Название: August Bebel - Die Frau und der Sozialismus
Автор: Bebel August
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9788027205295
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Erinnys: | Dich hat der Seher (Apoll) angeführt zum Muttermord? |
Orestes: | Und noch bis jetzt nicht schalt ich über mein Geschick. |
Erinnys: | Doch faßt der Spruch dich, anders reden wirst du bald. |
Orestes: | Ich glaub's; doch Beistand schickt mein Vater aus dem Grabe. |
Erinnys: | Hoff' auf die Toten, der du die Mutter tötest. |
Orestes: | Zwiefachen Frevel lud sie auf ihr schuldig Haupt. |
Erinnys: | Wie das? Belehre dessen doch die Richtenden. |
Orestes: | Den Mann erschlug sie, und erschlug den Vater mir. |
Erinnys: | Du aber lebst noch, während sie den Mord gebüßt. |
Orestes: | Warum denn hast im Leben du sie nicht verfolgt? |
Erinnys: | Sie war dem Manne nicht blutsverwandt, den sie erschlug. |
Orestes: | Ich aber, sagst du, bin von meiner Mutter Blut. |
Erinnys: | Trug denn, du Blutiger, unter ihrem Herzen sie dich nicht? Verschwörst du deiner Mutter teures Blut? |
Die Erinnyen erkennen also kein Recht des Vaters und des Ehemannes an, für sie besteht das Recht der Mutter. Daß Klytämnestra den Gatten erschlagen ließ, erscheint ihnen gleichgültig, denn er war ein Fremder; dagegen fordern sie des Muttermörders Bestrafung, denn Orest beging, indem er die Mutter tötete, das schwerste Verbrechen, das unter der alten Gentilordnung begangen werden konnte. Apollo hingegen steht auf dem entgegengesetzten Standpunkt, er hat im Auftrag des Zeus Orest zum Mord an der eigenen Mutter zur Rächung des Vatermordes veranlaßt, und er verteidigt vor den Richtern dessen Handlung, indem er sagt:
Darauf sag' ich also, mein gerechtes Wort vernimm:
Nicht ist die Mutter ihres Kindes Zeugerin, Sie hegt und trägt das auferweckte Leben nur; Es zeugt der Vater, aber sie bewahrt das Pfand Dem Freund die Freundin, wenn ein Gott es nicht verletzt. Mit sicherem Zeugnis will ich das bestätigen. Denn Vater kann man ohne Mutter sein; Beweis Ist dort die eigne Tochter (Athene) des Olympiers Zeus, Die nimmer eines Mutterschoßes Dunkel barg, Und edlern Sproß gebar doch keine Göttin.
Nach Apoll gibt also die Zeugung dem Vater das erste Recht, wohingegen nach der bis dahin geltenden Anschauung die Mutter, die dem Kinde ihr Blut und das Leben gibt, die alleinige Besitzerin des Kindes ist und der Vater ihres Kindes für sie ein Fremder bleibt. Daher antworten die Erinnyen auf die Anschauung Apollos:
Danieder stürzest du die Mächte grauer Zeit...
Du, der junge Gott, willst uns, die Greisen, niederrennen.
Die Richter rüsten sich zum Spruche, halb stehen sie zum alten, halb zum neuen Rechte, so daß Stimmengleichheit droht. Da ergreift Athene den Stimmstein vom Altar, und indem sie denselben der Urne übergibt, spricht sie:
Mein ist es, abzugeben einen letzten Spruch,
Und für Orestes leg' ich diesen Stein hinein;
Denn keine Mutter wurde mir, die mich gebar, Nein, vollen Herzens lob' ich alles Männliche, Bis auf die Ehe, denn des Vaters bin ich ganz. Drum acht' ich minder sträflich jetzt den Mord der Frau, Die umgebracht hat ihren Mann, des Hauses Hort. Es sieg' Orestes auch bei stimmengleichem Spruch.
Eine andere Sage stellt den Untergang des Mutterrechtes in Athen in folgender Weise dar. »Unter der Regierung des Kekrops ereignete sich ein doppeltes Wunder. Es brach zu gleicher Zeit aus der Erde der Ölbaum, an einer anderen Stelle Wasser hervor. Der erschreckte König sandte nach Delphi, um das Orakel über die Bedeutung dieser Vorgänge zu befragen. Die Antwort lautete: Der Ölbaum bedeute Minerva, das Wasser Neptun, und es stehe nun bei den Bürgern, nach welcher von den beiden Gottheiten sie ihre Stadt benennen wollten. Kekrops beruft die Volksversammlung, in welcher die Männer und die Frauen Stimmrecht hatten. Die Männer stimmten für Neptun, die Frauen für Minerva, und da die Frauen eine Stimme mehr hatten, siegte Minerva. Darüber ergrimmte Neptun und ließ das Meer die Ländereien der Athener überfluten. Um den Zorn des Gottes zu besänftigen, legten jetzt die Athener ihren Frauen dreierlei Strafe auf: sie sollten ihr Stimmrecht verlieren, ihre Kinder sollten nicht länger der Mutter Namen tragen, sie selber sollten nicht mehr Athenerinnen genannt werden« 13.
So siegte das neue Recht. Die Ehe, die den Vater zum Haupte der Familie macht, das Vaterrecht besiegte das Mutterrecht 14.
13. Bachofen, Das Mutterrecht.
14. Als im Winter 1899 auf 1900 in Berlin, Wien usw. eine neue Bearbeitung der Orestie des Äschylus durch Herrn v. Wilamowitz-Möllendorf auf der Bühne erschien, waren Publikum und Kritik unfähig, den tiefen Sinn dieser Tragödie zu erfassen, sie standen ihr fremd gegenüber.
3. Legitime Frauen und Hetären in Athen
Wie in Athen vollzog sich der Übergang vom Mutter- zum Vaterrecht, sobald eine ähnliche Kulturentwicklung wie dort erreicht war, überall. Die Frau wird auf das Haus zurückgedrängt, sie wird isoliert und bekommt besondere Räume – die Gynäkonitis – angewiesen, in welchen sie lebt. Man schließt sie selbst vom Verkehr mit den das Haus besuchenden Männern aus. Das war der Hauptzweck der Isolierung.
Diese Umwandlung in den Sitten kommt bereits in der Odyssee zum Ausdruck. So verweist Telemachos seiner Mutter Penelopeia die Anwesenheit unter den Freiem, indem er ihr befiehlt:
Aber gehe nun heim, besorge deine Geschäfte,
Spindel und Web[e]stuhl, und treib' an beschiedener Arbeit
Deine Mägde zum Fleiße; die Rede gebührt den Männern,
Und vor allem mir, denn mein ist die Herrschaft im Hause! 15
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