»Traun, Du hast recht!« antwortete Macko. »Aber vielleicht kommt es gar nicht zum Kampf.«
Zbyszko runzelte die Stirne und auf seinem Gesichte drückte sich die offenbar allen Männern aus Bogdaniec angeborene Energie aus, auch sah er in diesem Augenblick, besonders in der Art wie er vor sich hinschaute, Macko so ähnlich, als ob er dessen leiblicher Sohn gewesen wäre.
»Was gäbe ich darum,« sagte er in dumpfem Tone, »wenn ich Zygfryd, diesen Bluthund, vor Jurands Füße legen könnte – Gott gewähre mir dies!«
»Er gewähre Dir dies!« wiederholte Macko.
Unter solchen Gesprächen hatten sie eine große Strecke zurückgelegt, als die Nacht anbrach, eine schöne, wenn auch nicht mondhelle Nacht. Sie mußten jetzt Rast machen, damit die Pferde ausschnaufen, die Leute sich durch Speise und Schlaf stärken konnten. Bevor sie jedoch der Ruhe pflegten, sagte Zbyszko zu Sanderus, daß er am folgenden Morgen allein vorausreiten müsse, und dieser erklärte sich bereit dazu, indem er mir die Bedingung stellte, daß er zu ihnen zurückkehren dürfe, falls ihm durch wilde Tiere oder durch die einheimischen Leute irgend eine Gefahr drohe. Auch bat er um die Erlaubnis, statt dreimal, viermal Halt machen zu dürfen, denn er ängstige sich sogar auch in gottgesegneten Gegenden, sobald er allein sei, und wie viel mehr noch werde er sich also in der furchtbaren Wildnis ängstigen, worin sie sich gerade befanden.
Das Nachtlager ward aufgeschlagen, und nachdem sie sich durch Speise gestärkt hatten, legten sie sich auf Felle an das kleine Feuer nieder, das sechzig Schritte vom Wege angezündet worden war. Die Knechte hielten abwechselnd Wache bei den Pferden, welche sich lange herumwälzten, zuletzt aber, nachdem sie ihr Futter gefressen hatten, einschliefen, wobei immer eines den Kopf auf den Hals des andern legte. Doch kaum graute der Morgen und warf seinen lichten Schein auf die Wipfel der Bäume, als Zbyszko emporsprang, die andern erweckte, und während es Tag ward, machten sie sich auf den Weg. Die Spuren der riesenhaften Hufe von Arnolds Hengst waren wieder ohne Schwierigkeit zu finden, denn eingedrückt in den niedrigen, gewöhnlich sumpfigen Boden, hatten sie sich unversehrt erhalten. Sanderus ritt voraus und entschwand bald ihren Blicken, aber in der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Mittag trafen sie ihn schon an einem Futterplatze. Er sagte ihnen, daß er kein lebendes Wesen erblickt, mit Ausnahme eines großen Auerochsen, vor dem er aber nicht die Flucht ergriffen habe, weil das Tier ihm zuerst aus dem Wege gegangen sei. Um die Mittagszeit, beim ersten Imbiß, erzählte er indessen, er habe einen Landmann, einen Zeidler mit einer Leiter gesehen, ihn aber nicht festgehalten, aus Furcht, tiefer im Walde könnten sich noch mehr seinesgleichen befinden. Er habe versucht, ihn über dies und jenes auszuforschen, doch hätten sie sich nicht zu verständigen vermocht.
Während sie weiter ritten, fühlte sich Zbyszko mehr und mehr beunruhigt. Wie sollte es werden, wenn ihr Weg sie nun zu höherliegenden Gefilden führte, wo der Boden fest und trocken war, so daß die bisher sichtbaren Spuren verschwanden? Oder wenn sie ihr Ziel lange nicht erreichten und in eine mehr bevölkerte Gegend kämen, wo die Einwohner längst gewöhnt waren, dem Orden Gehorsam zu leisten, ein Ueberfall also und die Entführung Danusias beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit ward? Denn wenn auch Zygfryd und Arnold sich nicht innerhalb der Mauern eines Schlosses oder Kastells, wenn sie sich auch nicht in Sicherheit befanden, war doch vorauszusehen, daß das einheimische Volk deren Partei nehmen würde.
Aber zum Glück waren diese Befürchtungen grundlos, denn an der nächsten Haltestelle trafen sie um die bestimmte Zeit Sanderus zwar nicht mehr an, entdeckten jedoch an einem dicht am Wege stehenden Fichtenbaume einen großen Einschnitt in der Form eines Kreuzes, der offenbar kurz zuvor gemacht worden war. Da schaute einer auf den andern, ein tiefer Ernst malte sich in ihren Zügen, und ihre Herzen klopften heftig. Macko und Zbyszko sprangen unverzüglich vom Pferde, um auf dem Boden nach den Spuren zu forschen, und suchten eifrig, aber dies währte nicht lange, da beide bald völlig klar sahen.
Offenbar hatte Sanderus hier den Weg verlassen und war in den Waid eingedrungen, indem er den Spuren der großen Hufe nachging, die zwar nicht so tief wie auf der Landstraße, aber doch ziemlich deutlich waren, denn das mächtige Tier hatte bei jedem Schritte die Zweige der Fichtenbäume in den Torfgrund gestampft und schwarze Flecken an diesen Zweigen zurückgelassen. Auch andere Spuren blieben den scharfen Augen Zbyszkos nicht verborgen, daher bestieg er wieder sein Pferd, Macko das seine, und sie begannen nun miteinander und mit dem Böhmen in so leisem Tone zu beraten, wie wenn der Feind dicht daneben gewesen wäre.
Der Böhme gab ihnen den Rat, den Weg zu Fuß fortzusetzen, aber dies wollten sie nicht thun, weil sie nicht wußten, wie weit sie noch durch den Wald zu ziehen hatten. Einige der unberittenen Mannen sollten indessen vorausgeschickt werden und, falls sie etwas Besonderes gewahrten, ein Zeichen geben, damit die Reitersmänner sich in Bereitschaft setzen konnten.
So ritten sie denn unverweilt weiter durch den Wald. Ein zweiter Einschnitt an einem Fichtenbaume zeigte ihnen, daß sie Sanderus’ Spur nicht verloren hatten. Binnen kurzem bemerkten sie auch, daß sie sich auf einem ziemlich begangenen Wege, oder vielmehr Fußpfad befanden. Nun waren sie überzeugt, daß sie auf irgend eine Ansiedelung stoßen und die Flüchtlinge dort finden mußten.
Die Sonne neigte sich schon dem Untergange zu und schimmerte golden zwischen den Bäumen hervor. Der Abend versprach schön zu werden. Tiefe Stille herrschte im Walde, denn für Vögel und anderes Getier war die Zeit der Ruhe gekommen. Nur da und dort unter den von der Sonne beleuchteten Zweigen sprangen noch Eichhörnchen umher, die von den Strahlen rot übergossen waren. Zbyszko, Macko, der Böhme, sowie ihre Knechte ritten im Gänsemarsch, einer hinter dem andern her. In dem sicheren Gefühle, daß die Mannen zu Fuß ihnen um eine beträchtliche Strecke voraus waren und sie nötigenfalls warnen würden, besprach sich der alte Ritter mit seinem Bruderssohn, ohne die Stimme allzusehr zu dämpfen.
»Laß uns nach der Sonne die Zeit berechnen,« sagte er. »Von dem letzten Futterplatze, bis zu der Stelle, wo das Kreuz eingeschnitten war, haben wir eine große Strecke zurückgelegt. Die Krakauer Uhr muß nun ungefähr die dritte Stunde zeigen … Sanderus befindet sich wohl längst bei jenen Rittern und hat auch genug Zeit gehabt, ihnen von seinen Abenteuern zu erzählen. Wenn er uns nur nicht verrät.«
»Er wird uns nicht verraten,« entgegnete Zbyszko.
»Und wenn sie ihm nur glauben,« fügte Macko hinzu, »denn glauben sie ihm nicht, so wird es ihm schlimm ergehen.«
»Warum sollten sie ihm nicht glauben? Und was wissen sie von uns? Aber ihn kennen sie gut. Auch kommt es ja häufig vor, daß Kriegsgefangene entfliehen.«
»Gerade das ist wichtig, denn wenn er ihnen gesagt hat, er sei aus der Gefangenschaft entflohen, werden sie vielleicht aus Furcht, er könne verfolgt werden, sogleich wieder aufbrechen.«
»Dann würde er irgend eine Ausflucht ersinnen, er würde ihnen begreiflich machen, daß eine solche Verfolgung kaum zu erwarten ist.«
Eine Weile schwiegen sie, dann dünkte es Macko, sein Bruderssohn flüstere ihm etwas zu, deshalb wandte er sich an ihn und fragte: »Was sagst Du?«
Doch Zbyszko hatte den Blick gen Himmel gerichtet, er flüsterte СКАЧАТЬ