Название: Gesammelte Werke: Kriminalromane + Detektivgeschichten + Historische Romane
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026850861
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»›Lange saß ich ratlos da; ich wußte nicht, was ich thun sollte. Mein erster Antrieb war natürlich nach Hilfe zu rufen, aber zugleich ward mir klar, daß man mich höchst wahrscheinlich für Morstans Mörder halten werde. Sein Tod im Augenblick des Streits und die Wunde an seinem Kopf, würden mich schwer verdächtigen. Fand eine gerichtliche Untersuchung statt, so mußten zudem in Bezug auf den Schatz Thatsachen ans Licht kommen, welche geheim zu halten mir besonders am Herzen lag. Morstan hatte mir gesagt, daß keine Menschenseele wisse, wohin er gegangen sei. So schien es nicht unmöglich, was geschehen war, vor aller Welt zu verbergen.‹
»›Noch wälzte ich die Sache in Gedanken hin und her, als ich aufblickend meinen Diener Lal Chowdar in der Thür stehen sah. Er kam hereingeschlichen und riegelte hinter sich zu. ›Habt keine Angst, Sahib,‹ sagte er. ›Es soll niemand erfahren, daß Ihr ihn erschlagen habt. Wir wollen ihn beiseite schaffen und dann kräht kein Hahn danach.‹ ›Ich habe ihn nicht getötet,‹ rief ich. Aber Lal Chowdar schüttelte nur lächelnd den Kopf.
»›Ich habe alles gehört, Sahib,‹ sagte er. ›Ich hörte euch streiten und ich hörte den Fall. Aber mein Mund ist stumm. Das ganze Haus schläft. Wir wollen ihn zusammen fortschaffen‹ – das reichte hin, mich zum Entschluß zu bringen. Wenn mein eigener Diener nicht an meine Unschuld glauben konnte, wie durfte ich hoffen, mich vor den zwölf Geschworenen im Gerichtshof weiß zu brennen? – Wir brachten die Leiche in der Nacht beiseite, Lal Chowdar und ich. In wenigen Tagen waren alle Londoner Zeitungen voll von dem geheimnisvollen Verschwinden des Hauptmanns Morstan, aber mich traf kein Verdacht. Ihr werdet einsehen, daß ich bei dem ganzen Vorgang kaum zu tadeln bin. Mich drückt allein die Schuld, daß wir nicht nur die Leiche verbargen, sondern auch den Schatz, und daß ich von Morstans Anteil ebenso wenig lassen konnte, wie von meinem eigenen. Eure Pflicht soll es sein, Ersatz zu leisten. Beugt euch nieder zu meinem Munde, der Schatz ist versteckt in – –?‹ Er stockte, und urplötzlich kam eine furchtbare Verwandlung über ihn. Seine Augen starrten wild, er fuhr mit den krampfhaft geballten Händen in der Luft umher und kreischte in gräßlicher Todesangst: ›Laßt ihn nicht herein – um Christi willen, laßt ihn nicht herein!‹ Rasch wandten wir uns nach dem Fenster um, an dem sein entsetzter Blick haftete und sahen ein Gesicht gegen die Scheiben gepreßt, das aus der Dunkelheit zu uns hereinschaute. Es war ein bärtiges, behaartes Gesicht mit wilden, grausamen Augen; Haß und Bosheit im Ausdruck. Wir stürzten ans Fenster, mein Bruder und ich, aber der Mann war fort. Als wir zu meinem Vater zurückkehrten – war sein Kopf in die Kissen gesunken und sein Puls hatte aufgehört zu schlagen. –
»Wir durchsuchten während der Nacht den Garten, aber es war keine Spur des Eindringlings zu entdecken, nur gerade unter dem Fenster fand sich der Abdruck eines Fußes im Blumenbeet. Ohne diesen schlagenden Beweis hätten wir glauben können, das wilde grimmige Gesicht am Fenster sei nur eine Ausgeburt unserer Einbildungskraft gewesen. Bald sollten wir jedoch die Gewißheit erhalten, daß wir rings von Spähern umgeben waren. Am Morgen fand man meines Vaters Zimmerfenster offen stehen und alle Schränke und Kästen durchwühlt. Auf seiner Brust aber war ein Papierfetzen befestigt, auf welchem mit kritzlicher Hand die Worte geschrieben standen: ›Das Zeichen der Vier.‹ Was das zu bedeuten hatte, oder wer unser heimlicher Besucher war, haben wir nie erfahren. Wir vermißten nichts von meines Vaters Eigentum, obgleich alles durcheinander geworfen war. Natürlich brachten wir dieses seltsame Ereignis mit der Angst in Verbindung, welche meinen Vater bei Lebzeiten verfolgt hatte, aber es ist uns noch heute ein vollständiges Rätsel.«
Thaddäus Scholto schwieg, zündete seine Huka wieder an und rauchte einige Augenblicke gedankenvoll vor sich hin. Wir hatten alle in regungsloser Spannung seiner seltsamen Erzählung zugehört. Bei dem kurzen Bericht über ihres Vaters Tod war Fräulein Morstan leichenblaß geworden und schien einer Ohnmacht nahe; doch faßte sie sich glücklicherweise bald wieder. Sherlock Holmes lehnte ganz in Gedanken versunken, mit geschlossenen Lidern in seinem Stuhl. Erst heute morgen hatte er noch bitterlich über die Alltäglichkeit des Lebens geklagt; hier fand er nun ein Problem, dessen Lösung all seinen Scharfsinn in Anspruch nahm.
Mit ersichtlichem Stolz über den Eindruck, den seine Geschichte gemacht hatte, blickte uns Scholto der Reihe nach an, that einige Züge aus der Riesenpfeife und nahm dann seinen Bericht wieder auf. »Sie können sich denken, wie aufgeregt wir über den Schatz waren, von dem der Vater gesprochen hatte. Monatelang gruben und forschten wir täglich überall im Garten danach, aber immer vergebens. Wir hätten rasend werden mögen, daß er gestorben war, ohne uns das Versteck zu offenbaren, obgleich ihm das Wort schon auf den Lippen schwebte. Die köstlichen Perlen des goldenen Kranzes ließen auf die Pracht der übrigen Reichtümer schließen, zu denen er gehört hatte. Ueber diesen Kranz hatte ich mit meinem Bruder Bartholomäus einen kleinen Wortwechsel. Die Perlen waren augenscheinlich von großem Wert und er war abgeneigt, sie herzugeben, denn, unter uns gesagt, neigt mein Bruder selbst ein wenig zu dem Fehler meines Vaters. Auch scheute er sich, den Kranz fortzugeben, weil er meinte, es würde daraus ein Geschwätz entstehen, das uns schließlich Verlegenheiten bereiten könnte. Mit vieler Mühe setzte ich endlich durch, daß ich mir Fräulein Morstans Adresse verschaffen durfte, um ihr von Zeit zu Zeit eine abgelöste Perle zu schicken, damit sie wenigstens niemals in Not geraten möchte.«
»Das war sehr gut von Ihnen,« rief Sherlock Holmes eifrig. »Es beweist Ihre freundliche Gesinnung.« Der kleine Mann machte eine abweisende Gebärde.
»Wir waren ihre Pfleger,« sagte er, »so wenigstens sah ich es an. Bruder Bartholomäus betrachtete es freilich in ganz anderem Lichte. Wir besaßen ohnehin ein beträchtliches Vermögen; ich hatte kein Verlangen nach mehr. Auch schien es mir höchst verwerflich, eine junge Dame auf so gemeine Weise zu übervorteilen. Da mein Bruder jedoch bei seiner abweichenden Meinung verharrte, hielt ich es zuletzt für das Beste, mir eine besondere Wohnung einzurichten. Ich verließ Pondicherry-Lodge und nahm den alten Khitmutgar und Williams mit. Gestern erfuhr ich indessen, daß ein Ereignis von größter Wichtigkeit eingetreten sei. Der Schatz ist entdeckt worden. Ich schrieb sogleich an Fräulein Morstan wegen dieser Zusammenkunft, und wir brauchen jetzt nur noch nach Norwood hinauszufahren und unsern Anteil zu fordern. Ich habe Bruder Bartholomäus bereits gestern abend meine Ansicht auseinandergesetzt. Er erwartet unsern Besuch, wenn wir ihm auch schwerlich willkommen sein werden.«
Thaddäus Scholto war zu Ende und saß mit unruhig zuckenden Mienen in seinem weichen Lehnsessel. Wir blieben alle eine Weile stumm vor Überraschung über die neue Wendung, welche die geheimnisvolle Angelegenheit genommen hatte, bis Holmes endlich aufsprang.
»Sie haben richtig gehandelt, mein Herr, von Anfang bis zu Ende,« rief er. »Vielleicht werden wir imstande sein, uns Ihnen erkenntlich zu erweisen, indem wir aufzuklären versuchen, was bis jetzt noch dunkel ist. Lassen Sie uns nun aber auch ohne allen Aufschub ans Werk gehen.«
Unser neuer Bekannter rollte den Schlauch seiner Hula sehr sorgfältig auf, holte dann hinter einem Vorhang seinen langen, gefütterten Ueberzieher mit Kragen und Aufschlägen von Astrachan hervor, den er trotz der drückend warmen Nacht fest zuknöpfte. Eine Kappe von Kaninchenfell mit Ohrenklappen vollendete seinen Anzug, so daß nichts von ihm sichtbar war, als das spitze, bewegliche Gesicht.
»Ich bin etwas kränklich,« bemerkte er, während er den Gang hinunter uns voranschritt, »und bin genötigt, auf meine zarte Gesundheit Rücksicht zu nehmen.«
Draußen stand unser Wagen schon bereit, und kaum waren wir eingestiegen, so fuhr der Kutscher sogleich in schnellem Trabe davon. Thaddäus Scholto sprach unaufhörlich mit seiner hohen, scharfen Stimme, die von dem Gerassel der Räder nicht übertönt wurde.
»Bartholomäus ist ein gescheiter СКАЧАТЬ