Im Wahn gefangen. Hans-Otto Thomashoff
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Название: Im Wahn gefangen

Автор: Hans-Otto Thomashoff

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839266823

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СКАЧАТЬ Sie, jetzt, durchzuckte es ihn, die ihm so vertraute Stimme ausgerechnet in diesem Augenblick? Alice spürte sofort, dass etwas nicht stimmte.

      »Ich muss dich sprechen. Ich bin zu Hause bei mir, hier in Triest. Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.« Sie machte eine Pause. »Also, nun … also … ich, ich bin … schwanger, und …«

      In dem Moment war die Aufnahmezeit des Anrufbeantworters zu Ende. Hatte er richtig gehört? Alice blickte ihn fragend an, eine Ahnung vorwurfsvollen Entsetzens schlich sich in ihre Gesichtszüge. Der Liebeszauber zerstob. Ohne dass er ein Wort gesagt hatte, schien sie zu verstehen, stand auf, warf sich in Windeseile ihre Kleidung über.

      »Ich …« Er war sprachlos. Wochenlang hatte Chiara nicht angerufen, Anfang Oktober hatten sie sich zuletzt gesehen, und jetzt das. Hatte er richtig gehört? Er musste sich vergewissern. Hilflos schaute er Alice nach, wie sie das Zimmer verließ. Die Haustür fiel ins Schloss, und er war allein. Noch immer nackt erhob er sich, nahm sein Handy und wählte hastig die Nummer in Italien. Ich werde Vater, schoss es ihm durch den Kopf. Er sollte sich freuen, doch war er im Augenblick unfähig dazu.

      Chiara war sofort am Apparat. »Pronto.«

      »Chiara, ich bin es. Ich kam gerade … durch die Tür, als ich deine Nachricht hörte.«

      »Gut, dass du zurückrufst. Ich hatte es dir ja eigentlich nicht am Telefon sagen wollen, aber es ist zu wichtig. Also …« Sie hielt inne, und er fand, dass sie merkwürdig verlegen wirkte. »Ich, ich bekomme ein Kind.«

      »Ja, das habe ich noch von deiner Nachricht mitbekommen.« Er wollte ihr sagen, wie sehr ihn das freute, doch es kam nicht über seine Lippen.

      »Aber, es … es ist wahrscheinlich nicht von dir.«

      »Bitte was?« Darauf war er nicht gefasst gewesen. Er wurde bleich, stammelte etwas Unverständliches.

      »Ja, ich … es tut mir leid, dass du es so erfährst.«

      »Du, du kannst doch nicht einfach …« Da schrillte die Türglocke. Marilyn sprang kläffend in die Diele.

      »Entschuldige bitte kurz, es hat geläutet.«

      Sperling war erleichtert über die Unterbrechung, fast so, als könne er anschließend das Gespräch von Neuem beginnen, mit verändertem Inhalt.

      »Ich komme gleich«, rief er in Richtung Tür und zog sich eilig sein Hemd über. Dann warf er sich ein Handtuch um die Lenden. Ob Alice zurückgekommen war? Er könnte ihr alles erklären. »Bin schon so weit.« Er öffnete und vernahm ein blitzartiges Krachen. Dann verlor er das Bewusstsein.

      4

      Seine erste Wahrnehmung, die sich wie in Zeitlupe einstellte, bestand in einem rhythmisch hämmernden Pochen mitten in seinem Kopf, der darunter zu zerbersten schien. Sperling lag vollkommen reglos, versuchte nach einer Weile, vorsichtig die Augen zu öffnen, was ihm nur mühsam gelingen wollte. Alles um ihn herum war schwarz. Er strengte sich an, etwas zu sehen. Da erst bemerkte er, dass er am ganzen Körper gefesselt war. Wie von einem Stromschlag ausgelöst, setzten Muskelkrämpfe ein, durchzuckten seinen Rücken, zogen hinauf bis zum Hals, sodass der sich schmerzverzerrt wand. Schweiß trat auf seine Stirn, obwohl ihn fror. Minutenlang musste er so ausharren. Sollte er um Hilfe rufen? Doch er konnte nicht. Er bemühte sich verzweifelt, zu denken, sich an irgendetwas zu erinnern. Hatte man ihn entführt, aber warum und wohin? Da verkrampfte sich sein Unterkiefer, und er biss sich auf die Zunge. Der süßlich metallische Geschmack von Blut sammelte sich in seinem Mund. Jeder seiner Versuche, den Krämpfen entgegenzuwirken, war zwecklos. So bohrte er sich schließlich seine Fingernägel in das Fleisch seiner Handflächen, bis er irgendwann erschöpft einnickte.

      Ohne Zeitgefühl wachte er wieder auf. Immer noch war es vollkommen finster. Seine Wahrnehmung war wie gelähmt, anders als sonst, zerlegt in Bruchstücke, die er nur mühsam fassen konnte, die Dunkelheit, seine Bewegungslosigkeit, die Schmerzen, die einem Muskelkater gewichen waren, ein penetrant beißender Gestank in der Luft, ein Gemisch aus Angstschweiß, Desinfektionsmittel und altem Urin. Er kannte den Geruch, ohne zu wissen woher, suchte im Dunkeln nach Orientierungshilfen. Befand er sich in einem Keller, in einem Versteck ohne Fenster, war es immer noch Nacht? Unvermittelt zog es seine linke Schulter unter höllischen Schmerzen hoch bis an sein linkes Ohr. Wieder ein Muskelkrampf. Sperling versuchte sich dagegenzustemmen, aber seine Fesseln ließen das kaum zu. Ihm blieb nichts, als passiv dazuliegen und abzuwarten. Es verging eine Ewigkeit, die nur von den plötzlichen Attacken seiner Muskulatur unterbrochen wurde. Sie trieben ihn an den Rand des Wahnsinns, aber er wollte nicht wieder wegdämmern, sondern endlich wissen, was geschehen war. Sein Körper war ihm so präsent wie sonst nie. Jede Faser, die normalerweise selbstverständlich und unbemerkt zu ihm gehörte, forderte seine Aufmerksamkeit ein in einer qualvollen Folter, deren Ursache Sperling nicht kannte, aber deren Folgen er hilflos ausgeliefert war. Wie in einen Nebel gehüllt, kamen Erinnerungsfetzen zurück, das Telefonat in seinem Büro, das Treffen mit der Unbekannten, bei ihm zu Hause der Sex, dann Chiara. Hatte es nicht an der Tür geläutet?

      Doch was war das jetzt? Erklang nicht auf einmal Musik? Ja, jemand sang, nebenan oder über ihm. Sperling lauschte angestrengt, die Melodie war ihm vertraut: »Gefangen bist du, fest mir gefesselt, wie du die Welt, was lebt und webt, in deiner Gewalt schon wähntest …« Das war von Wagner, die Stimme Wotans aus dem Rheingold.

      An was für einem Ort mochte er nur gelandet sein? Sperling rätselte, fand keine Erklärung, verharrte starr in einer undefinierbaren Leere und wartete, ohne zu wissen worauf.

      Die Musik war längst verstummt, als mit einem Mal durch ein Lammellengitter hindurch gedämpftes Licht in den Raum fiel. Die Tür wurde geöffnet, jemand trat herein, auf ihn zu, und er vernahm die angenehm warme Stimme einer Frau.

      »Sind Sie wach? Wie geht es Ihnen?«

      Noch bevor Sperling antworten konnte, paralysierte ein neuerlich einschießender Krampf seine Kiefermuskeln, und er brachte kein Wort heraus. Dann spürte er einen Nadelstich, seine Lider wurden schwer, er entspannte sich und war gleich wieder eingeschlafen.

      Als er nach langer Zeit völlig benommen wieder zu sich kam, nahm er als Erstes durch seine geschlossenen Augenlider hindurch Helligkeit wahr. Der Versuch, seine Arme zu heben, misslang, er war immer noch gefesselt. Er erinnerte sich an die furchtbaren Muskelkrämpfe, doch die schienen vorüber. Ihm war kalt. Es herrschte Ruhe, aber er war nicht allein, das spürte er. Zaghaft blickte er auf, sah vor sich das grinsende Gesicht eines Glatzkopfs, der ihn mit weit aufgerissenen Augen angaffte. Sperling erschrak so heftig, dass er laut aufschrie. Sofort kam Leben in seine Umgebung. Es entstand ein Tumult, Schritte eilten herbei, wieder gab es einen kurzen Stich, und er sackte weg.

      5

      »Wachen Sie auf! Können Sie mich verstehen?«

      Nur langsam, wie aus weiter Ferne drangen die Worte zu ihm vor, aber ihr Klang war wohltuend. Er fühlte sich wie in Watte gehüllt, gleichgültig und dabei bewegungsunfähig wie ein gefällter Baumstamm. Gerne hätte er sich gereckt.

      »Hören Sie mich?«

      Jemand rüttelte ihn leicht. Er schnaufte, blinzelte dann matt. »Wo, wo bin ich?«

      Sein Mund war trocken, seine Zunge eigenartig dick und pelzig. Über ihn gebeugt war eine Frau. Sie hatte etwas Mütterliches an sich, das war sein erster Eindruck. Doch sie war nicht allein, drei Männer waren bei ihr. Sperlings Kopf surrte, sein Atem ging schwer, er suchte nach einem Orientierungspunkt, blickte sich zögerlich um. Er war immer noch an Armen und СКАЧАТЬ