Kindheit, Jugend und Krieg. Theodor Fontane
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kindheit, Jugend und Krieg - Theodor Fontane страница 2

Название: Kindheit, Jugend und Krieg

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027225842

isbn:

СКАЧАТЬ Vater Louis Henri Fontane, geb. am 24. März 1796, war der Sohn des Malers und Zeichenlehrers Pierre Barthélemy Fontane. Was dieser, mein Großvater, als Maler leistete, beschränkte sich vorwiegend auf Pastellkopien nach englischen Vorbildern, als Zeichenlehrer aber muß er tüchtig gewesen sein, denn er kam zu Beginn des neuen Jahrhunderts an den Hof und wurde mit dem Zeichenunterricht der ältesten königlichen Prinzen betraut. Dies leitete sein Glück ein. Königin Luise wohnte gelegentlich dem Unterrichte der Kinder bei und alsbald an dem gewandten und ein sehr gutes Französisch sprechenden Manne Gefallen findend, nahm sie denselben als Kabinettssekretär in ihren persönlichen Dienst. Vielleicht geschah es auch auf Vorschlag des um jene Zeit überaus einflußreichen Kabinettsrats Lombard, der dabei den Zweck verfolgen mochte, seine auf ein Bündnis mit Frankreich hinarbeitende Politik durch bei Hofe verkehrende Persönlichkeiten verstärkt zu sehen. Die Gegner waren von dieser Ernennung wenig erbaut, und der national gesinnte Gottfried Schadow, damals noch nicht der »alte Schadow«, schrieb in sein Tagebuch: »Ein Herr Fontane, seines Zeichens Maler, ist Kabinettssekretär der Königin geworden; er malt schlecht, aber er spricht gut französisch.« Ob Pierre Barthélemy, mein Großvater, in seiner Stellung Einfluß geübt oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis, jedenfalls, wenn ein solcher Einfluß da war, war er von kurzer Dauer; denn dem Sturze Lombards, der nicht lange mehr auf sich warten ließ, folgte die Katastrophe von Jena, der Hof, flüchtig werdend, ging nach Königsberg, und Pierre Barthélemy, dessen Dienste keine weitere Verwendung mehr finden konnten, erhielt, in Berlin zurückbleibend, wohl als eine Art Abfindung, das Amt eines Kastellans von Schloß Niederschönhausen. Dorthin übersiedelte er nun, und von hier aus besuchte mein Vater drei Jahre lang, also wahrscheinlich bis Herbst 1809, das Gymnasium zum Grauen Kloster. Es waren harte Schuljahre, denn der weite, wenigstens anderthalb Stunden lange Weg nach Berlin erforderte, daß jeden Morgen um spätestens sechs Uhr aufgestanden werden mußte. »Winters froren wir bitterlich, und es wurde erst besser, als wir, mein älterer Bruder und ich, blaue, mit postorangefarbenem Kattun gefütterte Mäntel als Weihnachtsgeschenk erhielten. Aber es erwuchs uns daraus keine reine Freude. Jedesmal wenn sich der Wind in den mit einem gleichfarbigen Kattun gefütterten großen Kragen setzte, stand uns der postorangefarbene Kragen wie ein Heiligenschein zu Häupten, und der Spott der Straßenjungen war immer hinter uns her.« Es war dies eine Lieblingsgeschichte meines Vaters, der an ihr bis in sein Alter hinein festhielt und nichts davon wissen wollte, wenn ich ihm lachend von meinen eigenen, dem Vorstehenden sehr verwandten Schicksalen erzählte. »Ja, Papa«, begann ich dann wohl, »so bin ich, als ich so alt war wie du damals, auch gequält worden. Mama ließ mir um jene Zeit, ich war eben mit ihr in Berlin angekommen, Rock, Weste und Beinkleid aus einem milchfarbenen Tuchstoff machen, es war ein billiger Rest, und in der Klödenschen Schule hieß ich dann ein ganzes Jahr lang der ›Antiquar aus der alten Post‹. Der trug nämlich gerade solchen milchfarbenen Anzug und war überhaupt eine Karikatur.« – »Kann schon sein«, schmunzelte mein Vater, »so was ist mitunter erblich; aber Postorange war doch schlimmer, dabei muß ich bleiben. Es schrie förmlich in die Welt hinein.«

      Von guter Schülerschaft konnte bei den zwei Meilen Wegs, die jeden Tag zurückgelegt werden mußten, nach eignem Zeugnis meines Vaters nicht wohl die Rede sein. Es darf aber aus dem Umstande, daß er zeitlebens selbst von einer mangelhaften Schulbildung sprach, nicht auf eine Trauer über diesen Tatbestand geschlossen werden. Beinah das Gegenteil. Er hielt es nämlich, wie viele zu jener Zeit, mit gesundem Menschenverstand und Lebekunst, oder, wie es in unserer Haussprache hieß, mit »bon sens« und »savoir faire« und war, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, nie dazu zu bringen, sich zu willfähriger Anerkennung der »homines literati« aufzuraffen. Es gab das, wenn er seinen sogenannten »ehrlichen Tag« hatte, den Tag also, wo er aus seiner sonstigen Politesse herausfiel, mitunter recht verlegene Situationen für uns Kinder, im großen und ganzen aber bin ich ihm doch das Zeugnis schuldig, daß er, den ihm persönlich zu Gesichte kommenden Studierten gegenüber, in neunzehn Fällen von zwanzigen immer im Rechte war. Und es konnte dies auch kaum anders sein. Er war – weil er viel Zeit hatte, leider zuviel, was für ihn verhängnisvoll wurde – von Beginn seiner Selbständigkeit an ein überaus fleißiger Journal- und Zeitungsleser, und weil er sich nebenher angewöhnt hatte, wegen jedes ihm unklaren Punktes in den Geschichts- und Geographiebüchern, besonders aber im Konversationslexikon nachzuschlagen, so besaß er, auf gesellschaftliche Konversation hin angesehn, eine offenbare Überlegenheit über die meisten damals in kleinen Nestern sich vorfindenden Ärzte, Stadtrichter, Bürgermeister und Syndici, die, weil sie sich tagaus, tagein in ihrem Berufe quälen mußten, sehr viel weniger Zeit zum Lesen hatten. Erlitt er mal eine Niederlage, so gab er diese freimütig zu, ja, pries sogar seinen Sieger, blieb aber dabei, daß es ein Ausnahmefall sei.

      Und nun zurück zum Herbst 1809, wo mein Vater als Lehrling in die Berliner Elefanten-Apotheke eintrat. Diese Apotheke befand sich schon damals, wie heute noch, am oberen Ende der Leipziger Straße, jedoch nicht genau an gegenwärtiger Stelle, sondern ebendieser Stelle gegenüber, an der durch Leipziger-und Kommandantenstraße gebildeten Ecke. Bis vor wenig Jahren sah man noch den Elefanten in Höhe des ersten Stocks aus dem großen Eckpfeiler heraustreten, jetzt ist er fort, und nur die zahlreich über den Parterrefenstern angebrachten und an Elefantenrüsseln hängenden Gaslaternen erinnern noch an die frühere Geschichte des Hauses.

      In ebendieser Elefanten-Apotheke war mein Vater viertehalbjahr lang und verlebte diese Zeit mutmaßlich nicht gut und nicht schlecht, was ich daraus schließe, daß er über diesen Lebensabschnitt nie sprach. Vielleicht hatte dies Schweigen aber auch seinen Grund einfach in den großen Ereignissen, die folgten, so daß ihm für die voraufgegangenen Jahre von Durchschnittscharakter kein rechtes Interesse blieb. Herbst 1813 wäre seine Lehrzeit zu Ende gewesen, indessen König Friedrich Wilhelms des Dritten Aufruf an sein Volk kürzte diese Zeit um ein volles halbes Jahr, denn unter den sich freiwillig zum Eintritt Meldenden war auch mein Vater, damals noch nicht voll siebzehn Jahre alt. Über die nun folgende Kriegszeit habe ich ihn oft sprechen hören, meist durch mich veranlaßt, der ich nicht genug davon hören konnte. »Du warst also wohl sehr patriotisch, lieber Papa.« – »Nein, höchstens Durchschnitt. Offen gestanden, ich machte nur so mit. Wenn man siebzehn Jahr alt ist, erscheint einem ein freies Soldatenleben hübscher als ein Lehrlingsleben. Und wie's im Liede heißt, ›eine jede Kugel trifft ja nicht‹. Aber wenn ich auch anders hätte denken wollen, ich hatte keine rechte Wahl. In dem Tuchgeschäfte von Köppen und Schier, dessen du dich, weil du ja selber in der Burgstraße gewohnt hast, vielleicht noch entsinnst, trat damals eine adlige Dame ein und wurde von einem hübschen jungen Manne mit blondem Schnurrbärtchen bedient. ›Ich wundere mich, Sie hier hinter dem Ladentisch zu sehn.‹ – ›Ich nicht, meine gnädigste Frau; ich stehe hier lieber als anderswo.‹ – ›Das seh ich,‹ antwortete die Dame, und dem hübschen Blondin eine Ohrfeige gebend, verließ sie das Lokal. Das war so die Stimmung damals, und weil ich dergleichen nicht gern erleben wollte, wurd ich als freiwilliger Jäger eingekleidet und empfing eine Büchse.« Diese sogenannte »Büchse«, die später in den Flurwinkeln unsrer verschiedenen Wohnungen verrostet und verstaubt umherstand, war eine Flinte von allergewöhnlichster Beschaffenheit, was übrigens keine weitre Bedeutung hatte, da mein Vater, seinem eignen Zeugnis nach, auch mit einer gezogenen Büchse nicht getroffen haben würde. Anfang April verließ er mit etwa fünfzig andern Freiwilligen Berlin und zog auf Sachsen zu, wo sich die kriegerischen Ereignisse bereits vorbereiteten. An Spitze dieser Fünfzig stand ein Hauptmann von Kesteloot, ein vortrefflicher Soldat aus der alten Armee. Ausbildung und Führung waren ihm anvertraut. Am ersten Tage rückte man spät nachmittags in Trebbin ein; die meisten waren fußkrank, humpelten und sahen sehr niedergedrückt aus. Kesteloot ließ sie noch einmal antreten und sagte: »Wenn unser allergnädigster König und Herr darauf angewiesen ist, mit Ihnen den Kaiser Napoleon zu schlagen, so tut er mir schon heute leid.« Der Zustand der kleinen Truppe verbesserte sich aber, und man erreichte die Umgegend von Leipzig in leidlicher Verfassung. Vier Wochen später, am 2. Mai, war die blutige Schlacht bei Groß-Görschen. Die freiwilligen Jäger wurden einem Garde-Bataillon eingereiht und machten in diesem die Schlacht mit. Mein Vater erhielt eine Kugel in den Tornister, die, nach Durchbohrung eines kleinen Wäschevorrats, in den Pergamentblättern einer dicken Brieftasche steckenblieb. Diese Brieftasche, mit der Kugel darin, hab ich mir oft zeigen lassen.

      »Du mußt СКАЧАТЬ