Wo die Liebe ist, da ist auch Gott. Leo Tolstoi
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Название: Wo die Liebe ist, da ist auch Gott

Автор: Leo Tolstoi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783765575341

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СКАЧАТЬ der ihm keinen Empfang bereitete. Und siehst du, mein Lieber, wie ich das gestern so las, da dachte ich: ›Wie konnte er bloß dem Herrn und Heiland nicht alle Ehren erweisen? Wenn das mir oder sonst jemand widerfahren wäre‹, dachte ich, ›ich wüsste ja gar nicht, was ich alles tun sollte, um ihn würdig zu empfangen! Und der hat sich um gar nichts gekümmert!‹ So dachte ich und nickte darüber ein. Und so im Halbschlaf, mein Lieber, hörte ich mit einem Mal meinen Namen rufen. Ich fuhr auf, und da war mir’s, als flüsterte eine Stimme mir zu: ›Erwarte mich morgen, ich komme zu dir.‹ Zweimal hörte ich’s. Und nun, du magst mir glauben oder nicht, geht mir das immer im Kopf herum. Ich schelte mich selbst dafür, aber ich warte immer wieder auf den Heiland.«

      Stepanytsch schüttelte den Kopf und sagte nichts. Er trank sein Glas leer, legte es seitlich hin, Awdejitsch hob es aber wieder auf und goss ihm wieder ein.

      »Lass dir’s schmecken! Ich denke, als unser Heiland auf Erden wandelte, da hat er auch keinen verschmäht, hat sich auch mehr an die einfachen Leute gehalten. Immer hielt er sich zu ihnen, auch seine Jünger hat er sich aus unserem Stand geholt, Arbeitsleute waren sie wie wir Sünder. Wer sich selbst erhöht, sagt er, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Ihr nennt mich euren Herrn, sagt er, und ich werde euch die Füße waschen. Wer der Erste sein will, sagt er, der soll allen ein Diener sein. Denn, sagt er, selig sind die Armen, die Demütigen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen.«

      Stepanytsch hatte seinen Tee ganz vergessen. Er war ein alter, weichherziger Mann, saß da, hörte zu, und die Tränen flossen ihm übers Gesicht.

      »Nun, noch ein Gläschen«, sagte Awdejitsch. Aber Stepanytsch bekreuzigte sich, dankte, schob das Glas zurück und stand auf.

      »Ich danke dir, Martin Awdejitsch«, sagte er, »hast mich gut bewirtet, hast Leib und Seele gesättigt.«

      »Komm nur wieder, du bist mir stets willkommen«, sagte Awdejitsch.

      Stepanytsch ging, Martin aber goss den letzten Tee in sein Glas, trank es aus, räumte das Geschirr weg und setzte sich wieder ans Fenster an seine Arbeit. Er steppte einen Absatz. Und er schaute immer wieder zum Fenster hinaus, wartete auf den Heiland, dachte an ihn und seine Worte. Und allerlei Reden Christi gingen ihm durch den Sinn.

      Zwei Soldaten gingen vorüber, einer in Kommissstiefeln, der andere in seinen eigenen. Dann kam der Besitzer des Nachbarhauses in blank geputzten Gummischuhen, dann der Bäcker mit seinem Korb. Alle gingen vorüber, und nun zeigte sich vor dem Fenster eine Frau in Wollstrümpfen und Bauernschuhen. Sie ging am Fenster vorbei und blieb dann an der Hausmauer stehen. Awdejitsch schaute hinaus und sah, dass sie eine Fremde war. Sie war schlecht gekleidet und hielt ein Kind auf dem Arm. Sie stand an der Mauer mit dem Rücken gegen den Wind und wollte ihr Kind einhüllen, hatte aber nichts Rechtes dazu, denn ihr Kleid war aus Sommerstoff und auch schon sehr abgetragen. Durch das Fenster hörte Awdejitsch, wie das Kind schrie und wie die Mutter ihm zuredete. Aber das Kind wollte sich nicht beruhigen. Da ging Awdejitsch zur Tür hinaus und die Treppe hinauf und rief: »Heda! Junge Frau!« Die Frau hörte es und drehte sich um.

      »Was stehst du da in der Kälte mit dem Kind? Komm herein, im warmen Zimmer kannst du’s besser einwickeln. Hierher!«

      Die Frau war ganz erstaunt. Sie sah einen alten Mann mit einer Schürze und einer Brille auf der Nase, der rief sie. Aber sie folgte ihm.

      Sie gingen die Treppe hinunter und traten ins Zimmer. Der Alte führte die Frau an sein Bett.

      »Hier«, sagte er, »setz dich näher zum Ofen, junge Frau. Wärme dich und stille dein Kind.«

      »Ich habe keine Milch mehr in der Brust, ich habe seit dem Morgen nichts mehr gegessen«, sagte die Frau, legte das Kind aber doch an die Brust.

      Awdejitsch schüttelte den Kopf, ging zum Tisch, nahm eine Schüssel, öffnete die Ofenklappe, goss Suppe in die Schüssel. Dann nahm er den Topf mit Grütze aus dem Ofen, die war aber noch nicht aufgegangen; so nahm er nur die Suppe und stellte sie auf den Tisch. Dann holte er Brot, nahm ein Handtuch vom Nagel und legte es auf den Tisch.

      »Setz dich, junge Frau«, sagte er, »iss. Ich bleibe bei dem Kleinen, ich habe ja auch Kinder gehabt und kann mit ihnen umgehen.«

      Die Frau bekreuzigte sich, setzte sich an den Tisch und fing an zu essen, Awdejitsch aber setzte sich auf das Bett zum Kind. Awdejitsch schnalzte mit der Zunge, doch es ging nicht recht, denn er hatte keine Zähne mehr. Das Kind hörte nicht auf zu schreien. Da kam Awdejitsch der Gedanke, dem Kleinen mit dem Finger zu drohen: er hob den Finger in die Höhe, schwenkte ihn und hielt ihn dann dem Kind dicht vor den Mund, zog ihn aber gleich wieder zurück. In den Mund nehmen durfte das Kind den Finger nicht, denn er war ganz schwarz vom Pech. Da guckte das Kind immer auf den hüpfenden Finger und wurde ganz still, schließlich lachte es. Nun freute sich Awdejitsch. Die Frau aber aß und erzählte, wer sie sei und woher sie komme.

      »Ich bin eine Soldatenfrau«, sagte sie, »meinen Mann hat man vor acht Monaten weit fortgeschickt, und ich habe gar keine Nachricht von ihm. Ich war Köchin, da bekam ich das Kind. Mit dem Kind wollten die Leute mich nicht behalten. Nun bin ich seit drei Monaten ohne Stelle. Alles, was ich besaß, ist draufgegangen. Ich wollte als Amme gehen, keiner nahm mich. ›Du bist zu mager‹, sagten sie. Ich ging zu einer Kaufmannsfrau, bei der wohnt eine Frau aus unserem Dorf. Die hatte versprochen, mich zu nehmen. Ich dachte, ich könnte nun gleich ganz bei ihr bleiben, aber sie sagte, ich möchte nächste Woche wiederkommen. Und sie wohnt so weit. Ich bin ganz müde geworden, und auch für das Kleine war es eine Qual. Gott sei Dank, dass unsere Wirtin wenigstens Mitleid mit uns hat und uns um Christi willen bei sich wohnen lässt. Sonst wüsste ich gar nicht, wie ich leben sollte.«

      Awdejitsch seufzte und sagte: »Hast du wenigstens warme Kleider?«

      »Wo soll ich denn warme Kleider hernehmen, mein Bester? Gestern habe ich mein letztes Tuch für zwanzig Kopeken verpfändet.«

      Die Frau ging zum Bett und nahm das Kind auf den Arm. Awdejitsch aber stand auf, ging zur Wand, suchte eine Weile herum und brachte endlich einen alten Leibrock.

      »Da«, sagte er, »es ist zwar ein altes Ding, aber das Kind kannst du noch hineinwickeln.«

      Die Frau sah den Rock, sah den Alten an, nahm den Rock und brach in Tränen aus. Awdejitsch wandte sich ab, griff unters Bett, zog einen Koffer hervor, wühlte darin herum und setzte sich wieder der Frau gegenüber.

      Und die Frau sprach: »Christus lohne dir’s, Großvater! Er hat mich wohl vor dein Fenster geschickt. Sonst wäre mir das Kind erfroren. Als ich aus dem Hause ging, war es warm, und nun ist es mit einem Mal so kalt geworden. Sicher hat er dir befohlen, aus dem Fenster zu schauen und dich meines bitteren Loses zu erbarmen.«

      Awdejitsch lachte auf und sagte: »Er hat es wahrhaftig getan. Denn ich schaute nicht ohne Grund aus dem Fenster, junge Frau.«

      Und Awdejitsch erzählte auch der Soldatenfrau seinen Traum, und wie er die Stimme gehört habe, dass der Herr ihn heute besuchen wolle.

      »Alles ist möglich«, sagte die Frau, stand auf, warf den Rock um, hüllte das Kind ein, verbeugte sich und dankte Awdejitsch noch einmal.

      »Nimm das um Christi willen«, sagte Awdejitsch und gab ihr ein Zwanzigkopekenstück, »kauf dein Tuch dafür aus.«

      Die Frau bekreuzigte sich, Awdejitsch bekreuzigte sich auch und begleitete sie hinaus.

      Die Frau war gegangen, Awdejitsch aß seine Krautsuppe, räumte ab und nahm wieder seine Arbeit vor. Aber über der Arbeit vergaß er das Fenster nicht; sobald es da oben dunkel СКАЧАТЬ