf Johann, dessen Land an Böhmen grenzte, weiterhin beistehen müssen. Lieber wäre ihm, er könnte das Geld, das Kriege verschlangen, dafür nutzen, um noch mehr Bücher und Handschriften für seine Bibliothek zu erwerben.
Wigbert saß derweil betrunken in einem Wirtshaus in Neckargemünd, dabei war es noch nicht einmal Mittag. Seit Margrets Tod hatte er sich mehr und mehr in den Suff geflüchtet, die Anzahl der Münzen in der kleinen Truhe war dramatisch zusammengeschrumpft. Nur ab und an fand er Arbeit als Tagelöhner, was im Winter ohnehin schwer war. Zudem sprach es sich langsam herum, dass Wigbert mehr trank, als ihm guttat, sodass die Handwerker lieber jemand anderen für Handlangerdienste einstellten. Nie hätte Wigbert für möglich gehalten, wie sehr ihm seine Frau fehlte.
Helena hielt das Haus zwar in Ordnung, flickte Kleidung, buk Brot, doch sie war kein Ersatz für seine geliebte Margret. Vor allem schlich sie sich, wann immer es ging, zu den Ställen eines Großbauern, der vier Pferde sein eigen nannte. Helena war verrückt nach den Tieren, liebte ihre Sanftheit und die Ruhe, die sie ausstrahlten. Wie oft hatte Wigbert seiner Tochter schon zu Margrets Lebzeiten verboten, dorthin zu gehen, aber sie СКАЧАТЬ