Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
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Название: Gesammelte Werke von Dostojewski

Автор: Федор Достоевский

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204205

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СКАЧАТЬ ist für sie eine Art Zeitvertreib.«

      Eine Zeitlang hatte Raskolnikow schon die Absicht gehabt, aufzustehen und hinauszugehen und dadurch diesem Besuche ein Ende zu machen. Aber eine gewisse Neugier und sogar etwas Berechnung hielten ihn davon zurück.

      »Es macht Ihnen wohl Vergnügen, jemand zu prügeln?« fragte er ihn zerstreut.

      »Besonderes Vergnügen gerade nicht«, antwortete Swidrigailow ruhig. »Und meine Frau habe ich fast nie geprügelt. Wir lebten sehr einträchtig, und sie war mit mir immer zufrieden. Die Peitsche habe ich während unserer ganzen siebenjährigen Ehe nur zweimal in Gebrauch genommen (wenn ich einen dritten Fall nicht mitrechne, bei dem eine sehr verschiedene Auffassung möglich ist), das erstemal zwei Monate nach unserer Hochzeit, gleich nach unserer Ankunft auf dem Gute, und dann dieser jetzige, letzte Fall. Und Sie hatten wohl schon gedacht, ich wäre so ein Ungeheuer, ein Reaktionär, ein Verteidiger der Leibeigenschaft? Ha-ha-ha! … Apropos: erinnern Sie sich nicht, Rodion Romanowitsch, wie vor einigen Jahren bei uns über einen Edelmann – ich habe seinen Namen vergessen –, der eine Deutsche im Eisenbahncoupé geprügelt hatte, in der gesamten Presse aufs ärgste geschimpft wurde? Erinnern Sie sich? Na, meine Meinung darüber ist die: für den Herrn, der diese Deutsche durchgehauen hat, hege ich keine tiefe Sympathie; denn das war ja in der Tat … wie kann man da mit ihm sympathisieren! Aber dabei kann ich doch eine Bemerkung nicht unterdrücken: es kommen manchmal deutsche Frauenzimmer vor, die einem so die Galle erregen, daß meiner Ansicht nach selbst ein Vertreter der modernen Ideen für seine Selbstbeherrschung nicht einstehen kann. Von diesem Standpunkte aus hat damals niemand die Sache betrachtet, und dabei ist dies doch der wahrhaft humane Standpunkt, ganz zweifellos!«

      Nach diesen Worten lachte Swidrigailow von neuem auf. Raskolnikow war sich ganz klar darüber, daß er da einen Menschen vor sich hatte, der ein Ziel fest ins Auge gefaßt hatte und nun mit aller Energie darauf losging.

      »Sie haben sich gewiß seit mehreren Tagen mit niemand unterhalten?« fragte er.

      »Das stimmt so ungefähr. Wieso? Sie wundern sich wohl, daß ich so viel rede?«

      »Nein, ich wundere mich darüber, daß Sie zu viel reden.«

      »Sie meinen, ich sollte mich durch Ihre unhöflichen Bemerkungen gekränkt fühlen und das Gespräch abbrechen, nicht wahr? Ja …, warum sollte ich mich gekränkt fühlen? Wir zahlen uns ja wechselseitig mit gleicher Münze!« fügte er mit erstaunlich gutherziger Miene hinzu. »Ich habe eigentlich so gut wie nichts, was mein Interesse besonders in Anspruch nähme, wahrhaftig«, fuhr er wie in Gedanken fort; »namentlich jetzt habe ich gar keine Beschäftigung … Übrigens mögen Sie meinetwegen ruhig denken, daß ich mich in bestimmter Absicht bei Ihnen einschmeicheln möchte, um so mehr, da ich ein Anliegen an Ihre Schwester habe, wie ich Ihnen schon selbst erklärte. Aber ich sage Ihnen ganz aufrichtig: ich langweile mich gräßlich, namentlich diese letzten drei Tage, so daß ich mich ordentlich auf Ihre Bekanntschaft gefreut habe … Nehmen Sie es mir nicht übel, Rodion Romanowitsch, aber Sie selbst kommen mir außerordentlich sonderbar vor, ohne daß ich mir über diesen Eindruck Rechenschaft geben könnte. Mit Ihrer Erlaubnis, aber Sie haben irgend etwas, und zwar gerade jetzt; ich meine nicht speziell in diesem Augenblicke, sondern in weiterem Sinne: jetzt … Nun, nun, ich bin ja schon still, bin ja schon still, machen Sie nur nicht gleich ein so finsteres Gesicht! Ich bin ja gar nicht so ein ungebildeter Bär, wie Sie denken.«

      Raskolnikow sah ihn finster an.

      »Ein ungebildeter Bär sind Sie wohl überhaupt nicht«, erwiderte er. »Es scheint mir sogar, daß Sie zur guten Gesellschaft gehören oder wenigstens verstehen, gelegentlich auch einmal ein ordentlicher Mensch zu sein.«

      »Ich kümmere mich herzlich wenig um anderer Leute Meinung über mich«, antwortete Swidrigailow trocken und sogar mit einem Beiklange von Hochmut. »Warum soll man nicht auch manchmal gemein sein, da doch die Gemeinheit ein für unser Klima so vortrefflich geeignetes Kostüm ist, und … und namentlich, wenn man überdies eine natürliche Neigung dazu besitzt«, fügte er hinzu und lachte wieder.

      »Ich habe aber doch gehört, daß Sie hier viele Bekannte haben, was man so ›gute Konnexionen‹ nennt. Warum suchen Sie denn unter diesen Umständen mich auf, wenn Sie nicht etwa bestimmte Absichten haben?«

      »Sie haben ganz recht, ich habe hier allerdings Bekannte«, antwortete Swidrigailow, ohne auf den Hauptpunkt einzugehen, »ich bin auch schon manchem begegnet; ich treibe mich ja schon seit vorgestern hier umher; ich selbst erkenne sie wieder und sie mich wohl auch. Natürlich, ich bin eben anständig gekleidet und gelte als wohlsituierter Mann; uns hat ja die Aufhebung der Leibeigenschaft nicht schwer betroffen: wir haben viel Wald und Überschwemmungswiesen, diese Einnahmen gehen uns nicht verloren. Aber ich mache meinen ehemaligen Bekannten keine Besuche; ich war auch schon früher ihrer überdrüssig geworden; ich gehe nun schon den dritten Tag so umher und gebe mich keinem zu erkennen … Und was ist das hier für eine Stadt! Ich meine, wie hat sie sich entwickelt, nicht wahr? Eine Stadt der Bureaus und aller nur denkbaren Bildungsanstalten! Wahrhaftig, ich habe vieles hier früher nicht beachtet, als ich mich vor acht Jahren in der Stadt umhertrieb … Jetzt hoffe ich nur noch auf die Anatomie, weiß Gott!«

      »Wieso auf die Anatomie?«

      »Aber was diese Klubs und diese französischen Restaurants und die ganze moderne Richtung anlangt«, fuhr er, wieder ohne die Frage zu beachten, fort, »so können mir die gestohlen bleiben. Und Falschspieler zu sein, da ist auch nicht viel Spaß dabei!«

      »Sind Sie denn auch Falschspieler gewesen?«

      »Gewiß, das war ein Ding der Notwendigkeit. Wir waren eine ganze Gesellschaft vor acht Jahren, eine höchst anständige Gesellschaft; damit füllten wir unsere Zeit aus; und wissen Sie, es waren sämtlich Leute mit guten Manieren, auch Dichter waren darunter und Kapitalisten. Überhaupt findet man bei uns, in der russischen Gesellschaft, die besten Manieren bei denen, die schon manchmal Prügel bekommen haben – haben Sie das nicht auch beobachtet? Ich bin ja nun auf dem Lande jetzt etwas verwildert. Und doch hatte ich damals schon ins Schuldgefängnis wandern müssen; so ein Njeshiner Grieche hatte mich einsperren lassen. Da erschien plötzlich Marfa Petrowna als rettender Engel, handelte mit dem Gläubiger hin und her und kaufte mich für dreißigtausend Rubel los (im ganzen war ich siebzigtausend schuldig). Ich ging mit ihr eine gesetzliche Ehe ein, und sie nahm mich sogleich mit sich fort auf ihr Gut wie einen erbeuteten Schatz. Sie war ja fünf Jahre älter als ich und furchtbar in mich verliebt. Sieben Jahre lang bin ich nicht vom Dorfe weggekommen. Und denken Sie sich, die ganze Zeit über hielt sie einen Schuldschein über die dreißigtausend Rubel, den ich ihr auf einen fremden Namen hatte ausstellen müssen, als Waffe gegen mich im Hintergrunde bereit; damit hielt sie mich in ihrer Gewalt, so daß, wenn ich mir hätte beikommen lassen, gegen sie in irgendeiner Hinsicht zu revoltieren, sie mich sofort einsperren lassen konnte! Und sie hätte es getan! Bei den Weibern wohnen Haß und Liebe dicht beieinander.«

      »Wenn der Schuldschein nicht gewesen wäre, hätten Sie sich wohl längst davongemacht?«

      »Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Dieser Schuldschein genierte mich so gut wie gar nicht. Es zog mich eigentlich nirgends hin; Marfa Petrowna regte mich selbst ein paarmal dazu an, ins Ausland zu reisen, weil sie sah, daß ich mich langweilte. Aber was sollte ich da? Im Auslande war ich auch früher schon gewesen; aber ich hatte mich da nie recht wohl fühlen können. Na ja, es ist ja ganz schön; aber sehen Sie, da erscheint die Abendröte, und da ist der Golf von Neapel und das Meer, man sieht das an, und es stimmt einen bloß schwermütig und traurig. Und solche Schwermut und Trauer ist das allerwiderwärtigste! Nein, in der Heimat ist es doch besser: hier kann man wenigstens bei allem, was einem mißfällt, andern die Schuld beimessen und sich selbst von Schuld freisprechen. Ich brächte es jetzt vielleicht fertig, mich an einer Nordpolexpedition zu beteiligen; denn j’ai le vin mauvais, und das Trinken ist mir zuwider; aber die Spirituosen sind das einzige, was mir jetzt СКАЧАТЬ