Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Das Ende vom Lied
Der Tisch war aus ungehobelten Brettern verfertigt, und es wurde daher den Männern, die an ihm saßen und spielten, oft schwer genug, ihre Stiche auf der rauen Fläche einzuheimsen. Obgleich alle in Hemdsärmeln dasaßen, perlte doch der Schweiß auf ihren Gesichtern, was indessen nicht verhinderte, dass ihre Füße, die in Mokassins und dicke, wollene Strümpfe gehüllt waren, vor Kälte schmerzten. So groß war der Temperaturunterschied zwischen der Luft am Fußboden und der höher im Raum, obwohl die Decke niedrig war. Der gusseiserne Yukonofen glühte und summte, aber auf dem Fleischgerüst, das nur acht Fuß von ihm unten am Fußboden neben der Tür angebracht war, lagen große Stücke Elchfleisch und Bacon, die völlig gefroren waren. Das unterste Drittel der Tür war mit einer dicken Eiskruste bedeckt. Durch die Ritzen zwischen den Planken hinter den Betten sah man den weißglitzernden Schnee draußen. Ein Fenster aus Ölpapier ließ das Licht herein. Den unteren Teil des Papiers hatte der Atem der Männer auf der Innenseite einen Zoll dick mit gefrorener Feuchtigkeit beschlagen.
Sie spielten einen höchst spannenden Rubber-Whist,1 denn das Paar, das ihn verlor, hatte durch die sieben Fuß dicke Eis- und Schneekruste des Yukons ein Loch zum Fischen zu bohren.
»Es ist auch verflucht selten, dass wir im März solche Kälte haben«, bemerkte der Mann, der gerade mischte. »Wie viel meinst du, sind es heute, Bob?«
»Na, fünfundfünfzig bis sechzig Grad unter Null, denke ich. Mehr nicht. Was meinen Sie, Doktor?«
Der Doktor wandte den Kopf und betrachtete den unteren Teil der Tür mit einem prüfenden Blick.
»Nicht um ein Tüttelchen mehr als fünfzig Grad. Wenn das nicht genau stimmen sollte, so ist es eher ein bisschen wärmer – neunundvierzig vielleicht! Guckt euch das Eis an der Tür an. Es ist gerade bei der Marke für fünfzig Grad angelangt, aber der obere Rand ist, wie ihr seht, nicht ganz regelmäßig. Als es seinerzeit siebzig Grad waren, stieg das Eis um vier Zoll höher.« Er nahm seine Karten, und während er sie sortierte, rief er, als an die Tür geklopft wurde, laut »Herein!«
Der Mann, der jetzt eintrat, war ein großer, breitschultriger Schwede. Freilich erkannte man seine Nationalität erst, als er seine Mütze mit den Ohrenklappen abgenommen und das Eis aufgetaut hatte, das sich in seinem Bart gebildet und sein Gesicht unkenntlich gemacht hatte. Unterdessen spielten die Männer ruhig weiter.
»Ich hab’ gehört, dass es einen Doktor hier in diesem Lager gibt«, sagte der Schwede fragend und sah ängstlich von einem zum anderen. Sein Gesicht war abgemagert und durch andauernde starke Schmerzen verzerrt. »Ich habe einen weiten Weg hinter mir. Ich komme aus der Gegend nördlich von Whyo.«
»Ich bin der Doktor! Was ist denn mit Ihnen los?«
Als Antwort hob der Mann seine linke Hand, deren Zeigefinger furchtbar angeschwollen war. Gleichzeitig begann er eine weitschweifige, ziemlich unzusammenhängende Geschichte über Zeit und Art seines Unfalls zu erzählen.
»Zeigen Sie mal her«, unterbrach ihn der Doktor ungeduldig. »Legen Sie den Finger auf den Tisch. Hier, so!«
Vorsichtig gehorchte der Mann, als sei es ein gefährliches Geschwür.
»Hm«, knurrte der Doktor. »Eine Sehnenzerrung. Und dreihundert Meilen sind Sie gereist, um den Dreck in Ordnung zu kriegen. Ich werde Sie im Handumdrehen kurieren. Passen Sie gut auf, wie ich es mache, dann können Sie es das nächste Mal selber.«
Ohne den Mann gewarnt zu haben, schlug der Arzt mit der Handkante auf den geschwollenen Finger. Der Schwede stieß einen Ruf der Verblüffung und des Schmerzes aus. Es klang eher wie der Schrei eines wilden Tieres, und sein Gesichtsausdruck war so erregt und wütend, als wollte er sich auf den Mann stürzen, der sich diesen Spaß erlaubt hatte.
»Schon in Ordnung«, erklärte der Doktor in scharfem, gebieterischem Ton. »Wie fühlen Sie sich jetzt? Besser, nicht wahr? Selbstverständlich! Das nächste Mal können Sie es selber. Sie geben, Stroters. Ich glaube, die Reihe ist an Ihnen.«
Der Stier von einem Schweden begriff anscheinend schwer. Erst allmählich wurde ihm das Geschehene klar, und er beruhigte sich. Der stechende Schmerz war vorbei, der Finger fühlte sich schon besser an. Er tat auch nicht mehr weh. Er betrachtete neugierig den Finger, seine Augen waren voller Staunen, und er bewegte die Hand hin und her. Dann steckte er sie in die Tasche und holte seinen Geldbeutel hervor.
»Wie viel?«
Der Arzt schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nichts, ich praktiziere im Augenblick nicht – Sie spielen aus, Bob!«
Der Schwede trat schwerfällig von einem seiner riesigen Füße auf den anderen, besah sich den Finger wieder und wandte sich dann mit einem bewundernden Blick an den Doktor.
»Sie sind ein guter Mensch. Wie heißen Sie?«
»Linday, Dr. Linday«, antwortete Stroters kurz, als wollte er seinen Spielgegner nicht noch mehr reizen.
»Der Tag ist ja schon halb vorbei«, sagte Dr. Linday zu dem Schweden, als das Spiel fertig war und er die Karten zu mischen begann. »Es ist besser, Sie bleiben die Nacht über hier. Es ist zu kalt zum Fahren heute. Drüben ist eine Reservekoje.«
Er war ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit hagerem Gesicht und dünnen Lippen und kräftig gebaut. Sein glattrasiertes Gesicht war blass, aber gesund. Alle seine Bewegungen waren schnell und entschieden. Er suchte nicht, wie die anderen, in seinen Karten. Seine schwarzen Augen hatten einen offenen, scharfen Blick, der den Eindruck machte, als könnte er die Oberfläche aller Sachen durchdringen. Seine Hände waren schlank, fein und nervig. Sie schienen für Arbeiten geschaffen, die Zartheit und feines Empfinden erforderten, und machten dabei doch selbst auf den unerfahrensten Beobachter einen Eindruck von Kraft.
»Gewonnen«, sagte er, als er den letzten Stich einstrich. »Jetzt gilt es den Rubber, und wer das Loch ins Eis machen muss.«
Ein energisches Klopfen an СКАЧАТЬ