Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer
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Название: Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075837219

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СКАЧАТЬ und atme auf. Jetzt fühle ich mich erlöst von der letzten Kette dieser wahnsinnigen Leidenschaft. Jetzt bin ich frei.

      Frei! Könntest Du dieses kleine Wort so lesen, wie ich es im Niederschreiben fühle! Frei! Das war ich noch gestern nicht. Nicht weniger in den Tagen zuvor. Diese Irrfahrtswochen im Süden! Der Ekel schüttelte mich bis auf die Knochen. Doch mitten im bitteren Nachgeschmack immer wieder eine Erinnerung, die sich wie Sehnsucht fühlte! Dann fragte ich mich erschrocken: lieb ich sie noch, kann ich sie denn noch lieben? Dazu diese Menschen, diese Begegnungen! Als hätte sich unser ganzer Kreis von zu Hause systematisch über meine Reiseroute verteilt, um mich zu martern. In Capri, Amalfi, Rom, Bordighera, überall lief mir einer über den Weg, und die erste Frage war immer eine Frage nach ihr!

      Man wird in unserer guten Gesellschaft durch keine Großtat so berühmt, als wenn man sich vergißt und vom sauberen Bürgersteig des Lebens hinuntertappt in die Gosse.

      Heute früh noch, bei der Abfahrt in Innsbruck, wer steht vor mir? Der Edle von Sensburg! Der ›kleine süße Mucki‹! Du weißt, wer ihn so zu rufen liebte. Und seine erste Frage: › Vous seul, mon prince?‹ Ich hätte ihn mit der Faust ins Gesicht schlagen mögen. Und als er mir's abgequetscht hatte, wohin ich ging, schien er auf eine Einladung zur ›Gamsjagd‹ zu warten –– er sagt natürlich nicht Gemse, sondern ›Gams‹, immer echt, der kleine süße Mucki! Während der ganzen Fahrt verfolgte mich sein Kattungesicht, und immer roch ich seine peau d'Espagne – er hatte, während er mit mir sprach, den Arm auf die Wagenlehne gestützt. Um das Parfüm loszuwerden, nahm ich mir in Leutasch eine Bauernkutsche. Es half nicht. Nun quälte mich die Erinnerung an die Tage und Nächte, die ich mit diesem Menschen verbringen mußte, weil sie es als lustigen Sport betrachtete, ihren scheckigen Narren aus ihm zu machen. Ach, zum Teufel mit dem ganzen Ekel! Ich bin ihn doch los, bin erlöst, bin frei! Seit heute, seit ich hier bin! Und ich fühl es wie ein Wunder, das an mir gewirkt wurde. Das Wald aus seinem schönen Schweigen hat zu mir gesprochen: sieh, wie ruhig ich bin, sei du es auch! Und ich hab's gehört, verstanden und befolgt.

      Wie ganz genesen ich bin, mag Dir beweisen, daß ich fragen kann: ›Hast Du schon mit ihr gesprochen?‹ Ich bitte Dich, spare da nicht in meine Tasche! Ich will nicht, daß sie ›darben‹ muß, und sie ›darbt‹, wenn sie nicht mindestens die Revenue einer Million zur Verfügung hat. Dir hab ich es vor einem Jahr nicht glauben wollen. Jetzt weiß ich es: mein Name, meine Stellung, mein Besitz – das war's, was ihre ›große Feuerseele‹ bezwang. Sie soll sich in ihren ›stolzen Hoffnungen‹ nicht ganz getäuscht haben. Du weißt, für die Enttäuschten im Leben hab ich immer ein schwaches Herz gehabt. Das ist gewiß Ironie, aber es gesellt sich zu ihr auch ein Hauch von Ernst und Heiterkeit. Feilsche nicht! Und dann ist's vorüber. Für immer!

      Aber was soll ich nun mit mir beginnen? Ich habe noch ein Leben vor mir. Was soll ich ihm geben? Heut und für lange Wochen bin ich zufrieden mit der Ruhe, die ich hier gefunden habe. Doch wenn mich der Winter von hier verjagt? Was dann? Arbeit? Gewiß! Doch welche Arbeit? ›Da stock ich schon‹ – und muß mir erst überlegen, was ich schreiben will.«

      Er legte die Feder fort und trat ans Fenster. –

      Aus der Stube, die unter dem Jagdzimmer des Fürsten lag, fiel ebenfalls die Helle einer Lampe über den Hof hinaus, doch nur als matter Schein, denn am Fenster waren die Gardinen vorsichtig zugezogen.

      In dieser Stube saß Martin vor einer Briefmappe. Er hatte eine schon halb geleerte Flasche Bordeaux vor sich stehen, schmauchte eine Zigarette seines Herrn und hielt studierend den Federkiel in der Hand.

      Der Klang der Schritte, die über seinem Kopf hin und her wanderten, ließ ihn zur Decke blicken.

      »Wenn ich wüßte, was er denkt da droben, dann wüßte ich auch, was ich schreiben soll!«

      Bedächtig blies er eine Rauchwolke über den Briefbogen hin und begann mit zierlichem Schnörkel die Überschrift:

       Hochverehrte Frau Baronin!

       Meine gnädigste Gönnerin!

      Obwohl ich Bemerkenswertes nicht zu melden habe, erlaube ich mir, Frau Baronin doch heute noch eine Nachricht zu senden, um kurz zu berichten, daß unsere allverehrte Durchlaucht heute nachmittag, etwas angegriffen von der langen Fahrt, aber doch bei wünschenswert gutem Gesundheitszustand, im Jagdhaus eingetroffen sind. Selbes liegt in einer vollständig unkultivierten Berggegend, was vermuten läßt, daß es Durchlaucht nicht sehr lange hier aushalten werden. Für den Komfort Seiner Durchlaucht im Jagdhause haben Graf Sternfeldt leidlich gesorgt. Dagegen befinden sich die Zimmer im Fremdenhaus und auch das einzige Gastzimmer im Fürstenhaus in einem sehr primitiven Zustand. Letzteres Zimmer, welches von den Jägern das ›Grafenstüberl‹ genannt wird, wurde durch mehrere Wochen von Graf Sternfeldt bewohnt. Das Meublement genügt kaum den bescheidensten Ansprüchen, und da bei einem Besuche der gnädigen Frau Baronin nur dieses Zimmer in Betracht kommen kann – es liegt auf dem gleichen Flut mit den Zimmern Seiner Durchlaucht –, so werde ich einem verläßlichen Menschen in Innsbruck sofort den Auftrag geben, bis zum Eintreffen der gnädigen Frau Baronin alles Nötige zu beschaffen, damit das Zimmer würdig des zu erwartenden Gastes gestaltet werden kann. Da diese Änderung ohne Wissen Seiner Durchlaucht ausgeführt werden muß, bitte ich gnädige Frau Baronin untertänigst, meine Eigenmächtigkeit Seiner Durchlaucht gegenüber zu vertreten und die Sache so darzustellen, als hätte ich mich nur deshalb für diesen delikaten Auftrag gewinnen lassen, weil es sich um eine freudige Überraschung für Seine Durchlaucht gehandelt hätte.

      Sonst habe ich nur zu melden, daß Durchlaucht heute früh in Innsbruck mit Herrn von Sensburg zusammentrafen und selben sehr ungnädig behandelten, wofür sich Herr von Sensburg in gewohntem Takt mit doppelter Liebenswürdigkeit revanchierten. Hier in dieser menschenverlassenen Wildnis sind Begegnungen, welche die gnädige Frau Baronin beunruhigen könnten, nicht zu befürchten. Doch hatten wir heute abend, bei der Vorliebe Seiner Durchlaucht für einsame Spaziergänge, bereits einen kleinen Schreck zu überstehen. Durchlaucht hatten gegen sechs Uhr das Jagdhaus verlassen, um etwas Motion zu machen. Für halb acht war das Diner befohlen, aber es wurde acht Uhr, es wurde finster –«

      Martin hielt im Schreiben inne und blickte zur Decke hinauf.

      Dort oben waren die hin und her wandernden Schritte verstummt. –

      Der Fürst hatte sich wieder zum Schreibtisch gesetzt, um seinen Brief zu vollenden:

      »Mir will die Erleuchtung nicht kommen. Arbeit? Ja! Mich seht nach ihr. Ich glaube doch wohl, daß sie fürs Leben eine Notwendigkeit ist wie Luft und Freude. Aber da seh ich Dich lächeln, Du liebenswürdigster aller Residenzbummler, und höre Dein paradoxes Lieblingswort: Arbeit ist ein Fluch, das hat schon die Bibel gesagt, und das ist ein kluges Buch! Aber ich weiß auch, daß Du im Grunde Deiner Seele anders denkst. Das ist ja überhaupt Deine Art so: anders zu sprechen, als Du denkst – nein, so gesagt wär's eine Unhöflichkeit, ich hätte schreiben sollen: anders zu denken, als Du sprichst! Und mir gegenüber hast Du immer eine Ausnahme gemacht. Tu es auch jetzt! Gib mir einen Rat! Was soll ich beginnen, um aus meinem in die Irre geratenen Leben einen Zweck zu machen? Und gibt es für mich keine Arbeit, welche Ziel und Zweck hat, gut, so will ich das Zwecklose schaffen. Nur etwas leisten! Und hätte ich auch keinen besseren Dank davon als einen müden Abend und einen festen Schlaf. Aber was soll ich? Ins Regiment zurück? Noch heute, wenn Krieg in Aussicht wäre! Für die Parade und den bewaffneten Frieden? Nein! Oder soll ich mich ins Parlament wählen lassen? Ich wüßte nicht, für welche Partei. Was ich politisch denke, verträgt sich mit keiner. In mir mischt sich der Absolutist mit dem extremen Republikaner. Ich müßte heute mit den Junkern stimmen, morgen mit den Sozialisten. Eine parlamentarische Unmöglichkeit. Und überhaupt, das Parlament! Soll ich arbeiten für eine Sache, von der ich überzeugt bin, daß sie sich überlebt hat? Und bei aller Freiheit des Denkens – СКАЧАТЬ