Название: Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman
Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karin Bucha
isbn: 9783740959500
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Günther Gellert hat jedes Zeitgefühl verloren. Seine Uhr, die er neben die Kerze gelegt hat, ist stehengeblieben. Mit den Kerzen sind sie sehr sparsam umgegangen. Doch nun sind sie auch verbraucht.
Eisige Kälte macht sich breit, sie dringt bis auf die Haut. Marina schüttelt es vor Kälte. Günther hat alle Decken herbeigeschleppt und sie eingepackt. Sie lehnt sich an ihn. So wärmen sie sich gegenseitig. Marina stößt ab und zu abgerissene Sätze hervor. Er legt die Hand auf ihre Stirn. Sie ist glühendheiß. Neuer Schreck durchzuckt ihn. Marina scheint krank zu sein. Und sie spricht im Fieber. Seine Angst um sie steigt ins Unermeßliche.
Jetzt merkt er, daß seine Liebe zu ihr tief und echt ist, jetzt, da er um ihr Leben bangt. Was waren ihm die Frauen bisher? Nur Spielzeug. Bei Marina ist das anders. Er friert, trotz seines dicken Pullovers, denn er hat Marina alle Decken überlassen.
Hin und wieder gibt er ihr im Schein seines Feuerzeuges einen Löffel von dem Rest Rum, und dann ist sie für eine Weile still.
Ich muß etwas unternehmen – denkt er voller Verzweiflung. Sollen wir hier in dieser Hütte zugrundegehen?
Nein! Und nochmals nein! Sein Lebenswille ist noch nicht gebrochen. Er muß einen Ausweg finden. Auf Sepp kann er sich nicht verlassen. Er ist überzeugt, daß Sepp sie suchen wird. Vielleicht ist er ebenfalls in eine Lawine geraten?
Marinas Fieber steigt bedrohlich. Mit aller Kraft hebt er sie hoch, trägt sie ins Nebenzimmer und bettet sie in die weichen Kissen. Alle Decken legt er über sie. Dabei schlagen ihm die Zähne vor Frost aufeinander.
Mutlos, ratlos, grübelnd nach einem Ausweg, hockt er neben Marinas Bett und hält deren Hand, die heiß in seiner kalten Rechten liegt.
Marina phantasiert. In ihren Ohren ist ein Sausen und Brausen, das zu einer gewaltigen Melodie anschwellt.
Du bist die Welt für mich… Und mein Gebet, es spricht…
Sie flüstert: »Ich liebe dich!« Sie hat vergessen, daß Günther bei ihr ist, sie sieht Albert Gellert, den Mann, dem vom ersten Augenblick ihr Herz gehörte.
»Küsse mich, bitte, küsse mich!« Ganz tief hat Günther sich zu ihr gebeugt. Jedes Wort kann er verstehen. Sein Herz klopft wie ein Hammer in der Brust. Er liebt Marina, und jetzt macht sie ihm dieses Geständnis, das ihn alles vergessen läßt. Nur eines weiß er genau: Lebend werden sie hier nicht herauskommen.
Ihre Hand umklammert die seine: »Ich liebe dich«, raunt sie, und sie lacht leise geheimnisvoll dazu.
Günthers Herz zieht sich vor Schreck und Angst zusammen. Sie weiß bestimmt nicht, was sie sagt, und er weiß auch nicht mehr, was er tut. Er hat nur den einen Wunsch, vor dem Tode glücklich zu sein.
Sein Mund sucht Marinas Lippen in einem langen, leidenschaftlichen Kuß. Immer wieder, bis die Wogen des Glücks über ihm zusammenschlagen. Dann schwinden ihm die Sinne.
*
Einer der mitgeführten Hunde spürt Sepp in einer Schneewehe auf. Nur ein Stück seines Skistockes ragt hervor. Die Rettungsmannschaft schaufelt und schaufelt, bis man Sepp ausgegraben hat. Er wird auf eine Trage gelegt, und zwei Mann tragen ihn ins Tal hinunter.
Albert Gellert sieht hinter dem kleinen Zug her. Hoffentlich sind sie nicht zu spät gekommen. Den treuen, zuverlässigen Sepp zu verlieren, wäre unausdenkbar.
Dann gibt er das Kommando, höher emporzusteigen. eine weiße Schneedecke breitet sich vor ihnen aus. Wie ein Leichentuch, muß Gellert denken, und er erschaudert. Sollte er bei seinem Sohn und wie er nun mit Gewißheit weiß, bei Marina, zu spät kommen? Er treibt die Leute an. Würde sich nicht hinter der Hütte eine Felswand schroff erheben; er würde den Weg nie gefunden haben. Auch hier ist alles von dieser weißen Masse zugeschüttet. Die Lawine, wenn es nicht mehrere waren, muß über die Felswand gekommen sein. Gerade diese Wand, die der Hütte Schutz gewährte, ist ihr nun zum Verhängnis geworden.
Die Männer beginnen zu schaufeln. Allen voran Albert Gellert. Der Schweiß strömt allen über Gesicht und Körper. Sie haben sich längst die Oberkleidung ausgezogen und arbeiten verbissen weiter.
Stunden vergehen, und als endlich die Tür freigelegt ist, graut es Albert Gellert, in die Hütte zu treten. Die unheimliche Stille, die hinter der schweren Holztür herrscht, macht ihm die Knie weich.
Er zündet die Laterne an und tritt ein. Der Lichtstrahl huscht durch das dunkle Wohnzimmer. Mit ein paar Schritten steht er im angrenzenden Schlafzimmer.
Marina ruht in den Kissen, und auf dem Boden liegt Günther. Beide sind ohnmächtig. Er beugt sich über Marina und sieht im Schein der Lampe das fieberrote, geliebte Gesicht. Ihr Atem geht stoßweise.
Er winkt den Leuten zu, und sie helfen zunächst Günther, schieben ihm eine Decke unter den Kopf und flößen ihm starken Schnaps ein. Es währt eine Weile, ehe er die Augen aufschlägt und sich erstaunt umsieht.
Er erkennt seinen Vater, und ein Lächeln der Erlösung geht über sein eingefallenes Gesicht.
»Vater!«
»Ja, mein Junge.«
»Kümmere dich um Marina«, flüstert er. »Sie ist sehr krank. Ich konnte nichts für sie tun, alles liegt im Schuppen, die Lawinen haben mich überrascht.«
»Red nicht so viel, Günther.« Er setzt ihm noch einmal die Flasche an den Mund, und Günther trinkt begierig. Er spürt, wie es ihm warm durch die Glieder strömt.
Inzwischen hat man die fiebernde Marina eingewickelt und auf die Trage gebettet. Sie weiß nicht, was mit ihr geschieht, sie weiß nicht, daß in letzter Minute die Rettung gekommen ist.
Es ist längst dunkel geworden, als der traurige Zug in dem Bergdorf ankommt. Marina wird sofort ins Gasthaus gebracht, und Albert Gellert ruft selbst den Arzt herbei.
»Lungenentzündung«, stellt er kurz fest. »Die junge Dame muß schnellstens ins Krankenhaus und in gute Pflege.«
Dann geht der Arzt zu Günther.
»Sie haben Glück, mein Junge«, meint er nach einer gründlichen Untersuchung. Er kennt die Familie Gellert sei Jahren und kann sich einen vertraulichen Ton erlauben. »Acht Tage gründliche Ruhe, gutes Essen, dann sind Sie wieder auf der Höhe.« Er schüttelt den Kopf. »Ein Wunder überhaupt, daß Sie so davongekommen sind. Die junge Dame hat es bedeutend härter gepackt.«
»Deshalb müssen Sie alles tun, damit sie schnell wieder gesund wird«, erwidert Günther voller Sorgen. Dann versinkt er in Grübelei. Merkwürdig ist das gewesen. Er hat das große, be-rauschende Glück in Marinas Armen kennengelernt, obwohl er den Tod bereits hinter sich spürte. Aber er hat sie nicht geholt, ihn nicht und Marina nicht, obwohl Marina sehr krank ist.
Er weiß, daß sie genesen wird. Und dann holt er sie zu sich als seine junge Frau.
*
Wochen sind vergangen, und Marina geht der Genesung entgegen. Sie darf schon stundenweise das Bett verlassen. Annemarie kommt täglich. Täglich werden für Marina die schönsten Blumen abgegeben. Auch Günther war schon mehrmals bei ihr. Was sie nicht weiß, ist, daß Albert Gellert sie СКАЧАТЬ