Walpurgisnacht / Вальпургиева ночь. Книга для чтения на немецком языке. Густав Майринк
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Читать онлайн книгу Walpurgisnacht / Вальпургиева ночь. Книга для чтения на немецком языке - Густав Майринк страница 8

СКАЧАТЬ nach einer kleinen Pause, denn er wusste kein besseres Wort.

      Sie haschte nach seiner Hand und küsste sie stumm und voll Dankbarkeit. – Er fühlte ihre Tränen auf seine Finger fallen. „Geh, lass doch“, wollte er sagen, brachte es aber nicht heraus. Er blickte ratlos umher.

      Eine Weile schwiegen beide. Dann hörte er, dass sie etwas murmelte, verstand aber die Worte nicht.

      „Ichichich dank’“, schluchzte sie endlich halberstickt, – ichich dank’ dir, Ping – , ich dank’ dir, Thaddäus. Nein, nein, kein Geld“, fuhr sie hastig fort, als er wieder davon anfangen wollte, er werde ihr helfen – „nein, ich brauch’ nichts“ – sie richtete sich schnell auf und drehte den Kopf zur Wand, damit er ihr schmerzverzerrtes Gesicht nicht sehen solle, hielt aber dabei seine Hand krampfhaft fest, „es geht mir ja ganz gut. Ich bin doch so glücklich, dass du – dich nicht vor mir graust. – Nein, nein, wirklich, mir gehts ganz gut. -W-w-weißt d’, es ist nur so schrecklich, wenn man sich erinnert, wie früher alles war.“ – Einen Augenblick würgte sie es wieder, und sie fuhr sich nach dem Hals, als bliebe ihr der Atem aus. – „Weißt d’, dass man – dass man nicht alt werden kann, ist so furchtbar.“

      Der Pinguin sah sie erschrocken an und glaubte, sie rede irre; erst nach und nach begriff er, was sie meinte, als sie anfing, ruhiger zu sprechen.

      „Vorhin, wie du herausgekommen bist, Thaddäus, da hab’ ich gemeint, ich bin wieder jung – und du hast mich noch lieb“, setzte sie ganz leise hinzu – „und so geht’s mir oft. Manchmal – manchmal fast eine Viertelstunde lang. – Besonders, wenn ich auf der Gassen geh, vergess’ ich, wer ich bin, und glaub’, die Leute schauen mich so an, weil ich jung und schön bin. – Dann freilich, wenn ich hör’, was die Kinder hinter mir dreinrufen – .“ Sie schlug die Hände vors Gesicht. —

      „Nimm’s nicht so schwer, Liesel“ – tröstete sie der kaiserliche Leibarzt – „Kinder sind immer grausam und wissen nicht, was sie tun. Du darfsts ihnen nicht nachtragen, und wenn sie sehen, dass du dir nichts drausmachst – “

      „Glaubst du denn, ich bin ihnen bös deshalb? – Ich bin noch nie jemand bös gewesen. Nicht einmal dem lieben Gott. Und dem hat doch heutzutag wahrhaftig jeder Mensch Grund, böse zu sein. – Nein, das ist’s nicht. – Aber dieses Aufwachen jedesmal, wie aus einem schönen Traum, das ist fürchterlicher, Thaddäus, als wenn man bei lebendigem Leibe verbrennt.“

      Der Pinguin blickte wieder in der Stube umher und sann nach. „Wenn man’s ihr ein wenig behaglicher machen würde hier“, dachte er, „vielleicht würde sie sich – “

      Sie schien seinen Gedanken erraten zu haben. „Du meinst, warum’s so schauderhaft hier ist und warum ich so gar nichts mehr auf mich halte? – Du, mein Gott, wie oft hab’ ich schon versucht, das Zimmer ein bissel sauberer zu machen. Aber ich glaub’, ich müsst wahnsinnig werden, wenn ich’s tu. – Wenn ich nur damit anfang’ und rück’ bloß einen Sessel zurecht, so schreit schon alles in mir auf, dass es ja doch nie mehr so werden kann, wie’s früher war. – So ähnlich geht’s vielleicht vielen Menschen auch, nur können’s die andern nicht verstehen, die nie aus dem Licht haben in die Finsternis müssen. – Du wirst’s mir nicht glauben, Thaddäus, aber wirklich, es ist noch so etwas wie ein Trost darin für mich, dass alles um mich herum, und ich selbst, so unsagbar verkommen und scheußlich ist.“ – Sie starrte eine Weile vor sich hin, dann fuhr sie plötzlich auf: „Und ich weiß auch warum. – Jaja, warum soll nicht der Mensch auch gezwungen sein, mitten im tiefsten Schmutz zu leben, wo doch seine Seele in einem so grässlichen Kadaver stecken muss! —

      Und dann – hier so mitten im Dreck“ – murmelte sie halblaut vor sich hin – „vielleicht kann ich doch einmal vergessen.“ – Sie fing an, wie geistesabwesend mit sich selbst zu sprechen. „Ja, wenn der Zrcadlo nicht wär’“ – der Leibarzt horchte auf, als der Name fiel, und erinnerte sich, dass er doch eigentlich des Schauspielers wegen hergekommen sei; – „Ja, wenn der Zrcadlo nicht wär’! – Ich glaub’, er ist an allem schuld. – Ich muss ihn fortschicken. – Wenn ich nur – wenn ich nur die Kraft dazu hätt’.“ —

      Der Herr kaiserliche Leibarzt räusperte sich laut, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken. – „Sag mal, Liesel, was ist das eigentlich mit dem Zrcadlo?“ – „Er wohnt doch bei dir?“ fragte er endlich direkt heraus.

      Sie fuhr sich über die Stirn: – „Der Zrcadlo? Wieso kommst du auf ihn?“

      „Nun. Halt so. Nach dem, was gestern beim Elsenwanger passiert ist. – Mich interessiert der Mensch. – Nur so. Halt als Arzt.“

      Die „böhmische Liesel“ kam langsam zu sich, dann trat plötzlich ein Ausdruck des Schreckens in ihre Augen. Sie packte den kaiserlichen Leibarzt heftig am Arm:

      „Weißt du, manchmal, da glaub’ ich – er ist der Teufel. Jesus Maria, Thaddäus, denk nicht an ihn! – Aber nein“ – sie lachte hysterisch auf – „das is alles dummes Zeug. – Es gibt doch gar keinen Teufel. – Er ist natürlich nur verrückt. – Oder – oder ein Schauspieler. Oder alles beides zusammen.“ Sie wollte wieder lachen, aber ihre Lippen verzerrten sich nur.

      Der kaiserliche Leibarzt sah, dass ein kalter Schauer sie überlief und ihre zahnlosen Kiefer schlotterten.

      „Selbstverständlich ist er krank“, sagte er ruhig, „aber manchmal muss er doch bei sich sein – und da hätt ich gern einmal mit ihm gesprochen.“

      „Er ist nie bei sich“, murmelte die „böhmische Liesel“.

      „Du hast aber doch gestern Nacht gesagt, er geht in den Beiseln herum und spielt den Leuten etwas vor?“

      „Ja. – Ja, das tut er.“

      „No, dazu muss er doch bei sich sein?“

      „Nein. Das ist er nicht.“

      „So. – Hm“ – der kaiserliche Leibarzt grübelte nach. – „Aber er war doch gestern geschminkt! Tut er das vielleicht auch ohne Bewusstsein? – Wer schminkt ihn denn?“

      „Ich.“

      „Du? Wieso?“

      „Damit er für einen Schauspieler gehalten wird. Und etwas verdienen kann. – Und damit mer ihn net einsperrt.“

      Der Pinguin blickte die Alte lang und misstrauisch an.

      „Es kann doch gar nicht sein, dass er – ihr Zuhälter ist“, überlegte er. – Sein Mitleid war verflogen, und der Ekel fasste ihn wieder an. – „Wahrscheinlich lebt sie mit von seinen Einnahmen.“ „Jaja, natürlich, so wird’s wohl sein.“

      Auch die „böhmische Liesel“ war mit einem Mal ganz verändert. – Sie hatte ein Stück Brot aus der Tasche gezogen und kaute mürrisch daran.

      Der Herr kaiserliche Leibarzt trat verlegen von einem Bein aufs andere. Er fing an, sich innerlich heftig zu ärgern, dass er überhaupt hiehergekommen war. —

      „Wenn d’ gehen willst – ich halt’ dich nicht“, brummte die Alte nach einer peinlichen Pause längeren beiderseitigen Stillschweigens.

      Der Herr kaiserliche Leibarzt griff rasch nach seinem Hut und sagte, wie von einem Druck befreit: „Ja, freilich, Liesel, du hast recht, es ist schon spät. – Hm, ja. – No, und so gelegentlich komm’ ich wieder nach dir schauen, Liesel.“ – Er tastete mechanisch nach seinem Portemonnaie. —

      „Ich СКАЧАТЬ