Gesammelte Werke: Kriminalromane + Detektivgeschichten + Historische Romane. Arthur Conan Doyle
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Kriminalromane + Detektivgeschichten + Historische Romane - Arthur Conan Doyle страница 34

Название: Gesammelte Werke: Kriminalromane + Detektivgeschichten + Historische Romane

Автор: Arthur Conan Doyle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026850861

isbn:

СКАЧАТЬ Begabung schon vor mir bethätigt hatte – das alles machte mich ihm gegenüber ängstlich und zurückhaltend.

      Aber an diesem Nachmittage fühlte ich plötzlich, daß ich es nicht länger aushalten könne. Der starke Wein, den ich beim Frühstück genossen, mochte mir wohl zu Kopfe gestiegen sein, vielleicht hatte mich auch Holmes’ umständliche Manier ganz besonders gereizt.

      »Was ist denn heute an der Reihe,« fragte ich kühn entschlossen, »Morphium oder Cocaïn?«

      Er erhob die Augen langsam von dem alten Folianten, den er aufgeschlagen hatte.

      »Cocaïn,« sagte er, »eine Lösung von sieben Prozent. Wünschen Sie’s zu versuchen, Doktor Watson?«

      »Wahrhaftig nicht,« antwortete ich ziemlich barsch. »Ich habe die Folgen des afghanischen Feldzugs noch nicht verwunden und kann meiner Konstitution dergleichen nicht zumuten.«

      Er lächelte über meine Heftigkeit. »Vielleicht haben Sie recht, der physische Einfluß ist vermutlich kein guter. Ich finde aber die Wirkung auf den Geist so vorzüglich anregend und klärend, daß alles andere dagegen von geringem Belang ist.«

      »Aber überlegen Sie doch,« mahnte ich eindringlich, »berechnen Sie die Kosten! Mag auch Ihre Hirnthätigkeit belebt und erregt werden, so ist es doch ein widernatürlicher, krankhafter Vorgang, der einen gesteigerten Stoffwechsel bedingt und zuletzt dauernde Schwäche zurücklassen kann. Auch wissen Sie ja selbst, welche düstere Reaktion Sie jedesmal befällt. Wahrlich, das Spiel kommt Sie zu hoch zu stehen. Um eines flüchtigen Vergnügens willen setzen Sie sich dem Verlust der hervorragenden Fähigkeiten aus, mit denen Sie begabt sind. Ich sage Ihnen das nicht nur als wohlmeinender Kamerad, sondern als Arzt, da ich mich in dieser Eigenschaft gewissermaßen für Ihre Gesundheit verantwortlich fühle. Bedenken Sie das wohl!«

      Er schien nicht beleidigt. Seine Ellenbogen auf die Armlehnen des Stuhls stützend, legte er die Fingerspitzen gegeneinander, wie jemand, der sich zu einem Gespräch anschickt.

      »Mein Geist,« sagte er, »empört sich gegen den Stillstand. Geben Sie mir ein Problem, eine Arbeit, die schwierigste Geheimschrift zu entziffern, den verwickeltsten Fall zu enträtseln. Dann bin ich im richtigen Fahrwasser und kann jedes künstliche Reizmittel entbehren. Aber ich verabscheue das nackte Einerlei des Daseins; mich verlangt nach geistiger Aufregung. Das ist auch die Ursache, weshalb ich mir einen eigenen, besondern Beruf erwählt oder vielmehr geschaffen habe; denn ich bin der Einzige meiner Art in der Welt.«

      »Der einzige, nicht angestellte Detektiv?« – fragte ich mit ungläubiger Miene.

      »Der einzige, nicht angestellte, beratende Detektiv,« entgegnete er. »Ich bin die letzte und sicherste Instanz im Detektivfach. Wenn Gregson, oder Lestrade, oder Athelney Jones auf dem Trocknen sind – was, beiläufig gesagt, ihr normaler Zustand ist – so wird mir der Fall vorgelegt. Ich untersuche die Thatsachen als Kenner und gebe den Ausspruch des Spezialisten. Mein Name erscheint in keiner Zeitung, ich beanspruche keinerlei Anerkennung. Die Arbeit an sich, das Vergnügen, ein angemessenes Feld für meine besondere Gabe der Beobachtung und Schlußfolgerung zu finden, ist mein höchster Lohn. – Uebrigens bin ich nicht ganz unbekannt; meine kleinen Schriften werden sogar jetzt ins Französische übertragen.«

      »Ihre Schriften?«

      »O, wußten Sie es nicht?« rief er lachend. »Sie behandeln lauter technische Gegenstände. – Hier ist z. B. eine Abhandlung ›Ueber die Verschiedenheit der Tabakasche‹. Ich zähle da hundert und vierzig Sorten auf: Rauchtabak, Zigarren und Zigaretten, deren Asche sich unterscheiden läßt, wie Sie aus den beigedruckten, farbigen Tafeln ersehen. Vor Gericht ist das oft von der größten Bedeutung. Wenn man z. B. mit Bestimmtheit sagen kann, daß ein Mord von einem Manne verübt worden ist, der eine indische Lunkah rauchte, so wird dadurch offenbar das Feld der Untersuchung wesentlich beschränkt. Für das geübte Auge unterscheidet sich die schwarze Asche der Trichinopolly-Zigarre von den weißen Fasern des Birds Eye-Tabaks wie ein Kohlkopf von einer Kartoffel.«

      »Sie haben ein außerordentliches Genie für kleine Nebendinge,« bemerkte ich.

      »Ich erkenne ihre Wichtigkeit. – Hier ist ferner mein Aufsatz über die Erforschung der Fußspuren, mit Anmerkungen über den Gips als Mittel, die Abdrücke zu bewahren. Dies hier ist ein kleines, merkwürdiges Schriftchen über den Einfluß des Handwerks auf die Form der Hand, mit Abbildungen der Hände von Dachdeckern, Schiffern, Zimmerleuten, Schriftsetzern, Webern und Diamantschleifern. Das ist von großem praktischen Interesse für den wissenschaftlichen Detektiv, besonders wo es sich um die Erkennung von Leichen oder um die Vorgeschichte der Verbrecher handelt. – Aber ich langweile Sie mit meinem Steckenpferde.«

      »Durchaus nicht,« erwiderte ich eifrig. »Ich interessiere mich sehr dafür, seit ich Gelegenheit hatte, Zeuge seiner praktischen Anwendung zu sein. Sie sprachen soeben von Beobachtung und Schlußfolgerung, sind diese nicht in gewissem Grade gleichbedeutend?«

      »Hm – kaum.«

      Er lehnte sich behaglich in den Lehnstuhl zurück und blies dichte blaue Wolken aus seiner Pfeife. »Die Beobachtung zeigt mir z. B., daß Sie heute früh in der Wigmorestraße auf der Post gewesen sind, aber die Schlußfolgerung läßt mich wissen, daß Sie dort ein Telegramm aufgegeben haben.«

      »Richtig! Beides trifft zu,« rief ich. »Aber wie in aller Welt haben Sie das herausgebracht? Der Gedanke kam mir ganz plötzlich, und ich habe keiner Seele etwas davon gesagt.«

      »Das ist lächerlich einfach,« sagte er, vergnügt über mein Erstaunen, »und erklärt sich eigentlich ganz von selbst; es kann jedoch dazu dienen, die Grenzen der Beobachtung und der Schlußfolgerung festzustellen. – Die Beobachtung sagt nur, daß ein kleiner Klumpen rötlicher Erde an Ihrer Fußsohle klebt. – Nun wird aber gerade beim Postamt in der Wigmorestraße das Pflaster ausgebessert, und dabei ist die ausgeworfene Erde vor den Eingang zu liegen gekommen. Diese Erde hat eine absonderliche, rötliche Färbung, wie sie, soviel ich weiß, sonst nirgends in der Umgegend vorkommt. Das ist die Beobachtung. Das übrige ist Schlußfolgerung.«

      »Und wie folgerten Sie das Telegramm?«

      »Je nun, ich wußte natürlich, daß Sie keinen Brief geschrieben hatten, da ich den ganzen Morgen Ihnen gegenüber gesessen habe. In ihrem offenen Pult dort liegt auch noch ein Vorrat von Briefmarken und Postkarten. Wozu könnten Sie also auf die Post gegangen sein, außer um eine Depesche abzugeben? – Räumt man alle andern Faktoren fort, so muß der, welcher übrig bleibt, den wahren Sachverhalt zeigen.«

      »In diesem Fall trifft das zu,« erwiderte ich nach einigem Bedenken. »Die Lösung war allerdings höchst einfach. Ich möchte jedoch Ihre Theorie einmal einer strengeren Probe unterwerfen, wenn Sie das nicht unbescheiden finden?«

      »Im Gegenteil,« versetzte er, »es wäre mir sehr lieb; wenn Sie mir irgend ein Problem zu erforschen geben, brauche ich heute keine zweite Dosis Cocaïn zu nehmen.«

      »Ich habe Sie einmal behaupten hören, daß der Mensch den Gegenständen, welche er im täglichen Gebrauch hält, fast ausnahmslos den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrückt, so daß ein geübter Beobachter an den Sachen den Charakter ihres Eigentümers zu erkennen vermag. Nun habe ich hier eine Uhr, die mir noch nicht lange gehört. Würden Sie wohl die Güte haben, mir Ihre Meinung über die Eigenschaften und Gewohnheiten des früheren Besitzers zu sagen?«

      Ich reichte ihm die Uhr, nicht ohne ein Gefühl innerer Belustigung. Die Aufgabe war nach meinem Bedünken unlösbar; ich wollte ihm damit nur eine kleine Lehre geben wegen des allzu anmaßenden Tones, den er zuweilen annahm. СКАЧАТЬ