Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»Oder ein Mann gegen fünf Stiere«, sagte Maria Valenzuela, und wir lachten alle, und Luis Cervallos lachte am lautesten.
»Ja«, sagte John Harned, »gegen fünf Stiere, und der Mann darf, ebenso wie die Stiere, nie vorher in der Arena gestanden haben. Ein Mann wie Sie, Señor Cervallos.«
»Und doch lieben wir Spanier den Stierkampf«, sagte Luis Cervallos, und ich möchte darauf schwören, dass der Teufel ihm zuflüsterte, das zu tun, was ich Ihnen jetzt erzählen will.
»Dann muss es ein anerzogener Geschmack sein«, antwortete John Harned. »Wir töten Tausende von Stieren täglich in Chicago, aber nicht ein einziger würde etwas bezahlen, um zusehen zu dürfen.«
»Das ist Schlachterei«, sagte ich. »Dies aber, oh, dies ist Kunst. Es ist prachtvoll. Es ist herrlich. Es ist auserlesen.«
»Nicht immer«, sagte Luis Cervallos. »Ich habe ungeschickte Matadore gesehen und kann Ihnen versichern, dass es nicht schön war.«
Ihn schauerte, und in seiner Miene malte sich Ekel ab, und in diesem Augenblick wusste ich, dass der Teufel ihm etwas zuflüsterte und dass er seine Rolle zu spielen begann.
»Vielleicht hat Señor Harned recht«, fuhr Luis Cervallos fort. »Gegenüber dem Stier ist es vielleicht kein ehrliches Spiel. Wissen wir nicht alle, dass der Stier vierundzwanzig Stunden lang kein Wasser bekommt, aber unmittelbar vor dem Kampf soviel Wasser trinken darf, wie er will?«
»Und dann kommt er schwer von Wasser in die Arena?« fragte John Harned schnell, und ich sah, dass seine Augen sehr grau, sehr scharf und sehr kalt waren.
»Das ist notwendig für den Sport«, erklärte Luis Cervallos. »Wollen Sie, dass der Stier so stark ist, dass er die Toreadore tötet?«
»Ich möchte nur, dass er eine Chance im Kampfe haben soll«, sagte John Harned und blickte wieder in die Arena, um den zweiten Stier hereinkommen zu sehen.
Es war kein guter Stier. Er hatte Furcht. Er lief in der Arena herum und suchte eine Stelle, wo er hinausschlüpfen könnte. Die Kapeadore traten vor und schwangen ihre Mäntel, aber er wollte sie nicht angreifen.
»Es ist ein dummer Stier«, sagte Maria Valenzuela.
»Verzeihung«, sagte John Harned. »Ich finde, es ist ein kluger Stier. Er weiß, dass er nicht mit Menschen kämpfen kann. Sehen Sie! Er wittert schon den Tod in der Arena.«
Wirklich. Der Stier war an der Stelle stehengeblieben, wo der erste getötet wurde, und er roch an dem nassen Sand und schnaufte, dann lief er wieder in der Arena herum und betrachtete mit erhobenem Kopf die Tausende von Menschen, die ihn auspfiffen, ihn mit Apfelsinenschalen bewarfen und beschimpften. Aber der Blutgeruch ließ ihn seinen Entschluss fassen, und er griff einen Kapeador ganz plötzlich und unerwartet an, dass der Mann ihm nur mit Mühe und Not entkam. Er ließ seinen Umhang fallen und suchte Schutz hinter der Barriere, gegen die der Stier krachend prallte.
Und John Harned sagte leise wie zu sich selber:
»Ich gebe tausend Dollar für das Quitoer Krankenhaus, wenn der Stier heute einen Mann tötet.«
»Sie haben Stiere gern?« fragte Maria Valenzuela lächelnd.
»Jedenfalls lieber als solche Männer«, sagte John Harned. »Ein Toreador ist kein tapferer Mann. Er kann kein tapferer Mann sein. Sehen Sie, der Stier lässt schon die Zunge heraushängen. Er ist müde, und dabei hat es noch gar nicht angefangen.«
»Das macht das Wasser«, sagte Luis Cervallos.
»Ja, das macht das Wasser«, sagte John Harned. »Wäre es nicht am sichersten, den Stier zu fesseln, ehe er angreift?«
Maria Valenzuela wurde zornig über den Hohn in John Harneds Worten. Aber Luis Cervallos lächelte, dass ich es sah, und in diesem Augenblick erkannte ich, welche Komödie er spielte. Er und ich sollten Banderillos spielen. Der große amerikanische Stier saß neben uns in der Loge. Wir sollten ihn mit Wurfpfeilen spicken, bis er böse wurde, denn dann wurde vielleicht nichts aus einer Ehe zwischen ihm und Maria Valenzuela. Das war ein guter Sport. In unsern Adern rann Stierkämpferblut.
Der Stier war jetzt zornig und aufgeregt. Die Kapeadore spielten prachtvoll mit ihm. Er war sehr beweglich, und zuweilen machte er so plötzlich kehrt, dass seine Hinterbeine den Halt verloren und er den Sand mit seinem Hinterteil pflügte. Aber er griff immer nur die flatternden Umhänge an und tat keinem etwas.
»Er hat keine Chance«, sagte John Harned. »Er kämpft mit dem Winde.«
»Er glaubt, dass der Umhang sein Feind sei«, erklärte Maria Valenzuela. »Sehen Sie, wie gewandt die Kapeadore ihn anführen.«
»Es ist sein Schicksal, sich anführen zu lassen«, sagte John Harned. »Deshalb ist er im voraus dazu verurteilt, mit dem Winde zu kämpfen, das wissen die Toreadore. Und das Publikum weiß es auch. Sie wissen es, ich weiß es, wir alle wissen von Anfang an, dass er mit dem Winde kämpfen muss. Nur er allein weiß es nicht. Weil er ein Tier ist. Er hat keine Chance.«
»Es ist ganz einfach«, sagte Luis Cervallos. »Der Stier schließt die Augen, wenn er angreift. Deshalb –«
»Tritt der Mann beiseite, und der Stier stürzt an ihm vorbei«, fiel John Harned ihm ins Wort.
»Ja«, sagte Luis Cervallos. »So ist es. Der Stier schließt die Augen, und das weiß der Mann.«
»Aber Kühe schließen nicht die Augen«, sagte John Harned. »Ich kenne in meiner Heimat eine Kuh, eine Jersey-Kuh, die Milch gibt; die würde mit der ganzen Gesellschaft doch fertig werden.«
»Aber die Toreadore kämpfen nicht mit Kühen«, sagte ich.
»Sie haben Angst davor«, sagte John Harned.
»Ja«, sagte Luis Crevallos. »Sie haben Angst davor, mit Kühen zu kämpfen. Es würde kein Sport sein, СКАЧАТЬ