Название: Eine Mutter
Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066115012
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»Keins von Beiden,« erwiderte der kleine Mann, der aber sonderbarer Weise wie etwas verlegen bei der Frage wurde; »das ist übrigens eine lange Geschichte, Herr Graf, die sich nicht so auf der Straße erzählen läßt.«
»Dann kommen Sie mit uns, Jeremias,« rief der Graf rasch, »und essen Sie mit uns – wir gehen gerade zum Diner!«
»Aber, Herr Graf!« rief Jeremias, ordentlich verblüfft.
»Machen Sie keine Umstände,« lachte Felix, der seelenfroh war, gerade jetzt etwas zu finden, das Helene zerstreuen und ihr die frohe Laune wiedergeben konnte; »wir sind ganz unter uns und können da nach Herzenslust plaudern. Ich habe eine ordentliche Sehnsucht danach, wieder einmal etwas von Brasilien zu hören.«
»Na, wenn Sie es denn nicht anders haben wollen,« lachte Jeremias, dem man es aber ansah, wie schmeichelhaft ihm die Auszeichnung war – »mir kann's recht sein. Jemine, es geht aber doch eigentlich nirgends curioser zu, als in der Welt!«
»Also Sie kommen mit?« lächelte Helene, die selber schon zu lange in den transatlantischen Colonien gelebt hatte, um darin etwas Außerordentliches zu finden, daß ein Mann, der früher sogar in einem dienenden Verhältnis zu ihnen gestanden, jetzt auch einmal ihr Gast sein sollte, ja, es drängte sie selber, Neues aus dem alten Leben zu hören, mit dem sie jetzt freilich vollkommen abgeschlossen.
»Ob ich mitkomme,« lachte aber Jeremias, »mit dem größtmöglichsten Vergnügen, und die kleine Erbprinzessin werde ich mir indessen ausbitten,« und damit wollte er das kleine Helenchen von der Erde und auf den Arm nehmen. Das aber war für Helenchen zu viel Vertraulichkeit auf einmal – den fremden Mann kannte sie ja noch gar nicht, und mit einem: »Du, das darfst Du nicht!« fuhr sie zurück und wehrte ihn mit ihren kleinen Händchen von sich ab.
»Steckt im Blute,« lächelte Jeremias, während er, den Kopf seitwärts gehalten, nach ihr hinabsah – »bin der kleinen Comtesse noch nicht vorgestellt worden; aber ich weiß, wie man's macht – bitte, warten Sie nur einen Augenblick!« und ehe Graf Rottack und Helene nur etwas entgegnen konnten, drehte er sich ab und schoß mit langen Schritten auf eine gerade dort gelegene große Conditorei los, in die er eintauchte und wenige Minuten später wieder mit einer riesigen, goldpapiernen Zuckerdüte zum Vorschein kam.
»Na, und jetzt, mein gnädiges Fräulein,« rief er, indem er dem lachenden Kinde die Düte offen hinhielt, »was sagen wir nun? Zugegriffen, versteht sich – Kinder sind sich doch alle gleich, allgemeine Menschennatur. Und jetzt wollen wir zum Essen gehen, wenn die Frau Gräfin nichts dagegen haben.«
Damit nahm er die Kleine, die es sich, eifrig mit der Düte beschäftigt, jetzt auch ruhig gefallen ließ, ohne Weiteres auf den Arm und unterhielt sich, während Felix mit der Gattin voran und ihrem Hause zuschritt, unterwegs mit der ihm erst erstaunt und dann lachend zuhörenden Bonne.
3.
Das Rendezvous.
Mild und erwärmend lag die Nachmittagssonne auf dem schönen Land und warf einen ordentlich magischen Schein über die rothblinkenden Stämme eines Tannenwaldes, der, dunkel und dicht gedrängt, die nächste Hügelkette deckte, und über das breite, wohlgepflegte Wiesenthal, das sich am Fuße desselben hinzog. Ein kleiner, schmaler Fluß schlängelte sich hindurch, helle Weidenbäume mit ihrem graugrünen Laube faßten ihn ein, während einzelne hochstämmige Erlen mit den knotigen, oft behackten Stämmen dazwischen standen und malerische Gruppen bildeten. Der Fluß aber sprang murmelnd und rasch zwischen ihnen hin und warf die Sonnenstrahlen wie spielend in blitzenden Lichtern zurück.
Seitwärts aber erhob sich ein kleiner, sorgfältig mit Blüthenbüschen bepflanzter Hügel, aus dessen Strauch- und Baumwerk, von einzelnen schlanken italienischen Pappeln überragt, die Mauern eines stattlichen Schlosses oder Herrenhauses hervorleuchteten, während rechts durch einen tiefen Einschnitt der Hügelkette die Ziegeldächer von Haßburg und der eine Thurm des Domes sichtbar wurden.
In dem Wiesenthale selber, bald dicht am Ufer des kleinen Flusses, bald mitten darin, lagen zerstreute Gruppen von Birken, knorrigen Eichen, Linden und Blutbuchen, als ob sie der Zufall dort hätte keimen lassen. In der That aber waren sie künstlich angelegt und gepflegt, und dienten auch nur dazu, um der ganzen Gegend etwas Parkähnliches zu geben, ohne ihr jedoch den Charakter ihrer ursprünglichen Natürlichkeit zu nehmen.
Der ganze District war auch in der That nur ein erweiterter Theil des unmittelbar an das Schloß stoßenden Gartens, und ein schmaler, aber gut gehaltener und mit Kies überstreuter Fahr- und Reitweg lief, den Windungen des Wassers folgend, auf das Schloß zu. Das Ganze wurde durch einen leichten, grün angestrichenen Drahtzaun eingeschlossen, der aber von Weitem gar nicht sichtbar war und dadurch dem Parke nur noch mehr das Ansehen einer freien Landschaft ließ.
Menschen waren nirgends zu erkennen, nur unten am Fluß, wo das Hochwasser die Uferbank so ausgewaschen hatte, daß die das Erdreich zusammenhaltenden Wurzeln einer uralten Erle fast eine Art von Dach bildeten, kauerte ein Mensch neben einem hier durch die Strömung gewühlten Wasserloch und angelte.
Ob er ein Recht dazu hatte? Es schien kaum so, denn Alles verrieth weit eher, daß er sich hier auf verbotenem Grund oder doch jedenfalls bei einer verbotenen Beschäftigung befand. Er benutzte eine höchst sinnreich so gefertigte Angelruthe, daß sie, wenn er sie zusammenschob, genau in seinen alten Eichstock paßte und durch die unten angeschraubte Zwinge dann vollkommen abgeschlossen und versteckt wurde, und hatte dabei eine alte, abgenutzte, lederne Jagdtasche umgehängt, in welcher auch jedenfalls sein übriges Angelgeräth stak, denn draußen war nichts weiter davon zu bemerken.
Der ganze Bursche sah überhaupt alt und abgenutzt aus. Er trug einen fadenscheinigen, grauen Rock mit fettigem Kragen, alte lederne Gamaschen und derbe Schuhe, auf dem Kopfe eine abgegriffene, graue Mütze, und eine baumwollene Weste, wie sie die ärmsten Bauern zu tragen pflegen. Er schien dabei auch nicht mehr jung; das unter der Mütze hervorquellende Haar war, wenn nicht ganz weiß, doch stark gesprenkelt. Nur der kleine, struppige Schnurrbart, der nicht zu seinem Vortheil Spuren von Schnupftabak zeigte, war völlig weiß, was sich leider nicht von seiner Wäsche sagen ließ, und trotzdem sah der Mensch aus, als ob er schon einmal bessere Tage gesehen hätte, mochte er jetzt auch noch so arg heruntergekommen sein. Seine Stirn war hoch und gewölbt, und das kleine, graue, lebendige Auge konnte, wenn es nicht scheu umherblickte, oft recht trotzig unter den buschigen Brauen hervorleuchten.
In seiner, ob nun hier erlaubten oder verbotenen Kunst schien er übrigens gar nicht so ungeschickt, denn in der kurzen dort verbrachten Zeit hatte er schon zwei mehr als halbpfündige Forellen aus dem fischreichen Strom herausgeworfen, ihnen dann augenblicklich mit einem alten, abgenutzten, aber haarscharfen Genickfänger den Kopf durchstochen und sie, also abgeschlachtet, in seinen Ranzen geschoben.
Übrigens zeigte er wenig Furcht bei seiner Beschäftigung, so versteckt er sie auch trieb; er qualmte aus einer kleinen, kurzen Pfeife mit einem Maserkopf und einer Spitze, die jedem andern Menschen das Rauchen hätte für Lebenszeit verleiden können, und hob nur selten einmal und nur dann, wenn er wieder einen Fisch gefangen, den Kopf, um über den Wiesenrand in den Park hinaus zu sehen. Aber er hatte auch einen Wächter.
Oben unter der Erle saß ein kleiner Spitz, so alt und ruppig und grau gesprenkelt wie sein Herr, ein Auge geschlossen, als ob er auf der Seite schliefe, während das andere aufmerksam bald da, bald dort hinüberflog, und so regungslos, als ob er zu den Wurzeln, zwischen denen er kauerte, gehörte. Der СКАЧАТЬ