Die letzten Worte klangen wie eine unterdrückte Drohung, weshalb Powala feierlich erwiderte: »Das gebe Gott!«
So antwortend, neigte er sich leicht, wandte sich achselzuckend ab und sagte halblaut vor sich hin, doch so, daß die ihm Zunächststehenden es hören konnten: »Gelbschnabel! Am liebsten möchte ich Dich mit der Spitze meines Speeres aus dem Sattel heben und während dreier Vaterunser frei in der Luft halten.«
Unverweilt begann er hierauf eine Unterhaltung mit der Fürstin, die ihm wohl bekannt war. Anna Danuta fragte ihn, was denn seines Amtes sei, und er setzte ihr auseinander, daß er auf königlichen Befehl die Ordnung in der Umgegend aufrecht zu erhalten habe, die Sicherheit auf der Landstraße sei durch die große Zahl der Gäste gefährdet, die nach Krakau zogen. Gar leicht könnte sich unter ihnen ein Zwist erheben, erklärte er weiter, just eben sei er selbst Zeuge eines solchen gewesen. Er erzählte den ganzen Hergang, wennschon er aber anfänglich daran gedacht hatte, die Fürstin um Fürsprache für Zbyszko zu bitten, verschob er das nun schließlich doch auf eine spätere Zeit und vermied es, dem Streite irgend welche Bedeutung beizulegen, um die frohe Laune der Fürstin nicht zu trüben. Anna Danuta lachte sogar herzlich über den Eifer Zbyszkos, die Pfauenbüsche zu erlangen – die andern jedoch, welche der Erzählung lauschten, erkundigten sich eingehend über den Vorfall und äußerten laut ihre Bewunderung des Herrn von Taczew, der mit einer Hand den Spieß des Zbyszko zerbrochen hatte.
Der etwas prahlerisch angelegte Herr von Taczew freute sich jedoch in seinem Herzen über das Lob, das man ihm zollte, und wurde nicht müde, verschiedene seiner Thaten zu schildern, die seinen Namen bekannt gemacht hatten. So erzählte er, daß er einmal am Hofe Philipps des Kühnen von Burgund im Turniere mit einem ardennischen Ritter gekämpft habe. Nach Zertrümmerung der Speere habe er diesen umfaßt, ihn aus dem Sattel gehoben und ihn trotz seines eisernen Panzers auf Speerhöhe in die Luft geschleudert. Eine goldene Kette sei ihm dafür von Philipp dem Kühnen verliehen worden, von dessen Gemahlin aber ein Samtschuh, den er seit jener Zeit am Helme trage.
Noch größeres Staunen bemächtigte sich nun aller Hörer, nun Mikolaj von Dlugolas sagte: »In unserer heutigen verzärtelten Zeit giebt es wohl kaum Männer, wie ich sie in meiner Jugend gekannt habe, oder solche, von denen mein Vater mir erzählt hat. Wohl giebt es noch Edelleute, die einen Panzer zerbrechen, eine Armbrust ohne Schneller spannen oder ein eisernes Beil zwischen den Fingern biegen, aber die betrachten sich schon als Athleten und beehren sich über alle andern. Früher konnten dies jedoch auch Mägdlein thun …«
»Ferne sei es mir, dem zu widersprechen, daß früher die Leute kräftiger waren,« warf jetzt Powala ein, »doch auch heute findet man noch manch strammen Burschen. Mir verlieh der Herr Jesus kräftige Knochen, doch nicht zu den kräftigsten rechne ich mich in diesem Königreiche. Kennt ihr einen gewissen Zawisza aus Garbow? Dieser würde mich bezwingen.«
»Ich kenne ihn. Seine Schultern sind so breit wie die Schutzwehr des Krakauer Glockenturmes.«
»Und Dobko aus Olesnica? Er streckte einmal auf einem Turniere, das die Kreuzritter in Thorn veranstalteten, zwölf Ritter nieder, zum großen Ruhme für uns und für unser Volk.«
»Aber einer der Unseren, der Masur Staszko Ciolek war stärker als Ihr und Zawisz und Dobek. Man erzählt von ihm, er habe mit der Hand einen frischen Stamm so zusammenzupressen vermocht, daß der Saft daraus gelaufen sei.«
»Das vermag ich auch!« rief Zbyszko. Und ohne daß ihn jemand um die Probe gebeten hätte, sprang er an den Rand des Weges, riß einen dicken Ast von einem Baume und drückte ihn nach und nach so kräftig vor den Augen der Fürstin und Danusias zusammen, daß der Saft thatsächlich tropfenweise auf den Weg träufelte.
»Oho! Jesus, Jesus!« rief bei diesem Anblick Ofka aus Jarzawkow, »laßt ihn nicht in den Krieg ziehen, denn es wäre schade, wenn ein solcher Bursche vor der Hochzeit zu Grunde ginge.«
»Ja, es wäre schade!« wiederholte Macko, plötzlich aufs neue finster dareinblickend.
Aber die Fürstin lächelte freudig, und selbst Mikolaj von Dlugolas gab seine Zufriedenheit kund, während die übrigen laut Zbyszko rühmten. Wurde doch zu damaliger Zeit die Kraft mehr als jede andere Gabe geschätzt. Fröhlich blickte Danusia, der die Frauen fortwährend »Freue Dich, freue Dich!« zuriefen, auf den Gefeierten. Den überaus stolz darein schauenden Zbyszko suchte indessen Mikolaj von Dlugolas sofort zu einem gewissen Maßhalten zu bringen, indem er also sprach:
»Sei nicht gar zu stolz, denn es giebt weit kräftigere Gesellen, als Du einer bist. Ich selbst war zwar nicht Augenzeuge, aber mein Vater hat mir von einem Vorgange erzählt, der sich an dem Hofe des römischen Kaisers Karl ereignet hat. Als einmal der König Kasimir zu Besuche kam mit größerem Gefolge, befand sich auch der starke Staszko Ciolek darunter, der Sohn des Wojwoden Andrzej. Der Kaiser rühmte sich seinem Gaste gegenüber, daß zu seinen Mannen ein Böhme gehöre, der jeden Bären um den Leib packe, um ihn dann mit einer Hand zu erwürgen, ja, er veranstaltete eine Vorstellung, in welcher der Böhme zwei Bären auf diese Weise tötete. Das ließ nun unsern König nicht ruhen, ihn grämte der Gedanke, man könne seine Leute geringer achten als die des Kaisers, und wenige Tage vor der Abreise sprach er daher: ›Wißt, mein Ciolek läßt sich von dem Böhmen nicht beschämen.‹ Daraufhin wurde festgesetzt, daß die beiden nach Verlauf von drei Tagen mit einander ringen sollten. Zur bestimmten Zeit versammelten sich gar viele Edelfrauen und Ritter in dem zum Kampfplatze ausersehenen Schloßhofe. Der Wettstreit dauerte jedoch nicht lange, denn binnen kurzem brach Ciolek dem Böhmen das Kreuz, zermalmte ihm alle Knochen und ließ ihn zum Ruhme des Königs erst als Toten aus den Händen. Doch nicht genug damit! Ciolek, der seit dem Kampfe auch ›Knochenbrecher‹ genannt wurde, trug einmal ganz allein von einem Turme die Glocke, welche so groß war, daß sie sonst kaum von zwanzig Männern von der Stelle gebracht werden konnte.«
»Stand er denn damals schon im vorgeschrittenen Mannesalter?« fragte Zbyszko.
»Nein, er war noch ganz jung.«
Inzwischen war Powala aus Taczew beständig an der Seite der Fürstin geritten. Jetzt neigte er sich zu ihr, schilderte ihr wahrheitsgetreu den schlimmen Vorgang zwischen dem Kreuzritter und Zbyszko und bat sie inständigst, Fürsprache für letzteren einzulegen, der vielleicht schwer für sein unüberlegtes Vorgehen büßen müsse. Die Fürstin, der Zbyszko sehr wohl gefiel, nahm die Mitteilung voll Kummer entgegen und zeigte sich äußerst beunruhigt.
»Bei dem Bischof von Krakau bin ich wohlgelitten,« ergriff Powala nach kurzem Schweigen wieder das Wort, »ich kann also bei ihm bitten und bei der Königin. Je mehr Fürsprecher jedoch da sind, desto besser ist es für den Milchbart …«
»Wenn die Königin für ihn eintritt, wird ihm kein Haar auf dem Haupte gekrümmt werden,« erklärte Anna Danuta. »Der König stellt sie sehr hoch wegen ihrer Frömmigkeit und wegen ihrer großen Mitgift, jetzt aber verehrt er sie geradezu, da die Schmach der Unfruchtbarkeit von ihr genommen ist. In Krakau ist aber auch die Fürstin Ziemowit – eine Schwester des Königs, für die er große Liebe hegt, an sie wendet Euch. Selbstverständlich versuche auch ich alles, was in meiner Macht steht, allein jene ist ihm leiblich verwandt, und ich bin nur seine Base.«
»Der König ist aber doch sehr eingenommen für Euch, edle Frau.«
»Ach, nicht so sehr,« entgegnete in etwas schmerzlichem Tone die Fürstin. »Ich werde mit dem Gliede einer goldenen Kette abgefunden, während jene eine ganze Kette erhält, für mich wird ein Fuchspelz als ganz genügend erachtet, jene aber muß einen Zobelpelz haben. Für keinen Menschen in der Familie hegt der König eine solche Vorliebe, wie für Alexandra. Ich erinnere mich keines einzigen Tages, an dem er sie mit leeren Händen entlassen hätte …«
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