Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen, Dramen & Gedichte (Über 200 Titel in einem Buch). Franz Werfel
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СКАЧАТЬ wie beim Sultan, mit Rosten und Röhren. Es fehle nur noch, daß die Pfannen, Häfen und Töpfe aus Gold und Silber seien. Sie, die Frau eines Kebussjan, habe in ihrer Kindheit auch nicht die Schafe gehütet, sondern die höhere Töchterschule besucht. Ihre Küchengerätschaft könne sich neben jeder anderen sehen lassen. Und doch, Kebussjan, der Reiche, und seine Frau, die es wahrhaftig nicht nötig hätten, unterhielten keine eigene Küche, sondern nähmen in Ergebung, was Gott beschere, von den Fleischbänken des Lagers entgegen, obgleich dem bescheidenen Muchtar mehr als der halbe Viehstand eigne. Die feine Gesellschaft der drei Zelte aber mit ihrem Überfluß, ihren Dienern und Schmarotzern, bestehle zu allem andern noch das Volksgut und lasse sich täglich die besten Fleischportionen, eigens ausgesucht, zu ihren Mahlzeiten holen.

      Es läßt sich nicht leugnen, daß diese Küchennote auf die knurrenden Mägen der Männer ihre Wirkung ausübte. Sonst aber richtete sich ihre Empörung weniger gegen Juliette als gegen Gonzague Maris, den Unbekannten, den Einschleicher. Es fehlte nicht viel, und einige junge Burschen hätten sich zusammengetan, um Maris kaltzumachen. Besonnene versuchten diese Absicht zu zerreden. Doch wehe, wenn Gonzague sich in dieser Stunde hätte blicken lassen. – Als Ter Haigasun auf dem Platz erschien, trat ihm die Kebussjan dreist entgegen: »Priester! Du darfst es nicht straflos hinnehmen ...«

      Er wollte sie grob zur Seite schieben:

      »Kümmere dich um das Deine!«

      Sie vertrat ihm aber immer unverschämter den Weg:

      »Ich kümmere mich um das Meine, Priester! Habe ich nicht zwei unverheiratete Töchter und zwei Schwiegertöchter? Das weißt du ja. Und sind die Augen der Männer nicht gieriger als die der wilden Hunde und die Herzen der Weiber noch ärger? In den Hütten wohnt und schläft alles auf einem Haufen. Wie sollen da die Mütter Zucht und Ehre halten, bei solchem Beispiel?«

      Ter Haigasun versetzte ihr einen leichten Stoß:

      »Für deine Tollheiten habe ich keine Zeit. Gib den Weg frei!«

      Die Rädelsführerin – sonst eine kleine unauffällige Frau mit geschwinden Mausaugen – reckte sich jetzt, durch Juliettens Fall wie eine Pfingstrose erblüht, zu feierlicher Höhe auf:

      »Und die Sünde, Priester, he? Christus, der Erlöser, hat uns vor dem Tode bewahrt, bisher. Er hat auf unserer Seite gekämpft. Er und die heilige Gottesmutter. Jetzt aber sind sie durch Todsünde beleidigt worden. Werden sie uns nicht den Türken ausliefern, wenn keine Buße geschieht, he?«

      Die Muchtarin glaubte einen Trumpf ausgespielt zu haben und blickte sieghaft umher. Ihr Mann, Thomas Kebussjan, hielt sich dicht hinter dem Rücken des Priesters, sah mit seinen ungleichen Augen alle und niemanden an und schien durchaus keine Lust zu haben, in das Ärgernis mit hineingezogen zu werden. Ter Haigasun aber antwortete nicht der Eifernden, sondern der Menge, die sich um ihn drängte:

      »Ja! Es ist wahr! Christus, der Erlöser, hat uns bewahrt bisher. Und wollt ihr wissen wodurch? Weil er uns durch ein großes Wunder rechtzeitig Gabriel Bagradian gesandt hat, der ein wirklicher Offizier ist und den Krieg kennt und versteht. Sonst wäre es schon längst aus mit uns. Seinem Kopf und seinem Mut haben wir es zu verdanken, wenn wir noch immer leben. Daran sollt ihr denken, nur daran und an gar nicht andres!«

      Die Wendung überzeugte einen Teil der Menge, und die kühleren Köpfe, die sich schon über die lüsterne Gehässigkeit der halbalten Weiber ärgerten, bekamen die Überhand. Die Kebussjan, die ihre Anhänger zusammenschmelzen sah, spähte um Hilfe. Schnell entdeckte sie hinter dem Rücken des Priesters ihren Gatten, der vor einer halben Stunde noch ihr moralisches Entsetzen restlos geteilt und unterstützt hatte. Sie rief ihn hochtrabend an:

      »Hier steht der Muchtar! Hört den Muchtar, der sich seit zwölf Jahren für euch plagt, hört ihn an, was er zu sagen hat!«

      Aber der so demagogisch aufgerufene Muchtar hatte gar nichts zu sagen, sondern ließ seine Frau blamiert stehen und verschwand schnell und mit leicht wackelnder Glatze hinter Ter Haigasun in der Pfarrhütte. Ringsum wagten sich schon spöttische Männerstimmen hervor:

      »Rührt lieber in eurem eigenen Schmutz! Zu wenig Arbeit haben diese Weiber. Man müßte sie einspannen.«

      In Ter Haigasuns Laubhütte hatte sich nur ein kleiner Kreis der Führer versammelt. Es handelte sich um einen privaten, äußerst heiklen Fall; man war deshalb aus einem kaum bewußten Feingefühl nicht in die Regierungsbaracke, sondern hier zusammengetreten. Da ein rein moralischer Gegenstand vorlag und Ter Haigasun auf moralischem Gebiet unbeschränkter Alleinherrscher war, wurden ihm ohne weitere Beratung alle Entschlüsse in dieser Sache anheimgegeben. Er wählte zwei Botschafter, Apotheker Krikor und Doktor Bedros Altouni. Der eine sollte sich zu Gonzague Maris begeben, da er ihn ja beherbergt und gewissermaßen in die Welt von Yoghonoluk eingeführt hatte. Der Arzt hingegen wurde als ältester Freund und Schützling des Hauses Bagradian zu Gabriel entsandt. – Was den kranken Apotheker anbelangt, so hatte sich der kleine Rausch beim Taufgelage als eine Arznei erwiesen, die alle andern Mittel, die er noch besaß, in ihrer Heilwirkung weit übertraf. Seit zwei Tagen konnte er sich auf seinen Beinen wieder besser fortbewegen, wenn auch nur langsam und mit kleinen Schritten. Ter Haigasun ließ ihn aus seinem Verschlag holen und entwickelte ihm in wenigen Worten seine Sendung: Er möge ohne Verzug seinen ehemaligen Gastfreund aufsuchen. Zwei Ordonnanzen der Jugendkohorte würden ihn auf diesem Gang stützen und ihm Hilfe leisten sowie den Mann ausforschen. Sei er gefunden, möge ihm Krikor mit Hinweis auf drohende Lebensgefahr eindringlich bedeuten, daß er so schnell wie möglich aus dem Umkreis des Lagers zu verschwinden habe. Krikor wehrte sich lange und heftig, diesen Auftrag zu übernehmen. Er sei in seinem irdischen Beruf zwar Apotheker, jedoch kein Herbergsknecht, der einen unerwünschten Gast ins Freie befördere. Auf all seine Einwendungen hatte Ter Haigasun nur die lakonische Antwort:

      »Du hast ihn uns zugeführt, nun sollst du ihn auch wieder entlassen.«

      Es half nichts. Apotheker Krikor mußte sich nach längerem Widerstand mitsamt seinen schmerzhaften Knochen auf diesen widerwärtigen Weg machen. Während er am Stock unsicher einherhinkte, prüfte er in tragischen Selbstgesprächen die Worte, mit denen er sich seiner Aufgabe in zarter und feinsinniger Art am leichtesten entledigen könne. Demgegenüber erhielt Bedros Hekim die weit gelindere Pflicht. Er hatte Gabriel Bagradian von der allgemeinen Empörung vorsichtig in Kenntnis zu setzen und die Bitte hinzuzufügen, Juliette Hanum möge bis auf weiteres ihr Zelt nicht verlassen.

      Während die andern Ter Haigasuns Verhandlung mit Krikor und dem Arzt schweigend hinnahmen, erhob einer, der sonst ein verstockter Schweiger war, seine Stimme zu einer wortgewaltigen Rede. Bis zu dieser Stunde hatte der schwarze Hrand Oskanian als ein belächelnswerter Narr gegolten, dessen boshaft eitle Narretei man sich gefallen ließ, weil man in ihm einen tüchtigen Lehrer achtete. Nun aber durchbrach der feuerfarbene Fanatiker die Larve des Narren. Alle starrten ihn gebannt an, denn von seinen Worten ging eine wilde Kraft aus. Oskanian forderte teuflische Rache an Gonzague Maris: Man solle diesem Schurken vorerst den amerikanischen Paß und den Teskeré abnehmen, ihn dann völlig entkleiden, an Händen und Füßen fesseln und nachts von kühnen Männern ins Tal tragen lassen, damit ihn die Türken für einen Armenier hielten und langsam abschlachteten.

      Mit bestürztem Mißbehagen gingen die Männer über den tollen Ausbruch Hrand Oskanians hinweg. Aber der Lehrer ließ sich nicht so leicht abschütteln. Er begann allen Ernstes die unumgängliche Notwendigkeit der von ihm beantragten Strafe zu begründen. Ter Haigasun hörte den langatmigen Schwall nicht mit halb-, sondern mit ganzgeschlossenen Augen an. Seine Hände verkrochen sich fröstelnd in den Kuttenärmeln, was stets ein deutliches Zeichen seines Unwillens war:

      »Bist du nun endlich fertig, Lehrer?«

      »Nicht früher, als bis ihr die Wahrheit ebenso einsehen СКАЧАТЬ