Название: Rückruf Null
Автор: Джек Марс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Жанр: Шпионские детективы
isbn: 9781094313122
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„Warum hast du die Tür nicht abgeschlossen?” erwiderte er.
„Sie war doch zu, oder nicht?”
„Beeil dich! Ich muss pinkeln!”
„Raus jetzt!” Sie drückte die Tür zu und ließ den älteren Jungen hinter ihr fluchen. Das Leben in einer Wohngemeinschaft war alles andere als glamourös, doch sie hatte sich in dem letzten Jahr, seit sie hier wohnte, daran gewöhnt. Oder war es schon länger? Dreizehn Monate oder so, berechnete sie.
Sie legte etwas Wimperntusche auf und inspizierte sich erneut. Das reicht, dachte sie. Trotz Camillas Bemühungen trug sie nicht gerne viel Makeup. Und außerdem wuchs sie immer noch.
Sie ging gerade rechtzeitig aus dem Bad, das zur Küche hinaus öffnete, um zu sehen, wie Tommy sich von der Spüle abwandte und seinen Hosenstall zumachte.
„Oh Gott”, zuckte sie zusammen, „bitte sag mir, dass du nicht gerade in die Spüle gepinkelt hast.”
„Du hast zu lange gebraucht.”
„Gott, du bist widerlich.” Sie ging auf den alten beigen Kühlschrank zu und nahm eine Flasche Wasser heraus - ganz sicher tränke sie jetzt kein Leitungswasser, so viel stand fest - und als sie ihn wieder schloss, bemerkte sie die Tafel.
Sie zuckte erneut zusammen.
An der Kühlschranktür hing eine magnetische Tafel mit sechs Namen in schwarzer Schrift, alle Mitbewohner. Unter jedem Namen stand eine Nummer. Alle sechs waren für einen Teil der Miete verantwortlich und teilten sich auch die Rechnungen monatlich. Konnten sie ihren Teil nicht zahlen, dann hatten sie drei Monate Zeit, um ihre Schulden zu tilgen, sonst mussten sie ausziehen. Die Nummer unter Saras Namen war die größte.
Die Wohngemeinschaft war wirklich nicht der schlimmste Ort in Jacksonville. Das alte Haus brauchte ein paar Reparaturen, doch es war kein Desaster. Es gab vier Schlafzimmer, drei von ihnen waren von jeweils zwei Personen bewohnt und das vierte wurde als Aufbewahrungs- und Arbeitszimmer benutzt.
Ihr Vermieter, Mr. Nedelmeyer, war ein deutscher Typ, Anfang vierzig, der mehrere Immobilien wie diese in der Jacksonville Innenstadt besaß. Er war ziemlich entspannt, wenn man es sich genau überlegte. Er bestand sogar darauf, dass sie ihn einfach ,Nadel’ nannten, was in Saras Ohren wie ein Name für einen Drogenhändler klang. Doch mit Nadel konnte man einfach umgehen. Es war ihm egal, ob Freunde über Nacht blieben oder ob sie hin und wieder eine Party veranstalteten. Drogen waren ihm egal. Er hatte nur drei Hauptregeln: wirst du verhaftet, dann fliegst du raus. Kannst du nach drei Monaten nicht bezahlen, dann fliegst du raus. Greifst du einen Mitbewohner an, dann bist du draußen.
Während sie da auf die Tafel am Kühlschrank starrte, machte Sara sich um die zweite Regel Sorgen. Doch dann hörte sie eine Stimme in ihrem Ohr, die sie über Regel drei beunruhigte.
„Was ist denn los kleines Mädchen? Hast du Angst wegen der großen Nummer da unter deinem Namen?” Tommy lachte, als ob er einen tollen Witz erzählt hätte. Er war neunzehn, schlaksig und knöchern und hatte auf beiden Armen Tätowierungen. Er und seine Freundin Jo teilten sich eines der Schlafzimmer. Keiner von ihnen arbeitete. Tommys Eltern schickten ihm jeden Monat Geld, mehr als genug, um ihre Ausgaben in der Wohngemeinschaft zu decken. Den Rest gaben sie für Kokain aus.
Tommy hielt sich für einen knallharten Typen. Doch er war nur ein Vorstadtkind in den Ferien.
Sara drehte sich langsam um. Der ältere Junge war fast dreißig Zentimeter größer als sie und stand nur ein paar Zentimeter von ihr entfernt. „Ich glaube”, sagte sie langsam, „du solltest ein paar Zentimeter zurücktreten.”
„Ansonsten?” grinste er bösartig. „Willst du mich schlagen?”
„Natürlich nicht. Das wäre gegen die Regeln.” Sie lächelte unschuldig. „Aber weißt du, kürzlich nahm ich ein kleines Video auf. Du und Jo, wie ihr Kokain vom Kaffeetisch geschnupft habt.”
Ein verängstigter Blick huschte über Tommys Gesicht, doch er blieb hart. „Na und? Nadel ist das egal.”
„Das hast du recht, ihm ist das egal.” Sara flüsterte weiter. „Aber Thomas Howell, der bei Binder & Associates arbeitet? Dem ist das vielleicht nicht egal.” Sie lehnte ihren Kopf zur Seite. „Das ist dein Papa, stimmt’s?”
„Woher...?” Tommy schüttelte seinen Kopf. „Das würdest du nicht wagen.”
„Vielleicht nicht. Liegt ganz an dir.” Sie ging an ihm vorbei, rempelte ihn rau mit ihrer Schulter dabei an. „Hör auf, in die Spüle zu pinkeln. Das ist widerlich.” Dann ging sie nach oben.
Sara hatte Virginia mehr als ein Jahr zuvor als eine verängstigte, naive Fünfzehnjährige verlassen. Nur wenig mehr als ein Jahr war vergangen, doch sie hatte sich verändert. Im Bus von Alexandria nach Jacksonville hatte sie sich zwei Regeln auferlegt. Die erste Regel besagte, dass sie niemanden um nichts bitten würde, am wenigsten ihren Vater. Und sie hielt sich daran. Maya half ihr hin und wieder ein wenig aus und Sara war dankbar - doch sie bat nie darum.
Die zweite Regel bestand darin, dass sie sich von niemandem etwas sagen ließe. Sie hatte schon zu viel mitgemacht. Sie hatte Dinge gesehen, über die sie niemals sprechen könnte. Dinge, die sie Nachts immer noch nicht schlafen ließen. Dinge, die sich ein Typ wie Tommy niemals vorstellen könnte. Sie war nicht wie andere Teenager, voller Angst. Sie hatte ihre eigene Vergangenheit überwunden.
Oben angelangt öffnete sie die Tür zum Schlafzimmer, das sie und Camilla teilten. Es war wie ein Zimmer im Studentenwohnheim eingerichtet: zwei Doppelbetten, die an entgegengesetzten Wänden standen, mit einem Gang und einem geteilten Nachttisch dazwischen. Sie hatten eine kleine Kommode und einen Schrank, den sie ebenfalls teilten. Ihre Mitbewohnerin lag noch im Bett. Sie lag wach auf dem Rücken und scrollte durch die sozialen Netzwerke auf ihrem Handy.
„Hey”, gähnte sie, als Sara eintrat. Camilla war achtzehn und zum Glück sehr angenehm. Sie war die erste Freundin, die Sara in Florida gewann. Es war ihre Internetanzeige für eine Mitbewohnerin, die Sara überhaupt hierher gebracht hatte. Sie verstanden sich gut. Camilla brachte ihr sogar bei, zu fahren. Sie brachte ihr bei, wie man Wimperntusche auflegte und welche Kleidung ihrem schmalen Körper gut stand. Sara hatte eine Menge neues Vokabular und Angewohnheiten von ihr gelernt. Fast wie eine große Schwester.
Fast wie eine große Schwester, die dich nicht mit einem Mann alleine lässt, den du nicht aushältst.
„Hey du. Steh auf, es ist schon fast zehn.” Sara nahm ihre Handtasche vom Nachttisch und schaute nach, ob sie alles hatte, was sie brauchte.
„Es wurde gestern Nacht bei mir spät.” Camilla arbeitete als Bedienung und Barkeeper bei einem Fischrestaurant. „Aber schau mal, ich hab das Bündel hier bekommen.” Sie zeigte ihr ein dickes Bündel Bargeld, das Trinkgeld der letzten Nacht.
„Toll”, murmelte Sarah, „ich muss zur Arbeit.”
„Cool. Ich habe heute Abend frei. Soll ich dir wieder das Haar machen? Sieht ein bisschen zerzaust aus.”
„Ja, ich weiß, sieht Scheiße aus”, erwiderte Sara verärgert.
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