Gesammelte Erzählungen (Über 110 Titel in einem Band). Joachim Ringelnatz
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Название: Gesammelte Erzählungen (Über 110 Titel in einem Band)

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027203710

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СКАЧАТЬ nach alter quiozantolischer Sitte einen alten Drackfallqueribus trinken und eine echte Kakastimmbett dazu rauchen.«

      Tretebalg war noch so froh erschüttert, daß er diese Fremdwörter nicht nur innerlich verzieh, sondern sogar dem Doktor gestand, wie er absolut nicht ahne, was sie bedeuteten.

      »Was tut’s?« sagte dieser freundlich. »Es beweist nur Ihre überlegene Ehrlichkeit, wenn Sie die von mir sinnlos und kompliziert erdachten Namen durch schlichtere, näherliegende ersetzen. Das, was sie bezeichnen, verändert sich darum doch nicht, sondern bleibt eben ein selbst präparierter Getreidekümmel und ein anspruchsloser, von mir selbst erfundener Tabak aus Lindenblüten und pulverisierten Wespen.«

      Tretebalg öffnete den Mund. Er schloß ihn wieder, weil der Doktor einschenkte, Pfeifen stopfte, Feuer reichte und herzlich aufs neue den Faden aufnahm: »Ich beschäftige mich ein wenig mit allerlei praktischen Arbeiten und Erfindungen und bin nicht so ganz der verknöcherte Büchermensch oder Theoretiker, für den Sie mich vielleicht – – «

      »Im Gegenteil«, warf Tretebalg mit feierlicher Betonung ein.

      »Und zum Beweise dafür«, fuhr der Doktor unter einer liebenswürdigen Verneigung fort, »möchte ich Ihnen hiermit« – (er öffnete ein Etui) – »diese Uhr verehren, die ich selber, nicht ohne mancherlei Schwierigkeiten und Vorstudien, hergestellt habe.«

      Dem Wunderarzt ging es wie Glühen durchs Herz. »Aber Herr Doktor Quilippi! Das ist ja Silber! Da sind ja echte Diamanten darauf!« – »48 Stunden«, erwiderte der Doktor, der sich verhört hatte und über die Konstruktion nachsann. »Ich habe sie eben aufgezogen.«

      Echte Tränen der Scham und der Reue tropften auf die Diamanten des Uhrdeckels.

      Der Doktor wehrte, bescheiden nießend. »Aber lieber Kollege – – «

      »Nein, Herr Doktor Quilippi, sagen Sie nicht Kollege zu mir; ich bin dessen nicht würdig – – «

      »Nicht würdig?« rief der Doktor. »Was fällt Ihnen ein? Es wäre mir fatal, wenn Sie mich auf der Seite derer glaubten, welche Ihre bewährte, rein praktische Heilmethode – – «

      »Und doch«, unterbrach Tretebalg, »und doch bin ich im Grunde nur ein Quacksalber.«

      »Offen gestanden: Ich auch«, sagte der Doktor. »Aber eben deswegen müssen wir uns gegenseitig immer an unser Nichtswissen und Nichtskönnen erinnern und einig sein in gemeinsamer treuer Stümperei. Und in diesem Sinne wollte ich Ihnen diese Uhr –« (Tretebalg hatte sie schon eingesteckt) – »übergeben haben, als Zeichen meiner aufrichtigen Verehrung und als schlichtes Andenken an einen Kollegen, der älter und studierter als Sie und doch ebenso dumm war.«

      »Ist – nicht wahr!« rief Tretebalg begeistert; denn er hatte einen Freund gefunden, er hatte in dem früher ihm verhaßten – –

      »Ist oder war«, rief der Doktor hüstelnd, »wie schnell verwandelt sich das Eine in das Andere. Aber lassen Sie uns das jetzt nicht nahegehen. Sondern: Auf in den Garten zur Trüffelpastete!!«

      Nach dem Worte »Trüffelpastete« fiel der Doktor hart vom Stuhl. Eine Kugel war ihm vom Fenster her in den Rücken gedrungen. »Das Herz!« schrie er, die Hand auf die Brust pressend.

      Tretebalg warf sich – riß ihm die Weste – sagte: »Die Lunge!«

      »Zwischen Herz und Lunge!« stöhnte der Doktor.

      »Ja, aber mehr nach den Nieren zu.«

      »Wer hat mir das getan?«

      »Ja, wer konnte –?« Tretebalgen überlief ein unheimlicher Schauder. Welcher Zufall: Zwei Attentate hintereinander auf ein und denselben.

      »Wer hat mir das getan?« wimmerte Quilippi.

      »Ich diesmal nicht!« rief Tretebalg unwillkürlich. »Ich rufe Polizei.«

      Der Doktor hielt ihn durch eine schwache Bewegung zurück. »Bleiben Sie, es geht zu Ende.«

      »Keineswegs! Rühren Sie sich nicht; ich hole einen Arzt.«

      »Nicht!« flehte Quilippi. »Sie sind mein bester Arzt. Ihre Erfolge –«

      Tretebalg fand die Wunde und ließ Speichel hineinträufeln.

      »Ah, das tut wohl«, sagte Quilippi matt lächelnd.

      Der Naturarzt setzte sich nun mit seinem ganzen Gewicht auf die Wunde, um ein Verbluten zu verhindern. »Lache mal!« rief er dem Getroffenen zu, aber dieser hatte das Bewußtsein verloren.

      Tretebalg rührte sich nicht. Nach sechs Stunden fing der Mann unter ihm zu phantasieren an. Tretebalg hörte jedoch nicht zu, sondern dachte in traurigster Zerknirschung an seine eigene Schlechtigkeit, an den gnädigen Ausgang seines abscheulichen Anschlages und den unbegreiflichen grausamen Zufall, der nun doch diese rührende, einfache Gelehrtengestalt hingestreckt hatte.

      Denn nicht konnte Herr Tretebalg ahnen, daß er just in diesen Stunden auf einem der abgefeimtesten Lustmörder saß, der jetzt von drohenden Erinnerungen gepeinigt wurde, die jene silberne Uhr betrafen. Diese Uhr hatte Dr. Quilippi in perverser Mordlust so konstruiert und eingestellt, daß sie zwölf Stunden nach dem Geburtstagsschmause eine konzentrierte Ladung Nitroglyzerin zur Explosion bringen mußte.

      Ich will ihm alles gestehen, sagte sich Tretebalg, kniff den Doktor prüfend in die Nase und erschrak über die Kälte.

      Quilippi erwachte. »Wie spät ist es?« keuchte er wild.

      »Es geht zu Ende«, sagte Tretebalg sanft, »deswegen möchte –«

      »Hören Sie«, stammelte der Doktor und richtete sich mit Mühe etwas auf, »ich muß Ihnen –«

      Der Naturarzt wehrte ab. »Nicht! Bleiben Sie liegen. Ich habe Ihnen etwas –«

      Der Doktor winkte heftig. »Andermal! – Jetzt – die Uhr – – Hören Sie mich an –«

      »Schweig! Lassen Sie mich reden!« drängte Tretebalg.

      »Nein, ich muß reden –«

      »Erst ich!«

      Dr. Quilippi versuchte zu schreien. »Ich habe –«

      »Ich habe«, überschrie ihn Tretebalg hastig, um den Satz zu Ende zu bringen, »auf Sie geschossen!«

      Quilippi streckte sich. »Sie?? – Wie?? Sie?? – Um die Ecke herum??«

      Da explodierte die Uhr.

       ...liner Roma...

       Inhaltsverzeichnis

       1.

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