Название: Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten)
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026822240
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»Würdest du umfallen, wenn du erführst, daß dieser junge Irrwisch, dein Bruder, noch am Leben ist?«
»Er lebt noch!« rief sie aus und sprang auf.
Verlond brauchte sie nicht weiter zu fragen, wie sie die Nachricht aufnahm. Ihr Gesicht rötete sich lebhaft, und ihre Augen strahlten freudig. »Ist das auch wirklich wahr?«
»Ja, es stimmt«, sagte der Lord mürrisch. »Es ist doch merkwürdig, wie alles zugeht. Ich dachte, der junge Bursche sei längst tot. – Warst du nicht auch dieser Ansicht?«
»Ach, sprich doch nicht so, du meinst es ja doch ganz anders.«
»Ich meine genau das, was ich sage«, fuhr er sie an. »Er war entsetzlich ungezogen zu mir, bevor er wegging. Weißt du, wie er mich damals nannte?«
»Aber das war doch schon vor sechzehn Jahren.«
»Meinetwegen vor sechzehn Jahrhunderten! Es ist mir ganz gleichgültig, wie lange es her ist – er hat es mir jedenfalls an den Kopf geworfen. Er sagte, ich sei ein langweiliger alter Schwätzer.« Sie lachte, und auch die Züge des Lords heiterten sich auf.
»Du kannst natürlich lachen! Aber für ein Mitglied des Oberhauses ist es keine einfache Sache, wenn es von einem Etonschüler ein langweiliger Schwätzer genannt wird.«
»Wo ist er denn?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe seinen Weg bis nach Texas verfolgt. Anscheinend war er dort bis zum Alter von einundzwanzig Jahren auf einer Ranch. Nach dieser Zeit war es etwas schwer, ihm auf der Spur zu bleiben.«
»Du hast dich also um ihn gekümmert«, sagte sie plötzlich. »Du hast Nachforschungen angestellt.«
Einen kurzen Augenblick schien der Lord verwirrt zu sein.
»Ich habe nichts dergleichen unternommen«, brummte er dann. »Glaubst du wirklich, ich würde mein schönes Geld zum Fenster hinauswerfen, um herauszubringen, wo sich ein solcher Tunichtgut herumtreibt?«
»Ach, du hast es ja doch getan«, beharrte sie. »Warum tust du immer so, als ob du ein so schrecklicher Mann wärest.«
»Er ist also wohl irgendwie gefunden worden«, sagte er ärgerlich. »Das bedeutet, daß ein großer Teil des Vermögens an ihn übergehen wird, das du sonst geerbt hättest. Gresham wird nun wahrscheinlich nichts mehr von dir wissen wollen.«
Sie lächelte. Lord Verlond erhob sich und ging zur Tür.
»Sag diesem nichtsnutzigen Burschen –«
»Wen meinst du denn?«
»James natürlich! Sag ihm, daß ich meine Ruhe haben will. Ich gehe jetzt in mein Arbeitszimmer und möchte nicht gestört werden. Hast du mich verstanden?«
Lord Verlond war an diesem Morgen sehr beschäftigt, aber auch Oberst Black und sein Freund blieben nicht untätig. Es war Montag, und an diesem Tag mußten alle Wettschulden reguliert werden. In zahlreichen Londoner Clubs warteten Buchmacher, in deren Listen die Namen Blacks und Sir Isaacs mit großen Summen eingetragen waren. Sie sahen immer häufiger sorgenvoll auf die Uhr.
Aber zum Erstaunen aller, die die Verhältnisse genauer kannten, wurden alle Beträge pünktlich beglichen.
Die ›Firma‹ hatte plötzlich wieder Geld bekommen.
Sir Isaac Tramber verbrachte den Nachmittag in einer äußerst zufriedenen Stimmung. Aus tiefster Verzweiflung war er wieder zu einem hoffnungsfreudigen Leben emporgestiegen. Seine Ehrenschulden waren bezahlt, er konnte sich wieder zeigen und den Menschen ins Gesicht sehen.
Als er in einem Taxi zu Blacks Büro fuhr, pfiff er vergnügt eine Melodie vor sich hin.
Der Oberst war nicht in seinem Büro, und Sir Isaac, der vorsichtshalber den Chauffeur hatte warten lassen, fuhr zu der Wohnung des Obersts.
Black kleidete sich gerade für den Abend an, als der Baronet dort eintraf.
»Hallo, Sie kommen zur rechten Zeit!« Black lud ihn zum Sitzen ein. »Ich habe eine Nachricht für Sie, die Ihnen Freude machen wird. Sie gehören doch zu den Leuten, die sich vor den ›Vier Gerechten‹ fürchten. Das haben Sie nun nicht mehr nötig. Ich habe alles über die Leute herausgefunden. Diese Entdeckung kostete mich allerdings zweihundert Pfund, aber das ist die Sache auch wert.«
Er sah auf ein Stück Papier, das vor ihm auf dem Tisch lag.
»Hier haben Sie die Liste ihrer Namen. Den ersten kenne ich nicht. Der zweite ist ein Bankdirektor – Mr. Charles Grimburd, ein bekannter Kunstkenner und Mäzen. Sicher haben Sie schon von ihm gehört. Und dann Wilkinson Despard – den hatte ich allerdings schon seit einiger Zeit im Verdacht. Ich habe die Zeitungen sehr sorgfältig verfolgt. Er schreibt besonders für den ›Post Herald‹, und dieses Blatt war über Taten der ›Vier Gerechten ‹ stets aufs beste informiert. Dort konnte man immer alles am ausführlichsten lesen. Obendrein hat dieser Despard viel über soziale Probleme geschrieben. Er wohnt in der Jermyn Street. Ich hatte einen Mann beauftragt, sich an die Dienstboten heranzumachen, und beim Butler, der durch Rennwetten viel Geld verloren hatte, hat es geklappt. Mein Mann ist seit einigen Wochen mit ihm in Verbindung. Da haben Sie die Liste.« Er schob das Papier über den Tisch. »Hier flößen sie einem lange nicht soviel Respekt ein, als wenn sie mit ihren Masken und sonderbaren Titeln auftreten.«
Sir Isaac studierte die Namen mit größtem Interesse.
»Aber ich lese doch nur drei Namen – wer ist denn der vierte?«
»Der vierte ist der Führer – können Sie sich nicht denken, wer das ist? Natürlich Gresham.«
»Gresham?«
»Ich habe zwar keinen direkten Beweis dafür, ich vermute es nur, aber ich könnte tausend Pfund darauf wetten, daß ich mich nicht täusche. Er ist doch ein Mann, der zu solchen Dingen paßt. Er kann organisieren und alle Einzelheiten ausklügeln.«
»Sind Sie wirklich sicher, daß Gresham der vierte ist?«
»Selbstverständlich.«
Black hatte seine Garderobe beendet und strich jetzt sorgfältig mit einer weichen Bürste über den Kragen seines Smokings.
»Wohin gehen Sie heute abend?« fragte Sir Isaac.
»Ich habe noch etwas zu erledigen. Ich glaube kaum, daß Sie die Sache weiter interessieren wird.«
Plötzlich legte er die Bürste weg und schien einen Augenblick nachzudenken.
»Das heißt, vielleicht interessiert es Sie doch. Kommen Sie mit mir. Haben Sie schon zu Abend gespeist?«
»Nein, noch nicht.«
»Leider kann ich Sie nicht einladen. Ich habe später noch eine wichtige Verabredung, die meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. – Sie sind ja auch noch gar nicht umgezogen«, fuhr er fort. »Nun, für unseren Besuch ist das gleichgültig. In der Gegend ist es nicht strenge Regel, sich abends umzukleiden.«
Er СКАЧАТЬ