Название: Tödliche Klamm
Автор: Mia C. Brunner
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839260821
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»Ist Frau Wiedemann denn im Hause?«, fragte Herr Richter jetzt und spähte an der kleinen dicken Frau vorbei in den Flur der Villa. »Es gibt da einige Unstimmigkeiten und ich würde gern wissen, wie Richter Security damit umgehen soll. Immerhin geht es um Ihrer aller Sicherheit.«
»Ja, gut. Aber könnten Sie nicht wiederkommen, wenn Dr. Wiedemann da ist? Wir erwarten ihn am Nachmittag.« Luise schob die Tür etwas weiter zu und versperrte den schmalen Durchlass mit ihrem imposanten Körper. »Herr Dr. Wiedemann schätzt es gar nicht, wenn fremde Besucher in seinem Haus sind, während er nicht anwesend ist.«
»Verstehe.« Richter nickte und lächelte wieder entwaffnend. »Doch die Angelegenheit ist äußerst dringend. Ich habe mir sogar erlaubt, zwei Beamte der Kripo mitzubringen, da wir vermuten, dass gestern Abend bei Ihnen eingebrochen worden ist. Wir haben schon die Außenanlage begutachtet und würden jetzt auch gern einen Blick ins Haus werfen. Können wir bitte mit Frau Wiedemann sprechen?«, wiederholte er sein Anliegen, legte die Hand auf die schwere Eingangstür und drückte vorsichtig dagegen. Hauptkommissar Florian Forsters Hand legte sich von hinten auf seinen Arm und zog ihn von der Tür weg.
»Wir haben wirklich nur ein paar kurze Fragen und vermutlich handelt es sich um ein Missverständnis«, mischte sich jetzt Florian ein und hielt der Dame einen Zettel entgegen. »Dieses Schreiben erlaubt uns, Haus und Garten zu untersuchen. Die Vorfälle der letzten Nacht haben einen Staatsanwalt veranlasst, einen Durchsuchungsbeschluss zu unterschreiben. Das zeigt doch die Dringlichkeit unseres Anliegens. Bitte lassen Sie uns rein.«
Die kleine Dame biss sich nervös auf die Unterlippe, trat dann zurück und ließ die drei Herren eintreten.
»Warten Sie bitte in der Bibliothek.« Sie wies mit der Hand zur linken Seite, vergewisserte sich, dass alle drei Männer den Raum neben der Steintreppe betraten und beeilte sich dann, ihrer Arbeitgeberin vom Besuch zu berichten.
Im Vergleich zum Eingangsbereich mit der breiten Marmorempore und der schweren Steintreppe wirkte dieser Raum beinahe erdrückend klein. Außerdem war er dunkel. Die wandhohen Bücherregale aus massivem Nussbaumholz waren über und über mit dicken Wälzern bestückt. Klassiker der Weltliteratur in edlen Einbänden aus Leder mit goldenen Verzierungen reihten sich an moderne Literatur, eine ganze Reihe Bibeln in unterschiedlicher Ausführung und medizinische Fachliteratur. Ein kleiner Kamin war neben der Tür in die Wand eingelassen und zwei Ohrensessel standen davor. Das einzige Fenster war mit dunklen Vorhängen aus dichtem Stoff behangen und ließ nur mattes Licht von draußen in das Zimmer. Direkt vor dem Fenster stand ein kleines Kaffeetischchen mit zwei samtbezogenen Stühlen.
Kommissar Berthold Willig stand fasziniert vor dem hohen Regal und fuhr mit dem Zeigefinger ehrfurchtsvoll über die mit Gold eingelassenen Lettern einer alten Sonderausgabe von Shakespeares »Hamlet«.
»Damit ich das wirklich richtig verstehe, Alex«, begann Florian und ließ sich auf einem der Sessel vor dem Kamin nieder. »Ihr habt festgestellt, dass die Alarmanlage für über zwei Stunden ausgeschaltet war und jemand um das Haus geschlichen ist, aber keines der Fenster ist beschädigt und die Haustür wurde ganz normal mit einem Haustürschlüssel geöffnet.«
»Zweimal. Einmal um etwa 3 Uhr morgens und einmal um kurz nach 5 Uhr«, bestätigte Alexander Richter, schob den schweren Vorhang beiseite und schaute in den Vorgarten. »Wir betreuen dieses Haus seit drei Jahren. Es ist noch nie vorgekommen, dass die Alarmanlage so lange aus war. Normalerweise schaltet sich das Gerät nach geraumer Zeit eigenständig ein, damit uneingeschränkter Schutz auch dann besteht, wenn man das manuelle Aktivieren einmal vergessen sollte. Man muss diese Funktion durch eine besondere Tastenkombination und einen Schlüssel unterdrücken, wenn die Anlage dauerhaft deaktiviert bleiben soll. Vor einem Jahr«, fuhr er fort, »war im ganzen Stadtviertel Stromausfall und selbst in so einem Fall bezieht die Anlage ihre Energie über ein Notstromaggregat und bleibt aktiviert.«
Florians nächste Frage erübrigte sich also. Er hatte vermutet, dass der heftige Sturm von letzter Nacht vielleicht für den Ausfall der Sicherheitsanlage verantwortlich gewesen war.
Florian kannte Alexander Richter bereits seit fast 20 Jahren. Sie hatten als Jugendliche im selben Fußballverein trainiert, bis Alexander als junger Erwachsener in den damals noch recht unpopulären, neu gegründeten Rugbyverein gewechselt war. Heute trainierte er ehrenamtlich den Kemptener Rugbynachwuchs.
»Und einen Schlüssel zu dem Haus und den Geheimcode für die Alarmanlage haben nur die Wiedemanns?«
Alexander Richter setzte sich auf den zweiten, noch freien Ohrensessel und nickte.
»Das Ehepaar Wiedemann, die Haushälterin Luise Kramer und wir natürlich, Richter Security, also ich und meine vier Mitarbeiter«, zählte der Sicherheitsbeamte auf.
In diesem Moment hörten sie jemanden an der Eingangstür.
Kommissar Willig hob alarmiert den Kopf und starrte durch den Spalt in der Tür in den Flur, Richter sprang auf und lief zum Fenster, um hinauszusehen. Hauptkommissar Forster erhob sich etwas langsamer, ging zur Tür, schob sie mit dem Fuß etwas weiter auf und schaute ebenfalls in den Flur.
Vor der Haustür fiel ein Schlüsselbund scheppernd auf die Granitfliesen, jemand fluchte. Sekunden später wurde die Haustür aufgeschlossen und ein Mann in einem dicken Wintermantel und mit etwas schütterem dunkelbraunem Haar stürmte in den Eingangsbereich, sah sich hektisch um und rief nach der Haushälterin. Dann drehte er sich um und gab routiniert die Tastenkombination am Display neben der Tür ein, um den ansonsten folgenden Alarm zu deaktivieren.
»Herr Dr. Wiedemann?« Florian trat aus dem Schatten der dunklen Bibliothek, gefolgt von Berthold Willig und Alexander Richter, und hielt seinen Dienstausweis in die Höhe. »Kripo Kempten, mein Name ist Hauptkommissar Forster.«
»Oh Gott«, rief der Hausherr entsetzt, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und ging dann auf den Beamten zu. »Ist etwas mit meiner Frau? Ist Monika etwas passiert? Um Gottes Willen.«
Noch bevor Florian verneinend den Kopf schütteln konnte, sah er im Augenwinkel eine Frau die steinernen Stufen herunterkommen.
»Keine Panik, Schatz«, begrüßte Monika Wiedemann ihren Gatten. »Mir geht es sehr gut.« Dann nickte sie den drei Herren zu, die vor der massiven Eichenholztür zur Bibliothek standen und zu ihr hinaufsahen. »Guten Tag, die Herren.«
Das Bild, das diese Frau bot, erschütterte Florian so sehr, dass er sich anfangs nicht von ihrem Anblick losreißen konnte. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Ihre Haut war dermaßen blass und dünn, dass die Adern an Händen und Hals deutlich als dunkle Linien zu erkennen waren. Das Haar hing stumpf und wasserstoffblond an ihrem Kopf herunter und reichte bis zu ihren Schultern. Durch die helle Bluse aus edlem, zartem Stoff sah man deutlich Schulterknochen und Schlüsselbeine hervorstechen. Ihr ganzer Körper war so dünn und gebrechlich, dass Florian sich kaum vorstellen konnte, woher sie die Kraft nahm, auf eigenen Füßen zu stehen. Er bemerkte, wie auch ihr Ehemann sie entsetzt anstarrte, als sie die Treppe hinunterschwebte, lautlos und unheimlich wie ein Geist, beinahe durchsichtig.
Dr. Wiedemann lächelte jetzt und lief seiner Frau entgegen. »Dir geht es besser. Schön«, sagte er und nahm sie in seine Arme.
»Kommst du jetzt schon aus der Praxis?«, fragte sie und wirkte verwundert.
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