Название: Familie Dr. Norden 729 – Arztroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Familie Dr. Norden
isbn: 9783740963446
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»He, was gibt’s da zu tuscheln?«
»Nichts weiter, wir wollten dich nur nicht stören«, wich Chris verlegen aus.
»Ich warte schon eine halbe Ewigkeit auf euch. Deshalb habe ich die Zeit für ein paar wichtige Gespräche genutzt«, erwiderte Leana mit leichtem Vorwurf.
»Das sieht dir wieder ähnlich. Immer eine Ausrede parat«, lachte Saskia unbekümmert und schlüpfte auf die Rückbank des Wagens. »Aber es ist eine Ehre für uns, daß du deine kostbare Zeit opferst. Wohin soll es denn gehen?«
»Kennt ihr Wasserburg am Inn? Das ist eine wunderschöne, mittelalterliche Stadt mit italienischem Flair. Dort findet alljährlich ein Nachtflohmarkt statt, und auch die Lokale haben die ganze Nacht durch geöffnet. Ich war selbst noch nie da, aber es soll ein einzigartiges Erlebnis sein.«
»Klingt sehr vielversprechend«, lobte Chris und nahm sich einen Chicken Wing aus Saskias Aluschale. »Hier, hast du Hunger? Sasa hat für den Reiseproviant gesorgt.« Während er Lea die Schale hinhielt, drehte er sich um und lachte Saskia an.
»Nein, vielen Dank.« Ungeduldig schob Lea seine Hand weg. Wieder fühlte sie den leichten, eifersüchtigen Stich in der Herzgegend. Sie hatte Christians Blick bemerkt, und obwohl sie nicht in ihn verliebt war, war sie eigentümlich verletzt. In den vergangenen Wochen hatten sie einiges zu dritt unternommen, für Leas Verhältnisse geradezu viel Zeit miteinander verbracht. Trotzdem verfügten Saskia und Chris über mehr Freizeit als sie und waren sich in den Stunden, in denen sie zu zweit durch die Stadt streiften, offenbar sehr vertraut miteinander geworden.
Die ganze Fahrt über blieb Lea einsilbig und schweigsam, bis sie in Wasserburg angelangt waren. Dort vergaß sie ihre Verstimmung jedoch schnell. Es herrschte ein lustiges Jahrmarkttreiben, die Leute waren ausgelassen und fröhlich, feilschten und handelten, was das Zeug hielt. Aus den Kneipen und Bars hallte Musik durch die Straßen und Gassen und sorgte für eine südländische Atmosphäre, wie man sie im kühlen Deutschland gewöhnlich nicht kannte. Wie verzaubert schlenderten die drei Freunde über den Flohmarkt. An einem der Stände entdeckten Saskia und Lea ein altertümliches Operationsbesteck, das sie für Christian erstanden und ihm lachend überreichten. Die Vertrautheit der drei jungen Leute war wiederhergestellt. Sie genossen das Gefühl, den unerbittlichen Lauf der Zeit überlistet und die Lebensuhr um Jahre zurückgedreht zu haben.
*
Unruhig wälzte sich Waltraud Wollrab in ihrem Bett. Sie war früh schlafen gegangen, weil sie sich in der unheilvollen Stille ihres leeren Hauses nicht wohl fühlte, doch auch im Schlaf fand sie keine Ruhe. Bilderfetzen aus der Vergangenheit gaukelten durch ihre Träume, längst vergessene Landschaften und Orte. Immer wieder durchzuckte ein Gesicht die rasche Bilderfolge, das Gesicht eines dunkelhaarigen jungen Mannes mit dunklen, schwermütigen Augen. Sie wollte ihn rufen, streckte sehnsuchtsvoll die Hand nach ihm aus, doch noch ehe sie ihn erreichen konnte, verschwamm das Bild vor ihren Augen und löste sich in Luft auf. Warum nur verließ er sie immer wieder? War die eine wirkliche Trennung nicht schmerzhaft genug gewesen?
Erschöpft öffnete Waltraud die Augen und starrte blicklos in das Dunkel ihres Schlafzimmers. Durch die Ritzen der Jalousie fiel helles Mondlicht gespenstisch ins Zimmer, ein sanfter Wind umwehte das Haus und rüttelte an den Zweigen der alten Obstbäume, die leise knarrten. Erschrocken flog ein Käuzchen auf und stieß einen schrillen Schrei aus, der Waltraud hochfahren ließ. Ihr Herz klopfte schmerzhaft, und ein stechender Kopfschmerz durchzuckte sie. Als sich das Bett zu drehen begann und sie sich ermahnte, tief ein- und auszuatmen, bemerkte sie die Trockenheit ihrer Kehle. Das Verlangen nach einem Schluck Wasser wurde übergroß. Mühsam stemmte sie sich hoch, eine Hitzewelle durchflutete ihren Körper, die Anstrengung war übergroß. Aber sie mußte einfach trinken, die erfrischende Kühle auf den ausgedörrten Lippen spüren. So tastete sie sich langsam vorwärts, vom Türstock an die Wand des Flurs und langsam vorwärts, die Kommode war nicht mehr weit und dahinter die Badtür, wo es Wasser im Überfluß gab. Schon meinte Traudi, einen ganzen Wasserfall rauschen zu hören, zuerst leise und verhalten, doch das Geräusch kam immer näher, schien aus ihrem Innern zu kommen und verdrängte schließlich alles andere. Hilflos sah sie sich mit weit aufgerissenen Augen um, sie meinte, von Wasser umgeben zu sein, obwohl sie es nicht sehen konnte. Verwirrt drehte sie sich um die eigene Achse, verlor den Halt an der Wand, stieß sich den Kopf, schrie auf und sank zu Boden.
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