Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte. Walter Serner
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte - Walter Serner страница 3

Название: Die Tigerin – Eine absonderliche Liebesgeschichte

Автор: Walter Serner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783968580173

isbn:

СКАЧАТЬ und hatten kein Wort weiter gesprochen.

      Um neun Uhr sagte Bichette mit zitternder Stimme: »Lass mich jetzt.«

      Fec machte Anstalten, das Bett zu verlassen.

      »Kannst hier schlafen, wenn du willst.«

      Fec legte sich wortlos auf die Seite und schlief ein.

      Die folgenden Tage verbrachten sie ununterbrochen beisammen. Ebenso die Nächte. Sie sprachen fast nichts mehr. Nur von Zeit zu Zeit streichelte Bichette Fecs Hand. Oder sie spielte mit seinen Haaren. Oder mit seiner Mütze.

      Am fünften Tag aber, morgens gegen neun Uhr, bekam sie einen Weinkrampf.

      So einfach und gewöhnlich war nun die Sache doch nicht. Henri Rilcer, genannt Fec, hatte alles hinter sich. Er war mit allem fertig. Auch mit sich selber. Er lebte gleichsam vor sich einher. Ins Leere hinein.

      Mit siebzehn Jahren war er acht Wochen lang der Geliebte einer fetten Jüdin gewesen, die vier braune Falten auf dem Hals hatte, sechs auf dem Bauch und drei kleine stets unsaubere Kinder. Der Vorzug, konstant zu lügen, machte sie ihm, wie er ostentativ hervorhob, so liebenswert. Vor allem aber bereitete es ihm unsägliches Vergnügen, von seiner Familie sich verachtet zu sehen. Als man sich daran gewöhnt hatte, brach er das Verhältnis brutal ab. Mit achtzehn Jahren hatte er seinen Vater geohrfeigt, weil dieser im Speisezimmer, in dem nicht geraucht werden sollte, ihm eine brennende Zigarette aus dem Mund nahm. Man warf ihn aus dem Haus. Zwei Wochen war er Schreiber bei einem Rechtsanwalt. Dann veruntreute er einen kleinen Betrag und verschwand. Später tauchte er bald hier bald dort auf. Man sah ihn häufig in den mondänen Kurorten, im Winter in Wien, London, Berlin, Rom. Er war immer elegant, fast stets allein, aber wenn er abgereist war, gab es irgendwie einen Skandal. Er war groß, schlank und hatte einen ausdrucksvollen Kopf, der einem Diplomaten ebenso gehören konnte wie einem Apachen. Mit dreißig Jahren kam er nach Paris zurück, von keinem seiner ehemaligen Freunde erkannt. Er war nun mit allem fertig. Er hatte alles hinter sich. Er trug jetzt einen saloppen grauen Anzug und ein dunkelgrünes Tuch um den Hals. Er schlief bei kleinen Huren oder in Treppenhäusern und lebte hauptsächlich von unbedeutenden Gelegenheitsdiebstählen.

      Zwei Jahre führte er bereits dieses Leben. Er lebte gleichsam vor sich einher. Völlig ins Leere hinein. Bichette hatte er genommen, wie er Dutzende von Frauen genommen hatte. Und da er über Erinnerungen verfügte, neben denen Bichette wie ein kleines Nachtlicht glomm, hatte ihn weder ihre Schönheit noch ihre Wildheit erstaunt. Es war für ihn eine Gelegenheit wie jede andere, die sich ihm bot. Sie musste sich ihm nur bieten. Er ging auf das Leben nicht mehr los. Er ließ alles an sich herankommen, ohne es halten zu wollen. Er hatte genug. Gegen Mittag, wenn er auf die Straße trat, oder wenn er angetrunken war, wunderte er sich oft, dass er noch lebte.

      Bichettes Weinkrampf hatte ihn aber doch überrascht. Nicht vielleicht, dass er ihm etwas Neues gewesen wäre; was ihn, den scharfen Beobachter und bis ins Letzte misstrauischen Kopf, stutzig gemacht hatte, war die für seinen Blick unanzweifelbare Feststellung gewesen, dass er etwas Ungewolltes vor sich hatte, dass diese furchtbare Erschütterung zwingend war. Und war sie zwingend, so war es ein Zusammenbruch. Seine große Erfahrung sagte ihm, dass er jetzt nur nach Bichette zu greifen brauchte, um sie für immer in seine Hand zu bekommen. Aber er dachte gar nicht daran, Bichette sich zu holen. Dass er es dann dennoch tat, hatte eine sehr eigentümliche Veranlassung.

      *

      Bichette war, nachdem das schreckliche Schluchzen nachgelassen hatte, nur flüchtig bekleidet aus dem Zimmer gerannt und nicht wiedergekommen.

      Fec verließ schließlich das Hotel und ging zu ›Léon‹ frühstücken.

      Gaby, ein kokaïnomanes Modell, das nie zu schlafen schien, setzte sich an seinen Tisch und versuchte, ihn über Bichette auszuhorchen. »So früh auf? Also auch schon – abgeschüttelt, hé?«

      Fec schwieg.

      »Lass dirs egal sein. Das ist doch ihr Bluff. Damit macht sie sich doch das Renommée. Und mit dem bisschen Herumraufen.« Gaby betrachtete Fec aus kugelrunden, weißlich schimmernden Augen, die eine deutliche Geringschätzung seiner ganzen Person versuchten. »Aber du ... Warum machst du denn nichts? Leg dir doch was zurecht! Ohne Chiqué8 nichts zu wollen. Man muss seine Combine9 haben. Schöne Dupes10 machen.

      Sonst gehts einem so hundemäßig mouise11 wie dir.«

      Fec blies ihr den Zigarettenrauch ins Gesicht. »Ich mach mir nichts daraus. Ich mach mir nicht mal aus mir was.«

      Gaby schlug, gebrochen lachend, auf den Tisch. »Das ists ja eben, du Esel! Du machst nichts aus dir. Man wird doch nicht für das gehalten, was man ist. Sondern nur für das, was man den Leuten vormacht. Und auch das, was man wirklich ist, muss man den Leuten vormachen. Wie sollen sie denn sonst wissen, wofür sie einen zu halten haben, hé?«

      Fec zog mit geheuchelter Lässigkeit die Lider ein wenig zusammen. »Was du da sagst, ist mir nicht unbekannt. Denn ich habe es, fast mit denselben Worten, vor vierzehn Tagen im Hotel Grelot, als wir das letzte Mal ... Aber ich habe durchaus keine Lust mehr.«

      »Was für ein Esel du doch bist!« Gaby schwenkte, sehr geärgert, ihren Busen über die Tischplatte hin.

      »Eh ben, wozu soll ich also den Leuten noch beweisen, was ich bin?«

      Gaby lächelte verzogen. »Schad um dich.« Plötzlich griff sie nach seiner Hand. »Oder ist dir vielleicht das Coco bei mir zuwider?«

      In diesem Augenblick trat Bichette ein.

      Sie hatte kaum Fec erblickt, als sie schnell auf ihn zulief. Erst hart am Tisch bemerkte sie, dass Gaby, die vor Überraschung darauf vergessen hatte, Fecs Hand hielt. Wortlos setzte sie sich neben ihm auf die Bank.

      Gabys Augen wurden vor Erregung nass. Dann zog sie ganz langsam ihre Hand von der Fecs, stand auf und ging. Nach einigen Schritten rief sie: »Au revoyure, ‘ssieurs dames12

      Bichettes Kopf fiel höhnisch auflachend hintüber, verstummte jäh und kam ruckweise wieder herauf. Ihre ausgestreckten Arme hielten unbeweglich den Tischrand. Die Nasenflügel trieben. Sie blinzelte.

      Sogleich kam Gaby zurück, den Kopf geringschätzig schief geneigt, und setzte sich mit einem Satz auf den gegenüber befindlichen Tisch. »Eha, éha! ... So, so ... Also doch ... Ja, die Liebe, die Lie-i-i-iebe ...«

      Bichette packte mit einem Mal Fecs Hals und stieß seinen Mund fest auf den ihren.

      Gaby heulte, die Hände verkrampft im Nacken: »Eha, éha! Das ist ja abacadabrantissimo! Die Tigerin – eingefangen! Aber wer wird ihr jetzt zu fressen geben, he?«

      Ein Stuhl schlug knallend nieder: Bichette war aufgesprungen. Und schon warf sie sich, die Fäuste vor der Brust, auf Gaby und biss sie so fest in den Handballen, dass sie gell aufschreiend vom Tisch zu Boden glitt.

      Als Gaby, das Gesicht schmerzverzerrt, wutbebend sich aufrichtete, hatte Bichette ein Messer in der Hand.

      Jean, der Kellner, packte Gaby von hinten СКАЧАТЬ