Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 17

СКАЧАТЬ als nicht zu seinen Lebensumständen passend, – und wenn man viel mit den Händen arbeitet, so ist das ein seltsames Gefühl. Er muß ihn betrachten und den alten Spruch bedenken. War der Mann, dem der Ring gehörte, so sehr mit dem Leben fertig gewesen? Es stört ihn das rote Licht bei seiner Arbeit, von den Tapeten hat es ihn schon vertrieben. Es sieht so festtäglich aus, und das ist werktägliche Arbeit. Und er erinnert sich, daß er auch wie andere Leute einen Feiertag verdiene. Die Rollen knattern mißmutig, wie sie ins Eck fliegen. »Wir werden nicht fertig ...« Aber es hilft ihnen nichts, dort liegen sie, grau und häßlich. Harro hat schon lange nicht mehr gemalt, sein letztes Bild ist vom Kunstverein nicht angenommen worden und liegt unausgepackt in der Kiste. Der Tannenbaum verdeckt den ärgerlichen Anblick.

      Und er mußte ja ums tägliche Brot arbeiten. Die Hälfte seiner Einnahmen floß unweigerlich in das Loch ohne Boden, die Baukasse. Müßig war er nie. Kaum an Sonntagnachmittagen gestattete er sich eine nachdenkliche Zigarre und den Genuß der alten Freunde aus dem Bücherspind.

      Ach, noch sehr selten krönt das Gelingen seine hingegebene Mühe. Seinen Farben haftet eine gewisse Trockenheit an, seinen Gestalten sah man nur zu deutlich das fehlende Modell an. Um ein gutes Modell zu bekommen, muß er in die Kunststädte reisen, im Waldland gibt sich niemand dazu her. Paris ... Rom ..., aber das waren unmögliche Dinge. »Du bist eben zwiespältig,« schilt er sich. »Der Mensch muß nur eines wollen, dann kann er es auch. Aber du starrst wie verzaubert auf einen Haufen alter Steine und läßt deine sauer verdienten Groschen in das Faß der Danaiden gleiten. Mit dem, was du im letzten Vierteljahr in Kalk und Tagelohn angelegt hast, hättest du sechs Wochen Paris haben können. Ein Kerl wie du, der den ganzen Tag schafft und von Haferbrei und Zwetschgen leben kann! Aber du willst alles haben, und es gelingt dir nichts.« –

      An solchen Tagen der Einkehr, wo seine zwei Willen sich zankten, ging die Arbeit schlecht von statten, und Harro muß seines Vaters Sohn stöhnend anlassen: »Sogar die Tapeten verdirbst du! Weil dir der Mondsee mit den schwarzen Tannen und das Weib, das aus den Wasserringen auftaucht, keine Ruhe läßt. Wollen die Leute Wasserringe auf ihren Tapeten haben? Willst du das selbst? So tu's auch andern nicht an. Sie müssen ja verrückt werden, wenn sie anfangen nach den Ringen zu schauen ... Der Teufel hole alle Tapeten ... im Haus gibt es einmal keine, nur Täfelung und Wandbespannung.«

      »Und Intarsien von Silber und Perlmutter und ein wenig Goldmosaik, alter Narr und Träumer,« höhnt der andere Harro.

      Aber heut geben die beiden Harros Frieden, und der Herr seiner Seele steht vor der großen Fläche, die er sich selbst zurecht geschreinert und geklopft hat. Er arbeitet mit Kreiden, und je mehr seine Striche den Grund beleben, desto heller sprüht das Feuer aus seinen Augen. Nein, diesmal soll der göttliche Blitz nicht ungenützt verglühen. Nun geht der kurze Wintertag zu Ende, eine rote Lohe schlägt ihren Mantel um den Bergfried, nur matter Schein dringt in seine tiefgelegenen Fenster.

      Da ertönt Hufschlag, der Kaliban reißt das Hoftor auf, der Fürst reitet herein und springt leicht von seinem schönen Goldbraunen ab. Harro hat kaum Zeit, aus seinem Leinenkittel zu fahren und ein Tuch über seine Arbeit zu decken. Noch hat er sie ja selbst nicht mit kaltem Blute angesehen, und da darf kein fremdes Auge darauf fallen.

      »Ich störe Sie doch nicht, Graf Thorstein ... Immer und immer können Sie doch nicht fleißig sein.«

      »Ich hatte es auch eben aufgegeben, Durchlaucht. Mein Diener ist alter Kavallerist, der Gaul kann ihm anvertraut werden.«

      »Sie haben ja Raum, Sie sollten auch einen Gaul haben.«

      »Wenn er von leeren Farbentuben und durchrissenen Papierkuverts leben wollte,« seufzt Harro.

      »Sie sollten nach meiner Kleinen sehen, es geht ihr so viel besser, sie verlangt schmerzlich nach Ihnen!« »Ich bin sehr beschäftigt, – hier, bitte, Durchlaucht, ist der Salon.«

      Sie sind in die größte und düsterste Nische getreten, darin der Salon allerdings bequem Platz hat. Es steht ein gestickter Amerikaner darin, in den Harro seinen Besuch hineinkomplimentiert, und davor ein Tischchen mit einer roten Samtdecke. Darauf das einzige Glanzstück des Thorsteiner Schlosses, das Schäflein des armen Mannes, ein schönes silbernes Teeservice. Aus der alten Heimat. Nie hatte er sich davon getrennt. Um das alte Silber hing immer noch ein Duft von vornehmem Behagen. An der einen Nischenwand hing ein Bild im dunkeln Rahmen. Der Bergfried von Thorstein, wie er über die Wipfel emporsteigt, von einem Schwarm weißer Tauben umflogen im Abendschein, der dem rötlichen Stein ein so warmes Leben einhaucht, daneben das steile dunkle Dach des Palas schon im Schatten.

      »Das ist schön,« ruft der Fürst, »Sie malen Landschaften?«

      »Wie es gerade kommt.«

      »Porträts?«

      »Es hat sich bisher noch niemand getraut: die bezahlten Modelle müssen ja stillhalten!«

      Das klingt nicht sehr ermutigend, denkt der Fürst. Dann sagt er: »Meine Kleine werde ich versorgen müssen. Sie ist ja sehr vergnügt mit ihrem Nähroschen und der Wunderpuppe, die niemand anrühren darf. Die Sache treibt mich beständig um. Wenn ich an die Empfehlungen dieser engelgleichen Wesen denke, die ich bei früheren Anlässen erhielt, – und nun ich weiß, wie sehr meine Kleine diesen Kreaturen ausgeliefert ist! Hätte irgend jemand versucht, meiner Schwester Helen so zu kommen, ich weiß, wer den kürzeren gezogen hätte.«

      Harro meinte: »Vielleicht eine Dame, die selbst Kinder gehabt hat ...«

      Der Fürst hatte sich eine Zigarette angezündet.

      »Eine Dame, gewiß ... Nicht mehr so jung, ein bißchen Großmama ... aus der Gesellschaft, freundlich, in einem schwarzseidenen Kleid und Häubchen, die Lebensschicksale gehabt und in der Dämmerung von ihrem Seligen erzählt. Wie wundervoll müßte die zu meiner altmodischen Kleinen passen, mit ihren aufgeschnappten Brocken, mit denen sie so feierlich umgeht!«

      Harro wurde rot.

      »Was man sonst bei einem erwachsenen Menschen als höchste Treue ehren würde, daß er um ein gegebenes Wort leidet, muß man doch auch bei einem Kinde ehren.«

      »Aber gewiß, nur sagen Sie selbst – wie will meine Kleine einmal durch die Welt kommen, wenn jeder, der gerissen und gewissenlos genug ist, sie mißbrauchen kann? Es hängen sich genug Leute an uns, die nicht immer die besten Absichten haben.«

      Harro sagte leise: »Das Feine, Edle, Zarte ist immer ein wenig wehrlos.«

      »Eine alte Dame wüßten Sie mir nicht? ... Man geht da freilich Verpflichtungen ein. Das Loswerden ist schwieriger.«

      Harro meint zögernd: »Ich habe eine liebe Freundin, das Bild stimmt aber nicht ganz, so alt ist sie nicht. Aber das Loswerden wäre sehr einfach, sie wäre nur auf einige Jahre verfügbar.« »Ach, das paßte mir ... Wer ist es denn?«

      »Eine Offizierswitwe von Familie. Ihr Sohn war mein Kamerad, stürzte an einem Unglücksmorgen und starb nach langem Jammer. Ein feiner Mensch, ein Goldherz, ewig schade um ihn. Die Mutter pflegte ihn, er war ihr ein und alles. Nun ist sie allein. Die Tochter verheiratet in den Kolonien, auf einige Jahre, später werden sie zusammen leben. Ich habe natürlich keine Ahnung, ob sie eine solche Stellung annehmen würde, doch schrieb sie mir vor einiger Zeit, das Alleinsein bekomme ihr nicht. Fragte an, ob ich nicht eine Hausdame brauchte. Ich mußte ihr leider sagen, daß ich nicht auf Damen eingerichtet sei.«

      »Ich höre, Sie wollen bauen, Graf Thorstein. Wenn ich Ihnen behilflich sein kann ...« – Harro errötete wieder: »Danke, Durchlaucht, ich habe keine Hilfe nötig ..., es eilt ja nicht, meine Pläne sind noch nicht fertig.«

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